Elias Schneitter
Dank an Amanda Gorman
Notizen

Ein Freund berichtete mir am Telefon ganz begeistert von der jungen schwarzen Lyrikerin Amanda Gorman, die mit ihrem Vortrag bei der Inaugurationsfeier von Joe Biden alles überstrahlt habe. Ich schien etwas verpasst zu haben und wollte es via YouTube nachholen.

Bevor ich dazu kam, setzte es heftige Proteste durch Aktivistinnen, was die Übersetzungen von „The Hill We Climb“ betraf. Aus Identitätsgründen, hieß es, könnten Weiße, schon gar nicht weiße (alte?) Männer, das Gedicht einer jungen schwarzen Harvard-Studentin, in der noch die Gene ihrer versklavten Vorfahren vorhanden seien, in eine andere Sprache übertragen. Das gehe nicht, schon gar nicht, zumal es sich bei „Hill“ um ein Hohelied der Inklusion handle.

Zuerst hat mich diese fundamentale Kritik etwas irritiert, inzwischen kann ich sie sehr gut nachvollziehen. Amanda und ihre Aktivistinnen haben sich dafür ein großes Dankeschön verdient. Endlich ist es auch mir weißem Tölpel begreiflich geworden: Wie soll ich je mit den Erbfaktoren versteinerter Älpler ein Gedicht einer schwarzen Sklavinnen-Nachgeborenen verstehen?

Also werde ich den „Hill“ nicht erklimmen, mir die Lektüre ersparen und die Zeit für andere Dummheiten verwenden.

Aber selten ein Nachteil ohne Vorteil, ist mir ein altes Sprichwort geläufig. So auch hier, und zwar deshalb, weil mir nun ein Licht aufgegangen ist, was das „Tschändern“ betrifft. Wie so viele schlage ich mich beim Verfassen von Texten mit diesem Problem herum. Maskulin, feminin, wie soll man das nur unter einen Hut bringen und dabei die Lesbarkeit und das Schriftbild wahren? Dass sich die Sprache den neuen „Machtstrukturen“ anpassen muss, steht außer Zweifel, aber eine praktikable Form ist meiner Meinung nach noch nicht gefunden worden. Aber da vertraue ich den Spitzfindigkeiten unserer Menschinnen. Es wird schon bald eine vertretbare Lösung geben.

Bis dahin ist mir dank Amanda eine andere vernünftige Idee gekommen: Da Männer und Frauen sich offenbar grundsätzlich nicht verstehen können, werde ich in Hinkunft nur noch Texte für männliche Leser schreiben und alle Frauen ersuchen, von der Lektüre meiner Elaborate Abstand zu nehmen.

Notizen:
Nach der letzten Sondersitzung des Nationalrats: Sind wir Wählerinnen – das Parlament ist ja das Abbild der Gesellschaft – wirklich so ein zerstrittener unkultivierter Haufen?

Wir leben in harten Zeiten. Verfolgt man in den Medien die Kommentare von Expertinnen wie Herrn Filzmaier, Herrn Hofer oder der ganzen Riege der Chefredakteurinnen, dann stellt sich mir immer wieder die Frage: Warum gehen diese Leute nicht in die Politik, wenn sie immer genau wissen, wie es läuft und laufen soll? Eine positive Ausnahme ist Herr Kocher, der sich jetzt als Arbeitsminister versucht. Gut so!

Noch ein Lob von dieser Stelle an Rudi Anschober als Ex-Gesundheitsminister. Aus meiner Sicht hat er einen guten Job gemacht.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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