Elias Schneitter
REHA und Treffen am Fußballplatz
Notizen
Das gute österreichische Gesundheitssystem liegt mir, natürlich auch berufsbedingt, weil ich Jahrzehnte in der Sozialversicherung tätig war, sehr am Herzen.
Mit zunehmendem Alter habe ich auch immer häufiger das Vergnügen dieses als Patient in Anspruch nehmen zu müssen. Zurzeit gerade bei einer vierwöchigen REHA, wobei ich über die medizinische und persönliche Betreuung durch das gesamte Personal nur das Allerbeste sagen kann. Hilfsbereit, freundlich, kompetent.
Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern als Insasse, zusammen mit mehr als 300 Rekonvaleszenten in allen Krankenzustands-Schattierungen, kommen einem unweigerlich existenzielle Gedanken in den Sinn. So natürlich auch mir.
Man stellt sich die Frage, was müssen Menschen alles auf sich nehmen, wozu muss das sein und wie gehen wir damit um? Jedenfalls denke ich mir inmer wieder, was sind wir doch für ein armer jämmerlicher Menschenhaufen.
Durch die Pandemie ist der Kontakt mit den anderen Heimbewohnern stark eingeschränkt. Überall Masken tragen und beim Essen jeder hinter einem Plexiglaskobel. Kommt es dann doch zu Gesprächen, dann sind Krankheiten das Thema.
Um diesen Unterhaltungen möglichst auszuweichen, verdrücke ich mich am späteren Nachmittag, wenn die Therapien abgeschlossen sind, gleich aus dem Heim. Zufällig ist neben der Anstalt ein Fußballplatz, und da gehe ich dann hin und schaue den Spielern beim Training zu. Eine angenehme Abwechslung für mich.
Vor einigen Tagen setzte sich ein älterer Herr neben mich auf die Bank. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir in wenigen Sätzen sein Leben.
Er ist einundneunzig, ist seit dreißig Jahren in Pension und hat sein Berufsleben als Hilfsarbeiter bei Tyrolit verbracht. Er ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, sein älterer Bruder übernahm den Hof, er blieb einige Jahre daheim als Knecht, ehe er in das Schleifwerk wechselte. Berufsausbildung war für ihn nicht drin.
Er hatte das große Glück, meinte er, dass ihn der Krieg nicht erwischt hat.
Täglich mache er zwei lange Spaziergänge, vormittags eine Runde in diese Richtung und nachmittags in die andere und jedesmal schaut er auch am Fußballplatz vorbei.
Seit drei Jahren war er bei keinem Arzt. Auf meine Frage, warum er glaube, dass es ihm so gut gehe, meinte er, dass er seit sechzig Jahren verheiratet sei und sich seine Frau immer um die Familie (vier Kinder, zwei Mädchen, zwei Buben) gekümmert habe und dass sie eine hervorragende Köchin sei. Er habe Glück eben gehabt. Ich gratulierte ihm.
Dann trennten wir uns, er ging heim und ich in die Anstalt. Eine nette halbe Stunde mit dem betagten Mann.
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