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Elias Schneitter
Auch auf dem Land kann man
Kulturpreziosen entdecken.
Notizen

Ich gehöre nicht unbedingt zu den regelmäßigen Kirchengehern. Meist sind es traurige Anlässe, also Begräbnisse.

Für einen alten Freund, der viele Jahre mit der Kirche nichts mehr am Hut hatte, ist inzwischen das Gotteshaus zum zweiten Wohnzimmer geworden, wie er manchmal ironisch bemerkte. Vor einigen Jahren hat er nämlich seine Singstimme entdeckt, hat diese in der Musikschule verfeinert und sich dann mit Begeisterung dem Kirchenchor angeschlossen.

Immer wieder lud er mich zu Aufführungen ein, wenn Messen musikalisch gestaltet wurden. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich aufraffen konnte, aber schließlich schaffte ich es, zumindest, wenn die Messe zu halbwegs christlichen Zeiten angesagt war.

So auch diesmal zu Maria Himmelfahrt, bei dem der Chor die Spatzenmesse von Wolfgang Amadeus Mozart mit instrumentaler Begleitung zur Aufführung brachte.

Zufälligerweise war ich früh in der Kirche und konnte den Chor beim Einsingen mitverfolgen. Langsam kamen weitere Kirchengeher, unter anderem auch die Gloser Annemarie, eine alte Bekannte von mir, die mit ihrem Rollator auf mich zusteuerte und zu mir freudestrahlend sagte: Ich freue mich schon seit Tagen auf den Chor.

Als junger Bursche ging ich eine Zeitlang regelmäßig in die Sonntagsmesse. Dabei ging es mir weniger um das heilige Sakrament, sondern von der Empore aus hatte ich eine gute Sicht auf das damals von mir angehimmelte Mädchen. Auch wenn ich es nie näher kennenlernen sollte, hob der Anblick stets meine Stimmung, so wie es jetzt auch die Musik des Zirler Kirchenchores zu Maria Himmelfahrt tun sollte.

Der Gesang, die Solosänger und Solosängerinnen, die Trompeten, die Pauken, die Geigen, alles perfekt und einfach ergreifend. Jedenfalls großartig und bewundernswert, was da unter der Leitung von Herrn Kirchmair dargeboten wurde, in der übrigens eiskalten Pfarrkirche mit ungemütlichem Mobiliar.

So eine meisterhafte Aufführung als kleiner Kirchenchor auf dem Lande auf die Beine zu stellen, erfordert viel Leidenschaft und Idealismus. Als die Messe vorbei war, traf ich die Annemarie wieder. Ich bin noch immer ganz hin und weg, sagte sie und ich freue mich schon auf das nächste Mal.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helmut Schiestl

    Ich glaube, Du hast da was verwechselt in Deiner Geschichte, wenn Du vom Mariahimmelfahrtstag in einer eiskalten Kirche schreibst. Dieser ist bekanntlich am 15. August, und da ist es bei uns – Klimawandel hin oder her – eher fein kühl, wenn draußen die Hitze tobt und herrscht. Tat sie meiner Erinnerung nach auch heuer wieder an diesem Tag ganz normal. Oder meintest Du vielleicht doch eher den Maria Empfängnistag am 8. Dezember, wo man sich freilich überlegt, ein Kirchenkonzert oder eine Messe zu besuchen, weil die Kirchen, da meistens nicht geheizt, sehr kalt sind.

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