Print Friendly, PDF & Email

Elias Schneitter
Der wahre Grund, warum Putin Krieg führt.
Notizen

Vergangene Woche bin ich mit Freunden ein paar Tage nach Prag gefahren. Meine Freunde hatten dort als Punkband (Intimspray) einige Auftritte in einigen Underground-Lokalen. 

Von der Stadt selber habe ich nicht allzuviel mitbekommen, aber ich bin ohnehin kein Typ, der besonders viel auf Sehenswürdigkeiten oder Museen hält. Natürlich: über die Karlsbrücke bin ich mit ein paar Hundert anderen gegangen, und natürlich zog es mich zum Kafka Museum hin, wobei ich gleich sagen kann: umwerfend war das nicht. Muss man nicht unbedingt besucht haben.

Ansonsten bin ich – während sich die Freunde auf ihre Auftritte vorbereiteten – etwas durch die Stadt und einige Seitengassen flaniert, bin da und dort eingekehrt und hab ein paar Caffè Lungo zu mir genommen.

In einem etwas schummrigen Bierlokal, in dem ich zufällig landete, habe ich dann eine interessante, zumindest seltsame Bekanntschaft gemacht. Am Nebentisch saß ein Mann, so um die fünfzig mit langem Ziegenbart und einem leisen Lächeln um die Mundwinkel. 

Bald kamen wir ins Gespräch. Er redete sehr gutes Deutsch. Nach ein paar förmlichen Austauschfloskeln kamen wir sehr bald auf Russland und Putin. Was den Krieg in der Ukraine betraf, war er sehr gut informiert und unsere Einschätzungen waren ziemlich deckungsgleich, ehe er begann ein Psychogramm von Putin zu zeichnen, das mich doch einigermaßen überraschte.

Erinnern Sie sich an das Bild, bei dem Putin am langen Tisch mit dem deutschen Bundeskanzler Scholz sitzt? Sehen sie diesen Tisch vor sich. Um den geht es nämlich“, begann er seine Ausführungen. „Dieses Bild sagt alles über Putin und seinen Krieg.“

Dann legte der Bärtige los. Putin hatte panische Angst vor Covid. Darum dieser Tisch. Darum hielt er sich von Menschen fern, mied die Nähe, denn Putin ist ein großer Angsthase. Die Zeiten, wo er am Pferd mit nacktem Oberkörper posierte, sind vorbei. Jetzt ist er alt und er hat panische Angst vor dem Tod, vor dem Sterben. Das ist der wahre Grund, warum er diesen Krieg vom Zaun gebrochen hat. 

Die jungen Russen nennen ihn schon den Bunker-Opa. Er zeigt sich nicht an der Front, aus reiner Furcht. Er versteckt sich, und wenn er andere junge Menschen in den Tod schicken kann, dann tut ihm das gut, das lindert seine Angst, lenkt ihn von seiner eigenen ab. Darum führt er Krieg. Er kennt nur sich. 

Was andere betrifft, da ist er eiskalt. Das Leid der anderen interessiert ihn nicht. Bedeutet ihm nichts. Er hat kein Gewissen. Er kennt nur sich und sonst niemanden. Das ist das russische Elend. Er führt ganz Russland in den Abgrund, aus Angst vor seinem eigenen Tod. Wenn er schon eines Tages dran glauben muss, dann sollen auch alle anderen drankommen. Das ist seine Maxime. Denken Sie an den langen Tisch. Der sagt alles über Putin. 

Bei diesem Krieg geht es nicht um Nazis in der Ukraine und nicht um den Kampf gegen den Westen. Es ist nur der ganz narzisstische Kampf Putins gegen seine Todesangst. Sonst nichts. Denken Sie an den langen Tisch.

Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Aber das ist ja ohnehin egal. Jedenfalls war mir etwas mulmig in der Magengrube und mir blieb nichts anderes übrig, als mir etwas Schärferes zur Beruhigung meines Nervensystems zu bestellen, obwohl Fastenzeit war und ich in diesen Wochen normalerweise keinen Alkohol trinke. 

Aber in so einer Situation benötigt man einen Joker. Man muss ja über die Runden kommen. Jedenfalls ging es mir nachher etwas besser, während ich das Bierlokal verließ und mich auf das Punk-Konzert meiner Freunde am Abend freute.


,

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Schreibe einen Kommentar