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Elias Schneitter
Das Damenstift für einen Hedonisten
Notizen

Unser schönes, heiliges Land Tirol ist ohne Zweifel auch reich an Kuriositäten, die nicht eines gewissen Charmes entbehren und eine liebenswerte Note ins Land bringen. Zumindest sehe ich das so. Auf ein besonderes Kuriosum hat mich mein alter Bekannter Peter Kraiser aufmerksam gemacht.

Am 18. August 1765 starb in Innsbruck Franz Stephan, der Gemahl von Maria Theresia, während der Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohnes Erzherzog Leopold mit der spanischen Prinzessin Ludovica. Stadt und Land waren in tiefer Trauer. Unsere liebe Kaiserin Maria Theresia war Witwe geworden. Sie muss ihren Franz Stephan sehr geliebt haben, denn nach seinem Dahinscheiden soll die Monarchin bis zu ihrem Tod nur noch schwarze Kleidung getragen haben.

Aber sie war auch eine weitblickende Regentin, denn bald nach dem traurigen Vorfall fragte sich die streng katholische Maria Theresia: Wer wird in Zukunft für die Habsburger und vor allem für ihren geliebten Mann beten?

Damit dies passierte, gründete sie das adelige, weltliche Damenstift in der Hofburg zu Innsbruck. Zwölf Fräulein waren es, denen damals auf Kosten des Kaiserhauses Unterkunft und Verpflegung gewährt wurde. Die Pflicht dieser Damen bestand vorwiegend darin, für die Herrschaften zu beten und Gottesdienste abzuhalten. Als erste Äbtissin wird übrigens Erzherzogin Elisabeth, eine Tochter von Maria Theresia angeführt, die in der Bevölkerung als die „kropferte Liesl“ sehr beliebt war.

Franz Stephan verstarb in relativ jungen Jahren. Er war ein Freund guter Speisen und beflügelnder köstlicher Getränke und vor allem ein strammer Liebhaber.

Nicht nur seiner verehrten Maria Theresia „schenkte“ er sechzehn Kinder, auch nicht weniger als angeblich 56 ledige Kinder sollen auf sein Konto gehen. Eine stattliche Zahl, könnte man neidvoll behaupten. Trotz oder gerade wegen dieses ausschweifend gelebten Hedonismus hat unsere Maria Theresia ihren Franz Stephan abgöttisch geliebt.

Die von ihr gegründete Damenstiftung im südlichen Trakt der Hofburg beim Franziskanerplatz hat sich im Wechsel der Zeit als Bollwerk gegen alle gesellschaftlichen Veränderungen erwiesen, bis zum heutigen Tag.

Inzwischen leben dort noch drei Damen, jetzt unter der Schirmherrschaft des Landes Tirol. Größtenteils finanziert durch Pachtgelder des im Haus befindlichen Stiftskellers, der wiederum von der Münchner Haberlandstiftung gefördert wird.

Möge uns diese Damenstiftung noch lange erhalten bleiben, denn vermutlich wird unser Hedonist Franz Stephan noch viele Gebete und Gottesdienste benötigen, um endlich in den Himmel zu seiner geliebten Maria Theresia auffahren zu können.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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