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Franz Mathis
Kritischer Journalismus – Fehlanzeige?
Notizen

Wir sind zurecht froh darüber, dass in unserem Land kritischer Journalismus möglich ist. Allerdings werden die damit gegebenen Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft, mit der Folge, dass sich das Kritische am hiesigen Journalismus in relativ engem Rahmen hält.

Dazu nur drei Beispiele aus den letzten Tagen.

Beispiel 1: Was den viel diskutierten LKW-Verkehr über den Brenner anlangt, wurde von Südtiroler Seite ein so genanntes Slot-System vorgeschlagen. Danach wäre eine bestimmte Anzahl von LKW-Fahrten durch Tirol im vorhinein zu buchen, um das Verkehrsaufkommen besser verteilen und regulieren zu können. Die Zahl aller Transit-Fahrten wäre in einem Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien festzulegen.

Zwar wird in der Berichterstattung etwa in der TT darauf hingewiesen, dass diese Zahl die derzeit gemessene Zahl von rund 2,5 Millionen Transitfahrten pro Jahr wohl nicht überschreiten sollte.

Ein in der Kritik weitergehender Kommentar müsste jedoch darauf hinweisen, dass sogar diese Zahl eher unrealistisch sein dürfte, wenn man bedenkt, dass allein in Österreich etwa auf der Südosttangente in Wien pro Jahr rund 4 Millionen LKW unterwegs sind – und dies im Unterschied zu Tirol durch dicht besiedeltes Stadtgebiet und ganz zu schweigen vom zum Teil ebenfalls viel dichteren Verkehrsaufkommen auf deutschen und italienischen Autobahnen.

Noch viel gravierender erscheint jedoch die Tatsache, dass mit einem derartigen Slot-System stillschweigend anerkannt würde, dass die in einem solchen Vertrag festgelegte Zahl von Transitfahrten offenbar für die Bevölkerung zumutbar ist, was eine spätere, d.h. nach Fertigstellung des Brenner-Basistunnels zu erfolgende Verlagerung auf die Bahn noch unrealistischer macht.


Beispiel 2: Ein weiteres Beispiel eines unzureichend kritischen Journalismus ist darin zu sehen, dass über die höheren, aus einem gestiegenen Verkehrsaufkommen resultierenden Mauteinnahmen der ASFINAG durchaus positiv berichtet wurde.

Hätte angesichts der ständigen Klagen über den Klimawandel und die fast täglichen Forderungen nach einer Reduzierung des Autoverkehrs nicht gerade das Gegenteil der Fall sein müssen oder zumindest das vermehrte Verkehrsaufkommen nicht als „Jubelmeldung“, sondern durchaus kritisch kommentiert werden müssen? Eine solche Kritik war weder im ORF zu hören noch etwa in der TT zu lesen.


Beispiel 3: Ebenfalls der TT konnte vor kurzem entnommen werden, dass der Realisierung eines so genannten Ausleitungskraftwerkes der TIWAG vom Umweltverfahren her kaum mehr etwas im Wege steht. Im Gegenteil, es wird vom stellvertretenden Umweltanwalt des Landes Tirol sogar als überaus umweltschonend bezeichnet.

Dabei soll das bereits im Kraftwerk Prutz-Imst verwendete Wasser durch einen 14 km langen Tunnel zu einem weiteren Kraftwerk in Haiming geleitet werden, was – wenn der TT kein Druckfehler unterlaufen ist – rund 60.000 Haushalte oder fast ein Fünftel der Tiroler Bevölkerung mit Strom versorgen würde. Schon jetzt erzeugt die TIWAG fast 90 % ihres Stroms aus Wasserkraft.

Angesichts einer solchen Meldung sollte sich eigentlich jede Diskussion um mehr oder weniger Windräder oder eine flächendeckende Errichtung von Solaranlagen erübrigen, wenn auf derart einfache, wesentlich effizientere und vor allem wetterunabhängige Weise die vorhandene Wasserkraft genutzt werden kann.

Für dieselbe Leistung bräuchte man etwa 30 aus verschiedenen Gründen umstrittene Windräder durchschnittlicher Größe oder eine Vielzahl unterschiedlich großer Solaranlagen.

Wie wenig sich die Berichterstattung in der TT dieser Perspektive bewusst war, geht nicht nur daraus hervor, dass sie zu keinem – in diesem Fall durchaus positiv kritischen – Kommentar führte, sondern darüber hinaus nicht etwa mit dem Projekt der TIWAG überschrieben war, sondern mit der noch nicht bewilligten und im Artikel ebenfalls behandelten Verbindung zweier Schigebiete in Ost-und Südtirol.

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Franz Mathis

Geboren in Hohenems (Vorarlberg) 1946, Studium der Geschichte und Anglistik an der Universität Innsbruck, Mag. phil. 1971, Dr. phil. 1973, Habilitation aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1979, ordentlicher Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1993. Forschungsaufenthalte in England und den USA, Gastprofessor an den Universitäten Salzburg, New Orleans (USA), Trient und Bozen. Studiendekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Rektorsbeauftragter der Universität Innsbruck für die Partnerschaft mit der University of New Orleans, Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung, Schriftleiter der Tiroler Wirtschaftsstudien. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: vergleichende Stadtgeschichte, vergleichende Unternehmensgeschichte, Dritte Welt, allgemeine Wirtschaftsgeschichte Zusammenhänge und Grundlagen sozio-ökonomischer Entwicklung.

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