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Elias Schneitter
Drei Gedichte zum Fest


Nachrichtensperre

Kaum beginnt eine Nachrichtensendung,
dann drehe ich das Radio ab,
oder ich wechsle das Programm im Fernsehen,
weil mir diese schlechten Nachrichten aus aller Welt
die Nerven rauben.

Ich will es nicht mehr hören,
wenn Terroristen Unschuldige in die Luft jagen,
Aufständische in Syrien niedergemetzelt werden,
ein Atomkraftwerk in die Binsen geht,
ein Erdbeben Hunderttausend Tote fordert,
Oppositionelle in China verschwinden.

All diese Schreckensnachrichten vertrage ich nicht mehr
und ich schalte ab, wechsle den Sender.
Es tut mir leid,
es hängt mir zum Hals heraus.

Hätte ich die Möglichkeiten,
dann würde ich allen Journalisten,
diesen Todesengeln von News and Facts
vorschreiben,
dass sie für jede schlechte Nachricht
eine positive zu verfassen hätten,
das würde ich ihnen auftragen.

Jedenfalls für mein Wohnzimmer
habe ich eine Nachrichtensperre verhängt.
Ich will nichts mehr hören und sehen
von den Grausamkeiten überall in der Welt.
Ich schalte ab.
Mir reicht es.
Ich bin vergiftet genug
von all diesen Nachrichten
aus aller Welt,
all die Jahre über.


Harte Tage

Es sind diese grauenhaften Tage,
an denen dir kein Bier schmeckt,
kein Glas Wein, kein Armagnac,
überhaupt kein Alkohol,
sodass du dich nicht einmal ansaufen
kannst, um zumindest kurzfristig
über das Ärgste hinweg zu kommen.


Kafka

Franz Kafka
übertrug seinen Büroalltag
bei der Arbeiterunfallversicherung
auf die gesamte Welt,
auf Gott,
auf alles und jeden.

Wie bei der Versicherung
ist niemand zuständig,
keiner ist verantwortlich,
alles nimmt seinen Lauf.

Jedem wird der Prozess
gemacht.
Alle kommen unter die Räder.


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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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