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Elias Schneitter
Politikverdrossenheit, Tirol am 27.2.2022
Notizen

Vom Fußball kennt man das Phänomen, dass es bei jedem Spiel der Nationalmannschaft acht Millionen Teamtrainer gibt, von denen jeder Einzelne weiß, wie man erfolgreich wäre. Inzwischen kommt mir vor, dass für die Politik im Zeichen der Pandemie bereits das Gleiche gilt.

Von den Verschwörungstheoretikerinnen* bis hin zu den Expertinnen, eine jede scheint zu wissen, wie man der Seuche Herr wird. Nur unsere Politik ist nicht in der Lage, endlich die richtigen Maßnahmen zu treffen!

In dieser Situation sind unsere Politikerinnen nicht zu beneiden. Von allen Seiten prasseln Forderungen, Appelle, Horrorszenarien auf sie ein. Da ist es leicht nachvollziehbar, dass der gute Rudi Anschober mit all seinen Bemühungen und Anstrengungen das Handtuch geworfen hat. Anscheinend war er für die wirren Zeiten zu dünnhäutig, sodass ihm die Kraft ausging.

Oft heißt es, dass man für die Politik geschaffen sein müsse. Das Bild der Politikerinnen in der Öffentlichkeit ist, wenn man die landläufigen Diskussionen verfolgt, kein gutes. Es gehe ihnen nur um ihren eigenen Vorteil, ihre Interessen, das Wohl der Allgemeinheit kümmere sie einen feuchten Dreck.

Nun leben wir zum Glück in Österreich. Auch wenn wir keine Insel der Seligen sind, dann leben wir doch in einem Land, in dem Demonstranten und Oppositionelle nicht gleich eingesperrt und mundtot gemacht werden. Man muss sich ja nur vor Augen führen, wie es Aufmüpfigen ergeht, bei Diktatoren wie Putin, Erdogan, oder Assad, oder in Saudi-Arabien, wo ein Regimekritiker in einer Botschaft getötet und in Säure aufgelöst worden ist.

Davon sind wir Gott sei Dank meilenweit entfernt. Bei uns kann jeder – und nicht wenige machen ausgiebig davon Gebrauch – den größten Blödsinn hinausblasen, ohne gleich hinter Gittern zu landen.

In einer liberalen Demokratie, wie jener, in der wir leben, sollen die Vertreterinnen in den jeweiligen Parlamenten die Gesellschaft abbilden. Sie sind es ja, die die Meinungen der Menschen „draußen“ durchzusetzen haben. Auf Tirol heruntergebrochen heißt das, dass im nächsten Jahr, am 27. 2. 2022, die Gemeinderatswahlen (außer in Ibk) stattfinden werden. Also eine gute Gelegenheit für alle „Nationaltrainer“, sich um ein Mandat zu bewerben, um es besser zu machen als die alten „Sesselkleber“.

*Die Verwendung der weiblichen Form schließt die männliche mit ein.

Notiz: im Folgenden ein Auszug aus einem Leserbrief von Klaus Schauer aus Klagenfurt zum Thema Korruption, erschienen am 1.4.21 in der Presse: „Warum regt uns die seit Jahrzehnten grassierende Korruption nicht auf? Weil wir selbst gern am Trog sitzen möchten, weil wir im Kleinen die alltägliche Korruption selbst praktizieren, weil wir jemanden kennen, der jemanden kennt, der uns eine vorzeitige Impfung verschafft, eine Wohnung unter der Hand zuschanzt, einem Verwandten einen Job im Magistrat zuschiebt, weil wir die Putzfrau schwarz arbeiten, das Auto beim „Pfuscher“ reparieren lassen, etc. Worüber sollten wir uns also aufregen?“

In diesem Sinne ein schönes Wochenende.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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