Elias Schneitter
Ergebnisse von Ermittlungen
Notizen

Im Moment beherrschen zwei Themen die mediale Berichterstattung: das Virus und strafrechtliche Erhebungen bei Spitzenbeamten und Politikern. Diese Nachrichten in der ausufernden Dichte gehen mir so auf die Nerven, dass ich den Konsum auf ein Minimum beschränke.

In diesem Zusammenhang habe ich mir ein eigenes Spiel ausgedacht. Ich habe mir vorgestellt, in den frühen Morgenstunden von Kriminalbeamten aus den Federn geholt zu werden, die meinen Computer, meine Unterlagen und mein Smartphone beschlagnahmen würden. Der Vorwurf, ich hätte Geld veruntreut, Postenschacher betrieben oder verbotene Pornos angeschaut, stünde im Raum.

So weit so gut. Und bereits am folgenden Tag würden Details von meinem Smartphone, Computer und Unterlagen in den Medien reißerisch publiziert. Nun bin ich, zumindest gehe ich davon aus, ein unbescholtener Staatsbürger und alle Vorwürfe würden sich als falsch erweisen. Aber dennoch ließe sich gewiss, medial aufgepeppt, Entsprechendes verwerten, wie z.B. Chats mit Freunden über Frauen, über Politik, über andere Menschen – auf Stammtischniveau.

Zum Glück bin ich ein unwichtiges Mitglied unserer Gesellschaft und hätte gar nicht die Möglichkeiten, Geld zu veruntreuen oder Postenschacher zu betreiben. Aber, wie vorher erwähnt, es handelt sich ja nur um ein Spiel in meinem Kopf.

Worum es mir dabei aber geht, ist nicht der Umstand, dass Staatsanwaltschaften die Spitzen unseres Staates ins Visier nehmen. Was mich aber an unserem Rechtssystem zweifeln lässt, ist, wie mit Untersuchungsergebnissen umgegangen wird. Solange ermittelt wird, kann es nicht sein, dass persönliche Daten (auch wenn sie strafrechtlich relevant sein mögen) in der Öffentlichkeit breitgetreten werden. Das widerspricht grundsätzlich meinem Rechtsempfinden und wenn Sie sich, werter Leser, bei diesen, aus meiner Sicht ungeheuerlichen Vorgängen, die in Österreich gerade Hochkonjunktur haben, an Kafkas „Prozess“ oder Orwells „1984“ erinnert fühlen, dann liegen Sie meiner Meinung nach völlig richtig.

Den Höhepunkt in diesen Medienberichten stellt dann stets der Beisatz „es gilt die Unschuldsvermutung“ dar. Heuchlerischer geht es nicht mehr.

Notiz: Wenn sich rücksichtslose Parlamentarierinnen* weigern, im Hohen Haus Masken zu tragen, dann haben diese Hohlköpfinnen dort nichts verloren.

*Die Verwendung der weiblichen Form schließt die männliche mit ein.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Susanne Preglau

    Lieber Elias, du hast mit deinen „Notizen“ den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen. Gratuliere
    Susanne

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