Elias Schneitter
Die selbsternannten Propheten

Die Pandemie beutelt unser Gesundheitssystem gehörig durcheinander. Aber so wie es ausschaut, wird es diesen Stresstest relativ gut bestehen.

Mein Berufsleben habe ich zum überwiegenden Teil im Bereich Gesundheitswesen zugebracht. Während dieser Zeit war das österreichische System eigentlich unentwegt Dauerkritik ausgesetzt: es sei ineffizient! Es sei unnötig aufgebläht! Die Finanzierung sei nicht nachvollziehbar, zu undurchsichtig! Die Beiträge würden im Nirgendwo versickern! Im internationalen Vergleich viel zu teuer! Der Sparstift, wurde unisono gefordert, müsse angesetzt werden, wenn Österreich nicht die Unfinanzierbarkeit und den totalen Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems riskieren wolle.

Lebhaft erinnere ich mich an Fernsehdiskussionen, bei denen regelmäßig eine Handvoll selbsternannter Experten (mir fallen hier die Namen Marin und Pichlbauer ein) aufgetreten sind, um den Beweis zu erbringen, wieviel Geld im Gesundheitsbereich verbrannt werde.

Herr Marin, der immer einen Stapel Papiere neben sich liegen hatte, verstieg sich sogar zur Behauptung, dass ohne weiteres bis zu fünf Milliarden Euro eingespart werden könnten. Dafür müsse die Bettenkapazität in den Krankenhäusern nur massiv verringert und den tatsächlichen Erfordernissen angepasst werden. Diese Maßnahme wäre übrigens ohne Einbußen an Qualität möglich. Und viele Journalisten – ich erlaube mir die Feststellung, dass es in Österreich nur wenige Medienleute gibt, die kompetent in diesem Bereich berichten können – übernahmen liebend gern diese „Weisheiten“ in ihren Kommentaren .

Mit der Pandemie ist diese Diskussion vorderhand einmal beendet. Niemand spricht mehr von einer Reduktion von Krankenhausbetten. Und von Einsparungen im österreichischen Gesundheitswesen ist ebensowenig die Rede. Natürlich, ich bin überzeugt: es werden wieder andere Zeiten kommen, und dann wird, so wie das Amen im Gebet, wieder darüber geklagt werden, wie sehr das System zu teuer sei und dass eingespart werden müsse. Darauf schließe ich jede Wette ab.

Jedenfalls, und das war in der Vergangenheit stets mein Standpunkt: Wenn wir unser gutes Gesundheitssystem auch in der Zukunft haben wollen, dann ist ausreichend Geld dafür notwendig. Mit den Sparefrohs und ihren Ideen wird das sicher nicht möglich sein.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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