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Elias Schneitter
Family-Chillen am Gardasee
Notizen

Momentan ist alles auf Urlaub. Gut so, denn wenn man den Zustand unserer Bevölkerung durch die mediale Brille betrachtet, dann sind die Österreicher so ziemlich am Ende. Um nicht zu sagen: am Sand.

Ganze Berufsgruppen scheinen nicht mehr zu können, wenn man der Berichterstattung glauben darf: Das Personal in den Krankenhäusern und in den Pflegeinrichtungen, die Ärzteschaft, die Pädagogen in den Bildungsstätten, die von der Pandemie gebeutelten Kinder sowieso, die Beschäftigten im Tourismus! 

Alle alle blasen aus dem letzten Loch. Ganz Österreich scheint zu ächzen und zu stöhnen und zu seufzen, ob der unerträglichen beruflichen bzw. schulischen Überlastungen. Burnout hier und burnout da. Darum ist es gut, dass zurzeit so viele auf Urlaub sind.

Ich war und bin nie ein großer Urlaubsreisender. Einige Male in den USA, einige Meeraufenthalte mit meiner Familie, aber sonst hatte die große weite Welt ihre Ruhe vor mir.

Seit einigen Jahren drängen meine beiden inzwischen erwachsenen Kinder zur Sommerzeit zu Familienausflügen in der Originalbesetzung (Times, they are changing).

Meine einzige Bedingung für solche Kurzurlaube ist nur nicht zu weit. Also wurde es diesmal ein Aufenthalt am Gardasee. Gardasee? Naja dachte ich mir. Es gibt Schlimmeres.

Auf der Fahrt in den Süden kamen mir sofort die Italienurlaube in den Sinn, damals mit den Kindern. Bei diesem Gedanken stöhnte ich kurz auf. Ist was? fragte mein Sohn. Nein, nein alles in bester Ordnung.

Um ganz ehrlich zu sein: für mich waren früher diese Meeraufenthalte mit den Kindern eher eine Tortur und weniger eine Erholung. Hitze und Sonnenstrahlen vertrage ich nicht besonders (meistens hatte ich eine Sonnenallergie) und dann ständig die Angst, die Kinder könnten ersaufen, oder überhaupt spurlos verschwinden (Mafia), oder auch nur einen Sonnenbrand einfangen, wobei mir diese ewige Einschmiererei und der klebrige Sand am ganzen Körper ein Gräuel waren.

Jedenfalls war ich jedes Mal froh, wenn die zwei Wochen vorbei waren und wir alle heil am Brenner landeten, wo es meist regnete. Herrlich, wieder im frischen Tirol zu sein!

Aber der Gardasee ist nicht Meeresstrand und außerdem sind die Kinder inzwischen groß. Meine Tochter und meine MMK (Mutter meiner Kinder, das Wort Ex ist verboten) hatten ein wunderbares Hotel in einem kleinen Ort gefunden, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. 

Das Hotel lag direkt am See, in der Nähe einer kleinen Bootsanlegestelle und in einer Fußgängerzone. Also keine Autos. Das vorwiegend junge Personal im Hotel war zu meiner Überraschung ausgesprochen freundlich, zuvorkommend und höflich. Die Kellner in den Restaurants, in denen wir speisten, waren stets für einen Spass zu haben. Lustig, trickreich und mit einem Augenzwinkern servierten sie Grappa, wenns zum Bezahlen ging. Und jede Speise, die wir bestellten, jedesmal vorzüglich.

Wir fühlten uns wie in einer anderen Welt, weil wir ja auch die Gastronomie zuhause gut kennen, wo man inzwischen bereits dankbar ist, wenn die Bedienung einem das Essen nicht mit mürrischer Miene hinpfeffert.

Auf alle Fälle erlebten wir vier herrliche family-Tage. Ich ohne PC (Reparatur) und fast ohne Handy und auch ohne Fernseher. Alles einfach Traum und eine wirkliche Erholung.

Zurück in Tirol gabs dann wieder die üblichen Katastrophen und Horrormeldungen in den Medien. Auch die Diskussion über die 32-Stunden Woche. 

Ein Freund von mir, ein Beamter und Witzbold, meinte trocken: Das geht sich nicht aus. Dann müssten wir ja länger arbeiten als jetzt.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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