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Elias Schneitter
Literarischer Wegweiser – Jack Kerouac
King of the Beat’s
Notizen

In meiner Mittelschulzeit hatten wir einen hervorragenden Deutschprofessor, der es vorzüglich verstand, unser Interesse für Literatur zu wecken. Damals stand natürlich die deutschsprachige Dichtkunst im Mittelpunkt.

Ab den Siebzigerjahren hatte ich eine Zeitlang eine sehr intensive literarische Phase, einige Semester studierte ich sogar Germanistik, ehe ich das Studium nach drei erfolglosen Versuchen die Grammatikprüfung zu bestehen, wieder an den Nagel hing. Gottseidank!

Damals entdeckte ich für mich auch die amerikanischen Autoren wie Mark Twain, John Steinbeck, Hemingway, Tom Wolfe, Whitman und allen voran Jack Kerouac. Die deutschsprachige Nachkriegsliteratur empfand ich als viel zu depressiv und zu schwarz und diese Stimmung passte nicht zu meiner Lebenseinstellung. Bachmann und Celan waren nicht meine Favoriten.

Besonders Jack Kerouac mit seinem Roman On the Road und seinen Reisegeschichten hatten es mir angetan. Aufbruchstimmung, unterwegs sein, leicht verrückte Menschen kennenlernen oder, wie es später hieß, sex, drugs and rock n roll, obwohl für mich alle drei Sachen wenig real waren.

Kerouac kam aus einfachen provinziellen Verhältnissen, war in jungen Jahren ein College-Footballstar, während des Krieges verdingte er sich eine Zeitlang als Matrose und sein äußeres Erscheinungsbild mit den tiefblauen Augen entsprach ganz dem eines Filmstars. In seinen jungen Jahren trampte er mit Freunden durch sein geliebtes Amerika, durch Mexiko, Nordafrika und auch durch Europa.

Zwischendurch klopfte er seine Texte in die Maschine, so im April 1951, als er in einem dreiwöchigen schwindelerregenden Schreib-Sprint eine erste Fassung seines Hauptwerkes – unter dem Einfluss von Aufputschmitteln, zahlreiche T-Shirts durchschwitzend – auf eine vierzig Meter lange engbeschriebene Teletyping-Papierrolle hämmerte. Vom Wechseln der beschriebenen Blätter wollte er nicht gestört werden. Das waren Ingredienzien, so wie ich mir damals einen Autor vorstellte.

Er galt als Erfinder der spontaneos prose. Mit seinen Werken wurde Jack Kerouac zum King of the Beat‘s hochstilisiert, ein Image, mit dem er wenig anfangen konnte und das er ablehnte. Mit dem plötzlichen schriftstellerischen Ruhm konnte er nicht umgehen. Er ruinierte ihn. Er verfiel dem Alkohol, war in den letzten Jahren seines Lebens nur noch ein Schatten seiner selbst, von seiner ehemals sprühenden Energie war nichts mehr übrig und in einigen Fernsehauftritten, in denen er schwer betrunken auftrat, mutierte er zum lächerlichen Clown. Er starb im Oktober 1969 mit gerade einmal siebenundvierzig Jahren.

Vergangenes Jahr, anlässlich seines hundertsten Geburtstages, erschienen wieder einige seiner Werke in neuen Übersetzungen.

Auch sein erster Roman The Town and the City ist zum ersten Mal in deutscher Sprache herausgekommen. Mit großem Interesse habe ich diesen Achthundertseiten-Wälzer gelesen, ein großartiges Buch, für mich ein Genuss. Ein eindrucksvolles Stimmungsbild des einfachen, provinziellen Amerikas während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch blättere ich hin und wieder in On he Road und jedesmal muss ich schmunzeln. Diese wunderbare harmlose Romantik, diese Lebensfreude waren für mich in meiner Jugend genau das Richtige. Ebenso wie das Bild, das Ideal des genialen wilden Autors. Das hat mich beeindruckt, hatte aber  mit meiner Realität nicht allzu viel zu tun. Was solls?

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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