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Elias Schneitter
Ein Volk von Antragstellern
Notizen

Die Statistik liefert uns laufend Daten und Fakten über Wichtiges und Unwichtiges. Z.B.: Wie lange stehen wir im Stau, wieviel Schweinefleisch und wieviel Bananen vertilgen wir pro Jahr etc. ?

Statistisches Material darüber, wie viele Stunden, Tage, Wochen der Älpler im Schnitt damit zubringt, um Anträge für Subventionen und staatliche Unterstützungen zu stellen, gibt es meines Wissens nicht. Schade!

Als Kleinverleger bin ich Mitglied der Wirtschaftskammer. In den letzten beiden Jahren erhielt ich laufend Informationen darüber, wo und wie ich für die durch die Pandemie bedingten Ausfälle ansuchen müsste. Wie man hört, sind da inzwischen Milliardenbeträge an Unternehmen geflossen. Und wie man auch hört – ein reines Gerücht – sollen sich Hoteliers nicht nur im Zillertal noch immer die Hände über hohe Zahlungen reiben, denn so eine gute Saison wie in der letzten mit leeren Betten hätten sie noch nie gehabt. (Wie gesagt, ein Gerücht!)

Auch in meiner Branche der Autoren und Verlage flattern Anträge für Zuschüsse sonderzahl herum. Ich bin sogar überzeugt, dass die österreichische Verlagslandschaft um zwei Drittel redimensioniert würde, wenn es keine staatlichen Förderungen gäbe, ebenso wie die Zahl der Autoren ohne Stipendien und Literaturpreise um die Hälfte schrumpfen würde.

Kürzlich lese ich in der Presse, dass jede Besucherkarte im Theater an der Wien mit über 300 € subventioniert werden muss. Bei anderen ähnlichen Institutionen wird es nicht viel anders sein. Beim Tiroler Landestheater liegt diese Zahl meiner Rechnung zufolge bei knapp € 200.

Oder ich erfahre im TV, dass die psychisch-therapeutische Behandlung für Kinder sofort das Zehnfache an Geld benötige, um erfolgreich sein zu können. Auch bei der Gewalt gegen Frauen wäre das Vierfache des Bisherigen nötig, meinte eine Sprecherin.

Wir leben angeblich im Kapitalismus, und da scheint es, dass alle Probleme nur mit Geld gelöst werden können. Vorwiegend mit Subventionen!

Abschließend, um nicht nur zu sudern, möchte ich aber auch etwas Positives anführen. Beim Studium des Kulturbudgets des Landes Tirols konnte ich feststellen, dass neben den Pflichtausgaben (Theater, Ferdinandeum, Schützenmuseum etc.) die frei verfügbaren Mittel für die freie Szene sehr gering ausfallen. So spart man sich die Anträge um Zuschüsse zumindest daraus, denn es gibt ohnehin fast nichts. Sehr gut!

Auch ich als Kleinverleger habe mich entschlossen, dass ich in Hinkunft (nach dem Frühjahrsprogramm) auf öffentliche Druckkostenzuschüsse verzichten werde. D.h. weniger Arbeit und auch weniger Bücher, die ohnehin kaum einen Absatz finden.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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