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Elias Schneitter
Serbien ist das Ende der EU.
Notizen

In dem Grätzel, in dem ich in Wien wohne, leben viele Kroaten und Serben, die ich im Alltag eher als raue Männer wahrnehme.

Kurz nachdem der Ukraine Krieg ausgebrochen ist, war ich in einer Kneipe, in der vorwiegend Ex-Jugoslawen verkehren. Ich saß an der Bar und ein betrunkener Serbe äußerte sich als Putinfreund und fluchte auf den Westen.

Was ist EU? Null und nix. Warum schicken Nato Waffen und kämpfen nicht selbst. Ganze Welt gegen Putin, aber Putin hat Recht. Auch Amerika machen nur bumm bumm mit Waffen und gute Geschäfte. Nur Vucic und Orban für Putin, sonst alle gegen Putin. Aber Putin wird nächste zwei bis drei Wochen bombardieren ganze Ukraine ohne Nuklear. Dann alles kaputt und keine Ukraine mehr…

Ich hütete mich, dem Betrunkenen, wie die anderen Gäste auch, etwas Aufmerksamkeit zu schenken, obwohl es mich schon gereizt hätte, ihn zu fragen, warum er bei uns aufhältig ist und nicht in Serbien. Aber das wäre nicht klug gewesen, stattdessen trank ich aus und verließ die Kneipe. Aber immer wieder lief ich diesem Mann in den nächsten Wochen über den Weg.

Kürzlich besuchte ich ein Cafe in der Wiener Innenstadt, in dem sich gerne Politiker, Rechtsanwälte, Medienleute und höhere Beamte aufhalten, übrigens auch die ehemalige Bundeskanzlerin, ehe ihr nach einem Besuch der Führerschein abgenommen werden musste.

An einem Stehtisch unterhielten sich zwei Herren, mittleren Alters, sauber gekleidet, mit Krawatte – ich tippte auf mittlere Beamte – bei einem Glas Weißwein und einigen Häppchen über die Osterweiterung der EU. 

Diese hielten sie für verfehlt, jedenfalls dass sie viel zu früh passiere. Einer meinte, dass man Ungarn und den Orban schon längst aus der EU hätte hinauswerfen müssen, weil er der Gemeinschaft nur auf der Nase herumtanze und alles blockiere. Nicht anders würde es sich mit dem Westbalkan verhalten. 

Zuerst wollen sie hinein, Kohle abholen, und dann blockieren sie. Darum waren sie sich einig, dass der Westbalkan draußen bleiben sollte, besonders aber Serbien, ein Spezialfall. 

Und um das zu untermauern, brachte einer der beiden ein Argument ins Spiel, das ich bis dahin noch nie so gehört hatte.

Er meinte halbernst: Wenn die Serben in die EU kommen, dann fliegt die ganze EU in die Luft. Die Serben haben schon die Monarchie zerstört, danach Jugoslawien und als drittes wäre die EU dran. Weil alle guten Dinge drei sind!

Sie erheiterten sich köstlich und bestellten noch zwei Gläser. Ich wiederum musste unweigerlich an meinen Serben in der Kneipe denken, obwohl der damit eigentlich nichts zu tun hatte.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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