Andreas Niedermann
Zürich Heimat
Canetti, Hemingway und der Tod
Notizen
Irgendwo bei Paul Nizon las ich, dass Elias Canetti nicht nur in Zürich gewohnt hat, sondern dass Zürich ihm auch Heimat gewesen sei. Aber nicht dem Iren, der ebenfalls auf dem Friedhof Zürich-Fluntern liegt, dem Dichter des Ulysses, dem Trinker Joyce. Keine Heimat in Zürich für James. Nur Wohnen.
Arthur Köstler war auch in der Mikro-City an der Limmat. Fand es ungemein schwierig in Zürich arm zu sein. Und der Lenin auch. Der Hugo Ball und die ganze klasse DaDa-Blase. Ob denen Zürich Heimat war?
War mir meine Schweizer-Heimat, je Heimat, frage ich mich? Und – was soll das denn sein, diese Heimat? (Ich empfehle zur Antwortfindung die gesamte literarische Produktion der Schweiz der letzten 100 Jahre. Eine wirkliche Schweizer-Spezialität, wie das Käse-Uhr-Schokolade-Kuh-Fondue.)
Nizon war die Schweizer Heimat offenbar auch nicht Heimat. Er verzog sich nach Paris, ins Gewimmel der Großstadt. Mais oui. Die Großstadt. Der einzige Ort, wo unsereins angemessen leben kann. Anonym, versteckt, offen, fremd – und heimisch zugleich. Verstecken und Entdecken, wie Thomas Brasch schrieb.
Oder eben. Hier oben. In den Bergen.
Hier, im Haus am Waldesrand (wie im Song Oh, my Darling von Ronny!), lese ich Elias Canetti: Das Buch gegen den Tod.
Nun ja. Ich hegte eine gewisse Bewunderung für Canettis lebenslange Todfeindschaft mit dem Tod. Diesen durch nichts zu erschütternden Durchhaltewillen; unbeirrbar, kompromisslos bis hin zum Opfertod, den er einem Gott anbot, falls nur ein einziger Mensch die Unsterblichkeit erlänge.
Aber ich weiß nicht so recht.
Zuviele Aphorismen. Bissi schal, der Stoff. Aber die Fundstücke aus fremden Texten entschädigen. Auch der Index ist hoch interessant. Dort stieß ich u.a. auf Hemingway.
Bei Hemingway hört sich für Canetti alles auf. Verständlich, denn Hemingway soll gesagt haben: Einer, der nicht getötet hat, ist kein Mann!
Und dies bringt Canetti so in Rage, dass seine Anti-Hemingway-Suada in eine wahre Vernichtungsphantasie übergeht: Mehr als ich sagen kann, ekelt mich die Dummheit eines Hemingway. Ich gönne jedem sein Leben, aber es scheint mir, dass seines besonders überflüssig und schädlich war.
Bissl gar krass, würde ich sagen, und wehe dem, der dies über den Canetti hätte verlauten lassen! (Nicht, dass dies nicht auch gesagt wurde. Canetti lebte bis in die 40-er in Wien).
Aber, denke ich mir, jemandem, dem Zürich nicht nur Wohnort, sondern Heimat war, darf man bezüglich Ernest Hemingway nicht zu viel zumuten. Damals nicht, heute nicht, morgen nicht …
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