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Elias Schneitter
Familienausflug nach Bozen
Notizen

Die Idee zu einem gemeinsamen Familienausflug in „Originalbesetzung“ (die Zeiten ändern sich) kam eigentlich von den längst erwachsenen Kindern. Meine Begeisterung dafür hielt sich  in Grenzen, aber der Sohn ließ nicht locker. Schließlich einigten wir uns auf Christi Himmelfahrt. (Wahrscheinlich leitet sich „Himmelfahrtskommando“ davon ab, dachte ich mir.)

Nach der Terminplanung die Frage: wohin sollte der Kurztrip gehen? Kärnten, Steiermark, Gardasee? Gegen Gardasee wehrte ich mich vehement. „Wenn ich Innsbrucker treffen will, dann fahre ich nach Innsbruck.“

Irgendeinmal hatte ich „Montiggler See“ in der Nähe von Bozen aufgeschnappt. Meine Kinder erheiterte mein Vorschlag. „Montiggl nach Bozzn. Super!“, lästerten sie. Aber ich setzte mich durch.

Die Mutter meiner Kinder (Bezeichnung Ex ist verpönt) suchte im Internet nach einer Unterkunft in der Nähe des Montiggler Sees und wir landeten in einem kleinen Hotel in Branzoll. Auf einen Stau bei der Anfahrt hatten wir uns eingestellt und bekamen ihn auch serviert. Natürlich fanden wir das Hotel in Branzoll nicht sofort, weil wir uns auf das Navy verließen und zielsicher auf irgendeinem Feldweg landeten. Der zweite Versuch war erfolgreich.

Wir staunten jedoch nicht schlecht, ein romantisches, kleines Hotel hinter riesigen Kastanienbäumen und fast mitten in Wein- und Apfelanlagen vorzufinden. Die Besitzer empfingen uns herzlich, schöne Zimmer mit Balkon, sogar ein Pool, die anderen Gäste eher aus dem Bereich „alternativ“, Radler und junge Damen, die in der Morgenfrühe im Freien ihre „Sonnenanbeter-Übungen“ vollführten.

Auch verblüffte mich das Angebot der Gästekarte: alle Öffis in ganz Südtirol frei, alle Museen frei, sogar die Benützung vieler Seilbahnen (z.B. auf den Ritten) kostenlos. Wir nützten alle diese Angebote ausgiebig, bestiegen die ganze Zeit nie unsere Karre, sondern saßen im Zug (alles pünklich) oder Bus.

Was wir uns durch die Gästekarte ersparten, investierten wir großzügig in die üppigen Mahlzeiten, und es wäre nicht das wunderbare italienische Flair (auch in Bozzn), wenn sich nicht bei jeder Rechnung ein kleiner Fehler eingeschlichen hätte. Meine Buchhalter-Tochter hatte das immer sofort im Blick und meinem sehr kommunikativen Sohn gelang es stets eine Runde Schnaps herauszuschlagen.

Ich konnte sogar das Fußballstadion des FC Südtirol begutachten. Das Team ist heuer ja in die Seria B aufgestiegen, während  FC Wacker in den Abgrund gestürzt ist. Ich nahm mir vor, das eine oder andere Spiel zu besuchen. Natürlich mit dem Zug!

Bei der Abfahrt gab es dann wieder eine freundliche Verabschiedung durch die Besitzer, die ich ob ihres Fleißes richtig bewunderte. Beim Frühstück sorgten sie sich um ihre Gäste und am Abend in der Bar standen sie hinter dem Tresen. Nach dem Motto, in der Früh die Ersten, am Abend die Letzten. Bewundernswert!

Meine ehemaligen Familienurlaube habe ich nicht in bester Erinnerung, aber diesmal war es ganz anders. Oder wie es mein Sohn zusammenfasste: „Bozzn ist super!!!“.

Apropos, den Montiggler See haben wir nicht gesehen! Keine Zeit! Nix Autofahren!

Note 1: Sichtweisen im Krieg. Bei uns im Fernsehn wurde ein Ausschnitt aus einem Beitrag des russischen Staatsfernsehns gebracht. Ein russischer Soldat stand vor einem zerbombten Gebäude und meinte, das ist das Werk der Ukrainer. Hat gerade noch gefehlt, dass der russische Außenminister Lawrow aufgetreten ist und gemeint hätte, die ukrainischen Soldaten hätten ihre Landsleute erschossen, um die Russen in aller Welt schlecht zu machen.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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