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Bettina Maria König
Wiener Melange
Fortsetzungsroman

Ich saß in meinem neuen Büro, nur wenige Schritte vom „Steffl“ entfernt, und schaute zerstreut auf ein kaisergelb gestrichenes Gebäude aus der Gründerzeit auf der anderen Straßenseite. Mein Telefon klingelte, der Ton riss mich aus meinen Gedanken, die westwärts abgeschweift waren. Es war Bea. Gott sei Dank. Bei jedem Klingeln fürchtete ich, Julian könne mich aufgespürt haben und würde mich anflehen zurückzukommen; dem hätte ich nicht standgehalten, ich wäre wohl sofort in den nächsten Zug gesprungen und heimgefahren. Und all meine Bemühungen, mich endlich abzunabeln, wären dann umsonst gewesen. Bea erzählte mir zunächst des Langen und Breiten von Laurin und seinen Fortschritten im Allgemeinen und bei der Nahrungsaufnahme, der Verdauung und beim Schlafgebahren im Besonderen. Ganz am Schluss fragte sie mich dann doch, wie es mir gehe und ob ich mich inzwischen eingelebt hätte.

Eingelebt? Gute Frage… Es war alles so schnell gegangen. Mein Anruf, mein Bewerbungsschreiben, das Vorstellungsgespräch in Wien, die Zusage von der Verlagsleitung, die Wohnungssuche, der Umzug – das alles hatte nur wenige Wochen gedauert. Und nun saß ich hier, in der großen Stadt fern der Heimat und wusste nicht recht, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte oder nur vor einer anderen Entscheidung geflohen war.

Hier war alles sehr fremd und sehr anders als zuhause. Was ja gut war. Denn bei so vielen neuen Eindrücken, die jeden Tag auf mich einprasselten, war ich mehr als abgelenkt und musste nicht an Julian denken. Naja, zumindest nicht dauernd. Julian, den ich einfach in Innsbruck zurückgelassen hatte, ohne ihm von meinem Umzug zu erzählen und ohne mich von ihm zu verabschieden.

Selber schuld, dachte ich trotzig, hätte er sich mehr um mich gekümmert, wäre ihm aufgefallen, dass etwas im Busch war. Da wir uns aber kaum gesehen hatten in letzter Zeit, weil er angeblich permanent im Stress war („Das musst du doch verstehen, Liebes!“), hatte er offenbar gar nicht bemerkt, dass ich mich auf ein neues Leben vorbereitete. Er hatte ja noch nicht mal Zeit gehabt, auf meine Promotionsfeier zu kommen, weil es angeblich genau da ein Problem mit seinen Eltern gegeben hatte und er nach Hause fahren musste. Ha! Wer sollte ihm das denn abnehmen?

Er hatte sicher nur Angst gehabt, mit meiner Familie konfrontiert zu werden, denn vor einem Treffen mit meiner Sippe hatte er sich bislang erfolgreich gedrückt. Was ich ihm gar nicht sehr verübeln konnte, denn Teile meiner Family waren schon etwas eigen, um es mal sanft auszudrücken. Und das wusste er aus meinen Erzählungen. Aber wenn man sich für einen Menschen entscheidet, muss man das ganze Paket nehmen. Und man will doch auch wissen, woher er stammt und warum er so geworden ist, wie er nun mal ist – oder nicht?

Die Wohnung, die meiner Familie gehörte, hatte ich einfach so zurückgelassen, wie sie war – der Gedanke, einen Sicherheitsanker in Innsbruck zu haben, sollten alle Stricke reißen, erschien mir äußerst tröstlich. Ich ließ am Tag vor meiner Abreise nur das Schloss auswechseln, sodass Julian keine Zugangsmöglichkeit mehr hatte. Seine wenigen Habseligkeiten – einen ausgewaschenen Pyjama, eine alte Zahnbürste, ein paar Badelatschen und zwei, drei Bücher mit sehr schrägem Humor – räumte ich in eine Schachtel, die ich in den Keller stellte. Ich brachte es nicht übers Herz, sie einfach in die Mülltonne zu kippen Außerdem wollte ich nicht später irgendwelcher strafbarer Handlungen bezichtigt werden.

Dann feierte ich mit Bea, Renate und Serge Abschied im „Filou“. Bea hatte sich etwas von ihrem Neugeborenen-Stress erholt und war wieder fast die Alte, und Renate und Serge turtelten den ganzen Abend miteinander, dass es nur so eine Lust war. Ich freute mich ganz ehrlich und von Herzen mit ihnen über ihr neues Glück. Als sie mich am Ende des Abends alle drei zum letzten Mal für lange Zeit zuhause absetzten, hatten wir alle Tränen in den Augen.

„Also wenn es dir nicht gefällt, kommst sofort wieder zurück!“, sagte Renate mit heiserer Stimme. Jetzt, wo der Abschied bevorstand, bereute sie es, mir ihr Jobangebot weitergereicht zu haben, und fühlte sich schuldig, mich sozusagen in die Fremde gelotst zu haben.

„Ach was, papperlapapp“, warf Bea sofort ein, „natürlich gefällt es ihr, und unser Almalein wird sich blendend machen in der Hauptstadt!“. Sie grinste breit: „Da gehörst du hin, nicht hier in die Provinz!“ Dass ihre Augen dabei trotzdem feucht wurden, sah wohl nur ich. Und das, obwohl sie sich sofort energisch abwandte.

„Stimmtä!“, bekräftigte Serge und holte symbolisch zur Ohrfeige aus, „abär gomm ja nischt surück, bevor die nischt ouch von dirä ein Busch veröffentlischt `aben!“.
Ich errötete, denn ich wusste, worauf er anspielte: In einem leichtsinnigen Moment hatte ich ihm ein paar meiner romantischen Geschichten gezeigt, die mittlerweile ganze Ordner füllten. Und er hatte sie für gut befunden, was mich mit großem Stolz erfüllt hatte: Schließlich musste er als Student der vergleichenden Literaturwissenschaften doch zumindest ein wenig Ahnung von Literatur haben, so dachte ich. Wobei ich gleichzeitig wohlweislich ausblendete, dass Serge sich üblicherweise mehr in Bierlokalen und Kegelbars aufhielt als auf der Uni.

Am nächsten Tag brachte mich das Trio noch zum Bahnhof, wuchtete gemeinsam meinen Riesenkoffer in mein Abteil und winkte mir melancholisch vom Bahnsteig aus zu, während sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Julian hatte sich auch gestern Abend nicht bei mir gemeldet, obwohl ich das insgeheim erhofft hatte. Es war seine letzte Chance gewesen, sozusagen der Punkt, wo ich wieder mal mit wehenden Fahnen umgekehrt wäre; aber den hatte er nun wohl eindeutig verpasst.

Der Gedanke daran machte mich noch wehmütiger als ich eh schon war. Sogar das Wetter mit seinem hartnäckigen kalten Nieselregen passte perfekt zu meiner Stimmung, die ein bisschen was von „Anna Karenina“ hatte. Nur weniger russisch halt, und ich hatte eigentlich auch nicht vor, mich vor den Zug zu stürzen. Dazu reizte mich das Abenteuer „Wien“ dann doch zu sehr. Ich wischte ein paar Tränen aus dem Augenwinkel und lehnte mich mit einem langen Seufzer in meinen Sitz zurück. Während ich mich als Vorbereitung auf meine Arbeit beim Verlag auf die Lektüre eines romantischen Liebesromans zu konzentrieren versuchte, überfielen mich in Zehn-Minuten-Abständen Zweifel ob der Richtigkeit meines Tuns.

Und auch jetzt – Monate später – zweifelte ich noch. Wer immer von Ihnen, werte Leserinnen und Leser, jemals versucht hat, sein altes Leben komplett zurückzulassen und in ein neues zu starten, weiß, dass das unmöglich ist. Wie in dem Hit von Crowded House, wenn sie singen: „Everywhere you go, always take the weather with you”, ist es auch mit dem Leben. Man nimmt sein altes immer mit, wie ein Schneckenhaus auf dem Rücken. Und meines war noch bis oben hin gefüllt mit Erlebnissen und Gefühlen, von denen sehr viele mit einem gewissen dunkelhaarigen und langbewimperten J. zu tun hatten. Solange ich diesen alten Krempel nicht loswurde, würde der Neustart nie gelingen. Das alles sagte ich Bea in diesem Moment aber nicht. Die Gute hatte schon genug mit ihrem kleinen Schreihals zu tun, so dachte ich bei mir.

„Ja, klar, alles bestens, wird schon!“, antwortete ich stattdessen mit etwas zu schriller Fröhlichkeit. Sie kannte mich zu gut, um mir das abzunehmen, aber sie tat netterweise so als ob.

Ob es aber wirklich werden würde, da war ich mir nicht so sicher. Die Wiener waren schon merkwürdige Wesen. Sie raunzten und beschwerten sich in ihrem merkwürdigen Kaugummi-Dialekt den ganzen Tag; das war blöd und jenes deppert, und das „ging scho glei goa net“. War das der berühmte Wiener Charme? Auf ihn hatte ich gehofft, als ich das erste Mal meinem Chef gegenübergesessen war, bei meinem Vorstellungsgespräch. Herr Horvath, Cheflektor des Verlages, als dessen Assistentin ich mich beworben hatte, war ein großer, schlanker und ausgesprochen smarter Herr in den Vierzigern, mit graumelierten Schläfen und lässigem Gang. Er trug Designerklamotten, eine Uhr von Cartier, und auf seinem Schreibtisch lag immer die neueste Ausgabe der „Die Zeit“. Das beeindruckte mich schwer. Herr Horvath war somit auch einer der Gründe gewesen, warum ich mich wirklich sehr auf meinen ersten Arbeitstag gefreut hatte.

Ich hatte mich extra schick gemacht, gemäß meinem nunmehr italophilen Geschmack, und stöckelte schon frühmorgens stolz in das neue Büro, das man mir zuwies. Dort saß ich dann etwas orientierungslos etwa eine Stunde herum und fühlte mich deplatziert, bis eine ältere, ziemlich füllige Dame den Kopf zur Tür hereinstreckte und mir bedeutete, ich solle zum Chef kommen. Sofort! „Super!“, freute ich mich, „Geht es also endlich los mit dem Lektorat! Gleich am ersten Tag! Wie schön!“.

Ich irrte ein wenig durch die Gänge, bis ich schließlich das Chefbüro fand. Ich klopfte zaghaft, Herr Horvath komplimentierte mich hinein und schnarrte, ohne den Blick von seiner „Die Zeit“ zu heben: „Gut, dass Sie endlich da sind, Fräulein Alma! Das nächste Mal geht das bitte ein bisserl flotter, i hab‘ ja net den ganzen Tag Zeit auf Sie zu warten.“ Ich muss ziemlich verständnislos dreingeschaut haben. Das ärgerte ihn offensichtlich, denn sein Ton wurde nun noch schroffer: „So, dann legen wir mal los!“. Nun wurde mein Blick erwartungsvoll (denke ich zumindest). Herr Horvath kramte hinter sich herum und drehte sich dann wieder zu mir. Aber statt des erhofften Manuskripts drückte er mir eine große Tasse in die Hand, auf der mit roten Lettern „Der Chef bin ich“ stand. „Gehen‘s, machen’s mir einen Kaffee“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerstand duldete. „A Melange, bittschön. I hoff, Sie wissen, was das is…“.

Wusste ich nicht, aber nach Monaten des Trainings rühme ich mich mittlerweile, die beste Melange – oder zumindest eine der besten – in ganz Wien zaubern zu können. Mein neuer Chef – so wurde mir schon an diesem ersten Tag sehr unsanft klar – hatte also in Sachen Charme nicht viel abbekommen, weder wienerischen noch sonst irgendeinen. Und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass er in der Folge sehr gewissenhaft jedes Klischee erfüllte, wie man als Boss eine neue Assistentin lieber NICHT behandeln sollte. Als sei er einem der Bücher entsprungen, die sein Verlag täglich lektorierte, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht das „freche Mädchen“ war, das notwendigerweise zum üblichen Inventar dieser Bücher gehörte, und das gegen alles und jedes rebellierte, um am Schluss dann den im Grunde seines Herzens doch butterweichen Chef zu läutern und vor den Traualtar zu bugsieren. Oder besser: Vielleicht war ich ja ein „freches Mädchen“, aber wohl nicht im Job, und lieber nicht mit Herrn Horvath, so wie ich ihn nun kennengelernt hatte. Der Gedanke an ihn und mich vor dem Traualtar ließ mich frösteln, obwohl es mittlerweile Frühling war.

Auch die anderen Lektoren, mit denen ich täglich zwangsweise zu tun hatte, waren alles andere als charmant, um nicht zu sagen „zwider“. Im Befehligen und Aufmichherabsehen standen sie meinem Chef in keinster Weise nach.

Von meinen WG-Kolleginnen war ebenso wenig soziale Zuwendung und Empathie zu erwarten. Ich hatte mich aus Geldmangel-Gründen für diese Form des Wohnens entschieden. Leider. Denn die Wohngemeinschaft, an die ich per Annonce geraten war, hatte sich leider schon am ersten Abend als absolutes Schlangennest und Tussi-Absteige entpuppt.

Meine Mitbewohnerinnen Paula und Ilse waren Deutsche und hatten – natürlich im Gegensatz zum ganzen Rest ihrer Landsleute – ein angeborenes Besserwisser-Gen in sich, welches das Zusammenleben mit ihnen im besten Falle anstrengend und im schlimmsten Falle zum Albtraum machte. Meist war es das Zweitere. Von der vielgepriesenen deutschen Gründlichkeit hingegen schienen sie nicht viel mitbekommen zu haben, zumindest, was das Putzverhalten betraf. Ich war nun auch nicht gerade die Clementine aus der Omo-Werbung, aber offenbar war mein Begriff von Reinlichkeit ein etwas anspruchsvollerer als jener dieses teutonischen Duo infernale.

Dafür machten sie mir mit wirklicher Gründlichkeit das Leben schwer und ließen mich spüren, dass ich mit meiner gefühlsbetonten, spontanen österreichischen Art niemals imstande sein würde, das Leben so perfekt zu meistern wie sie als kühl-zurückhaltende Deutsche. „Alma“, nahm mich Ilse auf die Seite und meinte in ihrem gönnerhaften Ton, den ich am meisten an ihr hasste, „ich gebe dir einen guten Rat: Lass dir eine dicke Haut wachsen und gewöhne dir endlich ab, deine Gefühle zu zeigen. So kommst du im Leben nicht weiter.“ Ich war trotz meiner mittlerweile hervorragend trainierten Schlagfertigkeit sprachlos. Mir blieb nur mehr, mich in mein Zimmer zurückzuziehen und von Herzen zu weinen.

Kein Wunder also, dass ich mich in Wien noch nicht wirklich eingelebt hatte und mein Heimweh nach Innsbruck, meinen Freunden und nach meiner Familie immer unerträglicher wurde. Es gab nur einen einzigen Lichtblick in dieser tristen Situation. Das war Franco, der Lektor für Garten-Fachbücher, einer Nischenschiene des Verlags. Franco war ein blonder Hüne, ein Bär von einem Mann mit breiten Schultern und Händen wie Schaufeln. So der Typ, bei dem du instinktiv zu laufen beginnst, wenn nachts seine Silhouette in einer dunklen Gasse vor dir auftaucht.

Sein äußeres Erscheinungsbild stand in merkwürdigem Gegensatz zu seinem sehr zurückhaltenden und höflichen Auftreten. Ich kannte ihn nur aus der Kaffeeküche, aber ich kam bald zu dem Schluss, dass Franco wohl der einzige meiner neuen Kolleginnen und Kollegen war, der über so etwas wie Empathie verfügte. Er spürte offenbar, dass ich mich in dieser neuen Umgebung nicht besonders wohlfühlte. Obwohl das wiederum kein besonderes Kunststück war, denn beim Rest der Belegschaft stieß ich eher auf eine Mauer des Schweigens, und das konnte wohl kaum jemandem entgehen. Mir war nicht ganz klar, ob es sich bei diesem Benehmen um eine Art Aufnahmeritual handelte – so à la: wer das überlebte, der ist hart genug für das Business – oder einfach nur um schlichte Unhöflichkeit, gepaart mit schlechten Manieren.

Franco jedenfalls bemühte sich sehr um mich. Er grüßte mich immer erfreut, wann immer wir uns sahen, plauderte stets aufmerksam ein paar Worte mit mir und kümmerte sich rührend zumindest zeitweilig um meine Nahrungsaufnahme, indem er mir Kekse servierte, die er aus einem mitgebrachten Behälter zog. Hervorragende Kekse, und sie waren selbstgemacht, wie ich staunend erfuhr.

Das einzige, was mich bei Franco ein wenig störte, war, dass er mich jedes Mal aus riesigen, glühenden Augen ansah und dabei minutenlang von oben bis unten fixierte. Nicht, dass ich so etwas in meinem bald 22einhalbjährigen Leben nicht schon erlebt hätte – als aufmerksamer Leser wissen Sie ja, dass dem sehr wohl so war. Aber Francos Bewunderung war schon besonders augenfällig und hatte etwas Devotes, was die Sache fast peinlich machte. Dazu kam, dass er mir ehrlich gesagt nicht so besonders gefiel. Nicht, dass er hässlich gewesen wäre. Irgendwie machte er schon was her mit seiner Größe, seinen blonden Haaren und den blauen Augen. Aber all das wurde zunichte gemacht durch die Langeweile, die mich in seiner Nähe stante pede befiel und sich in einem ständigen Hang zum Gähnen ausdrückte. Und das von Anfang an, also auch in der Phase, wo man noch neugierig ist auf einen neuen Menschen und der andere eine Fülle von Dingen zu erzählen weiß, die man noch nie gehört hat.

Vielleicht hätte mich seine zur Schau gestellte Hingabe auch mehr gestört, wenn ich nicht jedes Mal so heilfroh um seine Gesellschaft gewesen wäre. Beim derzeitigen Katastrophenpotenzial in sämtlichen Bereichen meines Lebens war so jemand wie Franco tatsächlich zu einer richtigen Lichtgestalt in meinem Leben geworden. Ich war so dankbar für seine Zuwendung in dieser Empathiewüste, dass ich alles andere ausblendete. Und mit der Zeit freute ich mich auch wirklich, wenn sich unsere Wege kreuzten. Nicht, dass mir das Herz bis zum Halse klopfte, aber ich war echt froh, ihn zu sehen. Und ertappte mich irgendwann dabei, dass ich morgens eine Süßigkeit in meine Tasche steckte, mit der ich mich dann für seine Kekse revanchieren konnte. Und da war noch etwas: Franco starrte mich zwar bei jeder Begegnung begehrlich an, machte aber keine Anstalten, sich mir in irgendeiner Weise zu nähern. So etwas war ich nicht gewohnt, und irgendwie reizte es mich ein bisschen.

So war es eigentlich nur klar, dass ich sofort zusagte, als mich Franco eines Tages in der Kaffeeküche auf die Seite zog und mich zu einem Abendessen in seiner Wohnung einlud. Mehrere Monate hatte er dazu gebraucht. Mein Bauchgefühl protestierte etwas, aber das stellte ich schnell ruhig: Ich wollte endlich mal wieder einen Abend mit einem mir gewogenen Menschen verbringen, so sagte ich mir. Und mich endlich mal wieder für einen Anlass aufbrezeln. Das sagte ich mir nicht, aber ich tat es. Und nach drei Stunden vor dem Kleiderschrank und im Badezimmer fischte ich schließlich eine Flasche Wein aus der Speisekammer und begab mich auf die Reise von Favoriten, wo sich meine WG befand, in seine Wohnung in der Innenstadt.

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Bettina Maria König

Bettina König wuchs als Tochter eines tüchtigen Apothekers im sehr fernen Außerfern auf, wo es ihr aber bald zu kalt und provinziell wurde. Sie flüchtete nach Innsbruck und mutierte via Studium zum Dr. phil., um postwendend in die Riege der „Tirol Werber“ aufgenommen zu werden. Als das Bedürfnis nach Wärme noch größer wurde, nahm sie eine Stelle als Presseverantwortliche in Bozen an – nicht ahnend, dass es dort mit der Provinzialität noch schlimmer bestellt ist als im heimatlichen Reutte. Dem Berufsbild des professionellen Schreiberlings treu bleibend, durchlief sie in Südtirol mehrere Positionen und war zwischendurch auch freiberuflich als PR-Fachkraft, Journalistin und Texterin tätig. Das Bedürfnis nach kreativem Schreiben befriedigte sie unter anderem durch die Herausgabe eines Kinderbuchs („Die Euro-Detektive“) für eine Südtiroler Bank. Derzeit zeichnet sie für die Unternehmens-Pressearbeit von IDM Südtirol verantwortlich, hat die kreative Schreiblust aber immer noch nicht gebändigt. Zwei erwachsene Kinder.

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