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Elias Schneitter
Kafka als Humorist und Büroangestellter
Neujahrsgespräche

Vor etwa 25 Jahren haben Heinz D. Heisl und ich einen Abend über Franz Kafka und Charles Bukowski an der Volkshochschule gehalten. Dabei versuchte ich den Humor bei Kafka darzustellen und auch auf seinen Büroalltag einzugehen.

Während meiner Gymnasialzeit war Kafka einer meiner literarischen Heroen. Vor allem wegen seiner dunklen, finsteren Seiten, und dabei vor allem wegen seiner Probleme mit Frauen. Damals besaßen wir die hässlichen Fischer Taschenbücher mit dem grauenhaften Satzspiegel und einer Verzweiflungs-Zeichnung am Cover, sodass alles sehr genau zu unserem traurigen Bild von Kafka passte, das wir pflegten.

Viele Jahre später las ich Der Process (Reclam Universalbibliothek) neuerlich in einer ansprechenden Aufmachung, und ich entdeckte für mich noch einen ganz anderen Kafka. Die absurde, die groteske, ja auch die humoristische Seite des Dichters! Allein die Eingangsszene, in der der Held verhaftet wird, nicht weiß warum, und auch die Wächter keine Ahnung haben und ihm zu allem Überfluss auch noch das Frühstück wegessen.

Oder die Szene in einer Rumpelkammer, in der Die Prügler auftreten, und die beiden Wächter verprügelt werden sollten, weil sie glaubten, von K. verleumdet worden zu sein, was dieser heftig bestreitet und die beiden Wächter ihn ihrerseits dafür verantwortlich machen, dass er ihre berufliche Karriere ruiniert habe, denn ihr Ziel wäre es gewesen, auch Prügler zu werden. Unweigerlich musste ich da an die Vertracktheit eines Karl Valentin denken.

Auch ist überliefert, dass Kafka bei einer Lesung aus Der Process derart von einem Lachkrampf geplagt wurde, dass er nicht mehr weiterlesen konnte.

Dr. Franz Kafka war lebenslang bei der „Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag“ angestellt. Für einen Versicherungsbeamten enthielt das Dienstrecht zwei Gründe, die es ihm untersagten, tätig zu werden. Erstens, wenn durch sein Handeln ein strafrechtlicher Tatbestand die Folge wäre, und zweitens, wenn er nicht zuständig sei. 

Diesen zweiten Grundsatz aus seinem Büroalltag hat Kafka auf die ganze Welt, die gesamte Gesellschaft übertragen, in der Form: Keiner ist zuständig, niemand ist verantwortlich! Diese Maxime bestimmt sein literarisches Werk.

Interessant ist auch der Tätigkeitsbereich, den er bei der „Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag“ innehatte. Seine Aufgabe war die Unfallverhütung. Als solcher kämpfte Kafka jahrelang gegen die zahlreichen tschechischen Steinbruchbesitzer, die ihre Arbeiter zu einem Drittel mit Schnaps entlohnten. Die Folgen dieses Alkoholmissbrauchs liegen auf der Hand.

Auch ist von ihm und seinem Freund Max Brod bekannt, dass sie gemeinsam den Plan hatten, einen Reiseführer Billig reisen durch Europa herauszugeben.

So vielfältig das kurze Leben von Franz Kafka auch war, so vielfältig ist auch seine Literatur, die alle möglichen Interpretationen zulässt. Eben auch teilweise aus dem Blickwinkel des Humors.

Was Humor und Kafka betrifft, so haben bereits die französischen Surrealisten auf diesen Aspekt hingewiesen. Bei uns im humorbefreiten deutschsprachigen Raum dauerte das länger. 

Jedenfalls erhielt damals Heinz D. Heisl mit seinem Vortrag über Charles Bukowski wesentlich mehr Zustimmung als ich mit meinem Humoristen Kafka.



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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Susanne Preglau

    Im Profil Nr.2 vom 13.Jänner 2024 habe ich ein Interview von Wolfgang Paterno mit dem Kabarettisten Thomas Maurer gelesen zum 100. Todestag von Franz Kafka (3.Juni 1924).
    Im Rabenhof-Theater in Wien wird „Maurer.Kafka.Komisch“ gespielt – also auch hier wird Bezug genommen auf den Humor Kafkas. Maurer liest dabei ausgesuchte Schriften Kafkas.
    Maurer über Kafka: „Bei ihm (ist) alles bedrohlich und angstbesetzt. … Seine Komik (ist) nie ganz ohne Schrecken. … Kafka war ein Virtuose des Nichtgelingens.“
    Man sollte die Gelegenheit wahrnehmen, die Komik Kafkas zu entdecken.

  2. Andreas Niedermann

    „Keiner ist zuständig, niemand ist verantwortlich! „
    Hatte Kafka schon damals mit der österreichischen Post zu tun?

    „Koks“ hieß das Getränk, das angeblich die tschechischen Bergarbeiter vor Schichtbeginn zu sich nahmen. Gab’s im „Nachtasyl“. 1 Stamperl Rum, darin 1 Würfelzucker und darüber eine Schicht gemahlener Kaffee.
    Schwer zu empfehlen.

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