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Elias Schneitter
Fehlerteufel
Notizen

Bei einem Fortbildungsseminar vor vielen vielen Jahren hat die Kursleiterin zum Einstieg ein Bild an die Wand geworfen. Da wurde eine Zahlenreihe mit ganz einfachen Additionsrechnungen gezeigt, wie z.B. 2 + 2 = 4 etc. Insgesamt zehn Stück, von denen eine ein falsches Ergebnis hatte. 

Und zum Auftakt des Seminars fragte uns die Dame, was uns bei dieser Liste auffallen würde. Alle Teilnehmer verwiesen auf das falsche Ergebnis, worauf uns die Leiterin lächelnd zustimmte, aber auch darauf hinwies, dass neun der zehn Rechnungen richtig gelöst seien. Aber wir Menschen seien eben darauf konditioniert, vor allem auf das Fehlerhafte hinzuweisen.

In meiner Karriere als Verleger habe ich im Laufe der Jahre circa 70 Einzelpublikationen herausgebracht. Nicht nur einmal, sondern immer wieder ist es mir passiert, dass das Buch aus der Druckerei angeliefert wurde, ich voll Enthusiasmus das Paket geöffnet habe, ein Exemplar in die Hand nahm, es aufschlug und mein erster Blick auf einen Druckfehler fiel. Mit einem Schlag war dann jedesmal die Freude dahin.

Wie ich inzwischen von Autoren weiß, haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht.

Manchmal – und ich gestehe es zu meiner Schande – habe ich eine kleine, klammheimliche Freude verspürt, wenn ich in Exemplaren renommierter Verlage ebenfalls einen Druckfehler entdeckt habe.

Vor fast einem Jahrzehnt habe ich als Autor die größte Dummheit meines Lebens begangen. Ich fungierte als Herausgeber (insgesamt waren 32 Autoren beteiligt) für ein Buch im Auftrag meiner Heimatgemeinde. Es sollte ein Querschnitt über das aktuelle damalige gesellschaftliche Leben in möglichst vielen Facetten gezeichnet werden.

Was das Konzept betraf, ging es dezidiert nicht darum, ein neues Heimatbuch im üblichen historischen Sinn zu gestalten, denn dieses Feld war bereits mit drei ausgezeichneten klassischen Heimatbüchern abgedeckt, herausragend jenes von Norbert Prantl, ein Meisterwerk.

Ein Jahr lang habe ich intensiv an der Herausgabe gearbeitet, um das Vorhaben umzusetzen. Und als das Werk dann erschien, war der erste Kommentar, der mir entgegengebracht wurde, dass ein Name auf Seite sowieso falsch geschrieben sei. 

Und in dieser Richtung ging es dann weiter. Obwohl ich noch heute überzeugt bin, dass es im Hinblick auf die Vorgaben ein recht gutes Buch geworden ist. Aber das ging unter. Es ging nur um einige Fehlerteufel.

Nun, inzwischen ist viel Gras darüber gewachsen und meine Heimatgemeinde hat das Zirl Buch in der Versenkung verschwinden lassen. Zumindest wird es auf der neu gestalteten Homepage der Gemeinde geflissentlich verschwiegen. 

Aber zum Trost gibt es ja drei vorzügliche klassische Heimatbücher, die alle angeführt sind.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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