Elias Schneitter
Todesmeldungen, ein Familienbetrieb und die neuen Zeiten

Für den TT-Leser gehören die Todesanzeigen ohne Zweifel zu den interessanteren Teilen der Zeitung. Etwas respektlos kann man immer wieder hören, wenn diese Seiten aufgeschlagen werden, man müsse nachschauen, wer das TT-Abonnement gekündigt hat.

Je älter man wird, desto häufiger stößt man auf bekannte Gesichter und das stimmt einen natürlich nachdenklich. Bei den Parteanzeigen sind vor allem das Alter des Verstorbenen und die Ursache für das Ableben von Interesse: „nach kurzer schwerer Krankheit“ deutet auf Herzversagen hin und „nach langer schwerer Krankheit“ auf ein Krebsleiden.

Immer wieder findet man unter dem Namen des Verstorbenen auch die Standesbezeichnung „Pensionist“. Dabei ist mir aufgefallen, dass dies vor allem bei ehemaligen ÖBB-Bediensteten und bei ehemaligen Mitarbeiter*innen der Firma Swarovski der Fall ist.

Swarovski war in Tirol mit seiner mehr als 125-jährigen Geschichte stets ein vorbildlich geführtes Unternehmen, das die soziale Fürsorge für seine Mitarbeiter*innen immer sehr hoch gehalten hat. Das kann man auch an so einem kleinen Detail wie den Todesanzeigen von ehemaligen Mitarbeiter*innen herauslesen. Einerseits wurde dieses gesellschaftlich positive Engagement vonseiten der Politik in wirtschaftlich schweren Zeiten immer wieder gewürdigt. Ich erinnere hier nur an die Ära Kreisky/Androsch, als man dem Betrieb mit massiven Steuererleichterungen unter die Arme griff und den Weiterbestand sicherte.

Andererseits erinnere ich mich auch als ehemaliger Mitarbeiter der Tiroler Gebietskrankenkasse an eine Geschichte, die mir der ehemalige Direktor Ferdinand Obenfeldner erzählt hat. In den Fünfzigerjahren war die Kasse in einer äußerst prekären finanziellen Lage und es bestand die Gefahr, dass die Löhne der Angestellten nicht pünktlich ausbezahlt werden konnten. Damals gab es dann ein Gespräch mit den Chefs von Swarovski und die Firma leistete eine Vorausauszahlung auf die zukünftigen Beiträge.

Soweit zur Geschichte der altehrwürdigen Firma Swarovski. Trotz des Wechsels ihres Steuersitzes nach Zug in die Schweiz ist die Firma in arge Turbulenzen geraten. In Wattens werden insgesamt 1.800 Angestellte „freigesetzt“, weltweit werden 1.500 Geschäfte geschlossen. Die Ursachen für dieses wirtschaftliche Desaster sind gewiss vielfältig. Konkurrenzdruck aus Billiglohnländern, Fehlentscheidungen in der Führung, aber auch die Struktur eines Familienunternehmens scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein. Eine Neuorganisation ist daher dringend notwendig. Die Firma muss in eine AG oder KG oder was auch immer umgewandelt werden (ich bin kein Wirtschaftsexperte), jedenfalls wird das „Familienunternehmen“ in der alten Form endgültig der Vergangenheit angehören. Neue Zeiten fordern neue Maßnahmen.

Die Zukunft wird weisen, wie es mit dem Konzern weitergeht. Ob auch in Zukunft die Mitarbeiter*innen weiterhin so stolz auf ihre Firma sein werden, wie es in der Vergangenheit der Fall war, und auf den Parten irgendwann dann auch noch stehen wird: Pensionist der Swarovski AG.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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