Elias Schneitter
Ernst Paar 1948 – 2023
Nachruf

In der Nacht vom 9. November ist Ernst Paar in einem Wiener Krankenhaus verstorben. 

Der gebürtige Lilienfelder kam in jungen Jahren, Ende der Sechzigerjahre nach Tirol. Die Gründe für diese Übersiedlung waren etwas kurios – so wie so manches in seinem Leben. Damals wurde der Blockbuster Das vergessene Tal mit Omar Sharif und Michael Caine in Trins, im Stubaital gedreht und da meldete sich Ernst als Komparse und Mitarbeiter für diesen Hollywood-Schinken.

Über neue kunst- und kulturaffine Bekannte, die er hier kennenlernte, ließ er sich in Innsbruck nieder und arbeitete eine Zeitlang als freier Mitarbeiter beim ORF. Innsbruck besaß zur damaligen Zeit eine winzige, aber sehr aktive und kreative Kunstszene, allen voran das aktuelle Forum für Kunst mit Peter Weiermeier, Gerhard Crepaz und vielen anderen.

Die Passion und die Leidenschaft waren für Ernst Paar das Theater. Schon als Kind erlebte er Aufführungen, die ihn faszinierten und begeisterten. Jedenfalls war er Anfang der 1970er Jahre an der Gründung des inzwischen legendären Theaters am Landhausplatz beteiligt, eine Einrichtung, die in den Folgejahren für einigen Wirbel in der Stadt und auch im ganzen Land sorgen sollte. 

Das Konzept der Theatergruppe entsprach ganz und gar der damaligen Zeit des Aufbruches und gesellschaftlichen Wandels nach den finsteren Jahren des Dritten Reiches und dessen Ausläufer in den Fünfziger und Sechzigern.

Die Stückeauswahl der Bühne am Landhausplatz war größtenteils ein Schlag ins Gesicht für das etablierte Theater. Wolfang Bauer Magic afternoon, Fernando Arrabal Und sie legten den Blumen Handschellen an, Peter Turrini Rozznjogd, Jean Genet Die Zofen oder das Über-Skandalstück Stallerhof von Kroetz, das die engagierte Lehrerin Agnes Larcher, die dieses Stück mit ihren Schülern in der Schule durchnahm, den Posten kostete.

Nach zehn Jahren kehrte Ernst Tirol den Rücken, nachdem das Landhausplatz geschlossen und vom Kellertheater abgelöst worden war. Oft erzählte er mir, dass er zum richtigen Zeitpunkt das Theater verlassen habe. Er wechselte seine Bühne und war in den nächsten 35 Jahren als Reiseleiter, Alleinunterhalter, Entertainment-Manager, die meiste Zeit auf Kreuzfahrtschiffen, unterwegs.

Seit seiner Pensionierung lebte er prekär in Wien in einer winzigen Gemeindewohnung. Wie es seine Art war, hatte er sich um seine Altersversorgung wenig gekümmert. Er arbeitete zwar für große, weltweit agierende Kreuzfahrtunternehmen, nur bei diesen war eine Pensionskasse nicht vorgesehen. Aber wie es ganz und gar der Art von Ernst entsprach, hätte er sich darüber nie beklagt. Er lebte bescheiden und völlig ohne Groll trotz schwieriger Umstände.

Seit er wieder in Wien war, hatten wir regelmäßig Kontakt. Telefonisch, oder im Café Heumarkt bei den beiden Brüdern (Pächter). Sein Interesse galt immer noch dem Theater. Er war bestens informiert, was sich da abspielte.

Häufig unterhielten wir uns über seine Innsbrucker Zeit. Auch wenn es in dieser wilden Zeit einige kleinere Skandale mit dem Theater gab, war Ernst von seinem Charakter her alles andere als ein Rebell oder Provokateur. 

Es ging ihm um Toleranz und mehr Weltoffenheit. So stand er zum Beispiel mit dem damaligen Landesrat Dr. Fritz Prior bis zu dessen Tod in brieflichem Kontakt und so auch mit vielen anderen Persönlichkeiten, die nicht zu Ernstls Lager zu zählen waren.

Die letzten Wochen habe ich ihn im Krankenhaus und im Pflegeheim besucht. Er wusste sehr genau Bescheid, wie es um ihn stand. Er beklagte sich nicht, er verlor auch seinen Humor nicht, wir hatten bis zum Schluss unterhaltsame Gespräche bei einer eiskalten Dose Radler-Zitrone.

Lieber Ernsti, chapeau!

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Civetta“ (baes) und der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Zirler Blues“ (baes). Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), in der ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Rudolf Ostermann

    Großartig, habe den Herrn leider nicht gekannt, aber nach deiner Geschichte hat man das Gefühl, einen Bekannten verloren zu haben.

    1. Christian Wanko

      Mit Betroffenheit habe ich erst jetzt von Ernsts Tod erfahren. Ich habe in jungen Jahren in zwei Stücken am Theater am Landhausplatz mitgespielt: „Was heißt denn hier Liebe?“ und „Tyrol 1525“. Ernst war dabei ein großartiger Regisseur und Mentor. Nach seinem Weggang aus Innsbruck habe ich ihn noch ein paarmal in Wien bei seiner Weggefährtin Erna Laudenbach getroffen, dann aber beide aus den Augen verloren.

Schreibe einen Kommentar