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Elias Schneitter
Von Benko bis Blimlinger
Neujahrsgespräche

Kurz nach Neujahr hat es sich eher zufällig ergeben, dass sich eine kleine Runde von langjährigen Freunden bei mir zuhause traf. Wie es sich gehört, haben wir auf das neue Jahr angestoßen und folgerichtig blieb es nicht bei einem Glas, denn schließlich kommt man ja nie wieder so jung zusammen.

Es entwickelte sich teilweise eine lautstarke, heftige Diskussion aufgrund unterschiedlicher Meinungen und Ansichten. So wie es zu sein hat.

Angefangen von Putin und dem Nahen Osten, alles ziemlich hoffnungslos, erhitzte sich das Gespräch vor allem an René Benko und seinem Milliardendesaster. 

Wie ist so etwas möglich, dass ein dahergelaufener Pradler zu so viel Kapital kommt? In was für einer dreckigen gierigen Geldgesellschaft leben wir eigentlich? Ein anderer Freund war wiederum der Überzeugung, dass Benko ein Genie sei. Wie sonst wäre es gelungen, in relativ so kurzer Zeit zu solch einem Imperium zu kommen? Ein anderer sah in Benko einen eiskalten Verbrecher, und vor allem ein Versagen der Banken und der staatlichen Kontrollorgane. 

Wenn du eine Verkehrsstrafe nicht bezahlst, dann droht dir Freiheitsentzug. Ja, weil wir Durchschnittsbürger halt alles nur Volltrottel sind.

Auch ich konnte da eine Geschichte beisteuern. Mein Vater ging Ende der 1950-er Jahre in Konkurs und wir verloren sofort unser Haus und meine Eltern stotterten bis herauf in die 1970-erjahre monatlich die Schulden an die Gläubiger bis zum letzten Pfennig ab. Benko wird aus dem Desaster als Multimillionär aussteigen. Da frage ich mich: Wer sind da tatsächlich die Trottel?

Jedenfalls blieb die Einschätzung von Benko in der Runde unentschieden: Finanzgenie oder eiskalter Verbrecher? Oder beides!

An Lustigkeit gewann dann die Diskussion, als die Unterhaltung auf das Neujahrskonzert und die Kritik daran von der ehemaligen Direktorin der Kunstakademie Blimlinger kam. Frau Blimlinger hatte ja kritisiert, dass der  Radetzkymarsch nicht mehr zeitgemäß sei und eine Verherrlichung eines Kriegers darstelle. Auch sei noch nie eine Frau am Dirigentenpult gestanden! 

Da wir doch schon etwas angeheitert waren, steigerten wir noch die Einwände der Direktorin in der Art, dass auch kein Schwarzafrikaner und kein Chinese und kein Transgender weder im Orchester noch am Pult gestanden hätten, weshalb das Neujahrskonzert sofort abgeschafft werden müsse.

Den Höhepunkt der Runde steuerte ein Freund bei, der der Kunstdirektorin den Vorwurf machte, dass sie in ihrer Vergangenheitsbewältigung endlich den Fall des Braunauers aufzuarbeiten hätte. Denn, so meinte er: hätte man damals den Braunauer Postkartenmaler in die Akademie aufgenommen, hätte es nur einen durchschnittlichen Pinsler mehr gegeben und wahrscheinlich wäre der Welt sehr viel erspart geblieben. 

Hier habe es ohne Zweifel eine schwere Verfehlung der Akademie gegeben und um diese sollte sich Frau Blimlinger endlich kümmern.

Nun, manchmal braucht es solche Abende unter Freunden. Und hoffentlich hat keiner sein Handy auf Aufnahme geschaltet, weil da wäre einiges Material zusammen gekommen, das nicht den heutigen woken Normen entsprechen würde. 

Aber die Gefahr ist gering, denn wir sind eine Runde von Freunden und unsere verbalen Ausrutscher interessieren niemanden.

 

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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