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Egyd Gstättner
Glock
Eine beispiellose Erfolgsgeschichte
Notizen

Unlängst las ich in der Wochenendausgabe einer Zeitung die große Homestory eines bedeutenden Mannes am Fuß des Wörthersees, der mit einem Werk (Produkt) großgeworden ist, das solchen Welterfolg hat, dass der Name seines Schöpfers für das Werk selbst stehen mag: Ein neuer Handke, ein echter Dürer, ein richtiger Ferrari, eine Original Sacher, eine Glock: In Österreich – in fünfzig anderen Nationen, in den USA und vermutlich auch im Rest der Welt – trägt heute jeder Streifenpolizist eine Glock.

Wie alle bedeutenden Persönlichkeiten mit einem Vermögen von rund 1er Milliarde Euro ist natürlich auch ein Waffenindustrieller ein höchst verantwortungsvoller Mann, nach Rücksprache mit Steuerberater, PR-Abteilung und Familie vor allem karitativ tätig, mit allen Ethik-Kommissionen auf du und du (dafür gibt es diese Ethik-Kommissionen schließlich!), außerdem Förderer von Kunst, Kultur und Theaterbühnen – und neben dem bisserl Reingewinn ist sein Hauptinteresse natürlich nichts anderes als die Befriedigung des Schutzbedürfnisses von Österreich, Gott und der Welt. Was sonst?

Das muss man auch einmal sagen: Ohne Schusswaffen müssten die Leute noch heute wie die Wilden mit Messern zustechen. Das ganze Blut! Igitt! Wääähhh! Das wäre erst brutal! Und auch ein Amoklauf wäre beinharte Knochenarbeit! Eine Sisyphosarbeit sozusagen. Und wie sollte man ohne Glock zwischen Gut und Böse unterscheiden?

Ich bin in einer Epoche groß geworden, die sich „Kalter Krieg“ nannte und sich durch ein enormes Schutzbedürfnis des Westens im allgemeinen und der USA im Besondern auszeichnete, was nur durch Aufrüstung mit immer raffinierterer Waffentechnologie befriedigt werden konnte, was wiederum zu einem enormen Sicherheitsbedürfnis des Ostens und Moskaus führte, wodurch es zu einem Wettrüsten kam, das erst die liebe Waffenindustrie hüben wie drüben ermöglichte, die Milliarden und Abermilliarden damit verdiente, bis blöderweise die UDSSR und der ganze Osten (wirtschaftlich) zusammenbrachen (was auch die Schutzbedürftigen hüben wie drüben zur Kenntnis nehmen mussten), sodass die arme Waffenindustrie mit ein paar regionalen Reservekonflikten (ein bisserl Balkan, ein bisserl Afghanistan) Vorlieb nehmen musste. Kurzum: Sicherheit ist nicht nur Humanität pur, sondern ein todsicheres Geschäft!

Ein bedeutender Mann scheut sich nicht, Zahlen zu nennen, zum Beispiel, dass er gerade 85 Jahre alt geworden ist – und weil bedeutende Persönlichkeiten in diesem Land bekanntlich „keine Berührungsängste mit der Jugend“ haben, ist seine Gattin schnuckelige 52 Jahre jünger und soll ein Kind erwarten. Das wollte ich zwar gar nicht wissen (aber man kann leider nicht weglesen, wie man wegschauen kann…) und jetzt stelle ich mir vor, wie der 90jährige Papi mit dem Filius in der Wörtherseevilla Cowboy und Indianer spielt. (An Pferden ist ja auch kein Mangel…) „Zieh, Schurke! Pääännnggg!“ – „Mensch Papi, ist das lustig, ich freu mich schon so auf das richtige Leben!“ Und damit die Mami auch mitspielen kann, wurde jetzt eine pinke Knarre entwickelt (die hippe, total angesagte sexy Lifestyle-Glock 19 Gen 3 in hot pink with black tiger stripes) – ein Erlebnis für die ganze Familie! Zur Matura des Cowboys schenkt ihm sein 103jähriger Papi dann aber doch eine echte Glock in seriösem Schwarz.

Wie gesagt: Die „beispiellose Erfolgsgeschichte“ jenes Pioniers und Erfinders, der dafür sorgt, daß „Österreich in Amerika nicht nur wegen Schwarzenegger und Sound of Music ein Begriff ist“, kann von Anfang bis Ende mit eindrucksvollen Zahlen belegt werden. Nur eine einzige Zahl habe ich in der Geschichte nicht gefunden, und gerade die interessiert mich der Vollständigkeit halber doch sehr: Wie viele Menschen weltweit wurden bis heute mit einer Glock erschossen?

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Egyd Gstättner

Egyd Gstättner (* 25. Mai 1962 in Klagenfurt) ist ein österreichischer Publizist und Schriftsteller. Egyd Gstättner studierte an der Universität Klagenfurt Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Germanistik. Schon während des Studiums begann er mit Veröffentlichungen in Zeitschriften wie manuskripte, protokolle, Literatur und Kritik oder Wiener Journal. Seit seiner Sponsion 1989 lebt er als freier Schriftsteller in Klagenfurt, wo er zahlreiche Essays u. a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Die Presse, Falter, Kurier und Die Furche verfasste. Besonders bekannt wurde er im Süden Österreichs mit seinen Satiren in der Kleinen Zeitung. Darüber hinaus schrieb und gestaltete er Features für die Österreichischen Radioprogramme Ö1 und Radio Kärnten sowie für den Bayerischen Rundfunk.1993 wurde er zum Dr. phil. promoviert. 1990 erschien die erste eigenständige Buchpublikation („Herder, Frauendienst“ in der „Salzburger AV Edition“). Bis 2018 wurden insgesamt 34 Bücher Gstättners bei Zsolnay, Amalthea, in der Edition Atelier und seit 2008 im Picus Verlag Wien publiziert. Seit 2016 hat er einen zweiten Wohnsitz in Wien. Gstättner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Otto Riedling

    Man könnte genauso fragen „Wie viele Menschen wurden mit einem Stubaier-Messer erstochen??“
    Wieviele Alkofahrer fuhren welche Automarke? Das ist eine ziemlich sinnlose Fragerei.

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