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Elias Schneitter
DDR Reminiszenzen
Notizen

Vor kurzem habe ich in einem deutschen Sender eine Dokumentation gesehen, in der das gesellschaftliche Leben in West- bzw. Ostdeutschland miteinander verglichen wurde.

Unter anderem ging es auch um die Obstversorgung in der Bundesrepublik und in der ehemaligen DDR. Da wurde gezeigt, dass es im Osten selten bis nie Orangen oder Bananen im Angebot gab, was auf der anderen Seite natürlich selbstverständlich war. In der DDR wurden, wenn überhaupt etwas am Markt war, nur Produkte aus der heimischen Landwirtschaft angeboten.

Bei dieser Meldung kamen mir zwei Gedanken in den Sinn. Einmal das Bild, bei dem Händler gleich nach dem Mauerfall den Ossis Bananen in rauen Mengen zuwarfen wie den Affen. Und als zweites musste ich an den neuen Trend bei unseren Essgewohnheiten denken: Saisonal und regional sind ganz hip!

Auch erinnere ich mich noch gut an die Siebzigerjahre, in denen das Schreckensbild der Zerstörung der Familien im Osten gezeichnet wurde. Kaum hatten Mütter ihre Kinder zur Welt gebracht, gings wieder ab in die Fabrik und der Nachwuchs wurde in die Obsorge des Staates gestellt. Damals, für uns ein Horror! Bei uns herrschte noch ein völlig anderes Familienbild.

Nun bin ich weit davon entfernt, mit der zurecht untergegangenen DDR was auf dem Hut zu haben, aber aus heutiger Sicht kann man sagen: times they are changing.

In meiner Stammkneipe verkehren auch zwei „Ossis“. Einer ist gelernter Schlosser und arbeitet als Leiharbeiter bei verschiedensten Firmen. Der zweite verdient sein Geld als Kellner. Dieser lässt noch heute nur wenig über die DDR kommen. Er ist bekennender Mönchengladbach-Fan (Fußball) und öfters sagt er, wenn sie uns damals den Kicker (deutsches Fußballmagazin) und etwas mehr Reisefreiheit gegeben hätten, sodass wir auch mal Bundesligaspiele besuchen hätten können, stünde die DDR noch heute. Keiner von uns wäre abgehauen! So sieht er heute die DDR.

Von uns Österreichern und besonders von unseren Politikern hält er sehr wenig. „Das sind doch alles nur Pappnasen. Der Einzige, den man hier wählen kann, ist der Kickl. Der würde euch österreichische Weicheier endlich einmal auf Vordermann bringen.“

Unser Ossi hat übrigens eine thailändische Frau, und jedes Jahr verbringt er dort mehrere Monate bei ihr und ihrer Familie.

Note 1: Krimititis. Wenn im wirklichen Leben auch so viele Morde passieren würden wie in unseren Fernsehprogrammen, dann würden wir doch tatsächlich im Chicago der Dreißiger Jahre leben.

Note 2: Besonders aus der Gastronomie hört man Klagen, dass man kaum Personal  bekommt. Auch hört man hinter vorgehaltener Hand, dass sich viele Hoteliers während der Pandemie eine „goldene Nase“ mit den staatlichen Förderungen verdient hätten. Das Personal wurde entlassen, man hat brav kassiert, und jetzt, wo man Angestellte bräuchte, finden sie niemanden mehr. Aber der Papa Staat wird schon auch hier wieder mit Förderungen zur Seite springen.


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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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