Norbert Hölzl
Der größte Bluff bei einer Präsidentschaftswahl
Vor 30 Jahren - bis heute nicht aufgedeckt.
Im Jahr 1992 trat der kaum bekannte Beamte im Außenministerium Thomas Klestil als Kandidat der ÖVP gegen den populären SPÖ-Verkehrsminister Rudolf Streicher an. Im 1. Wahlgang strich die liberale Heide Schmidt 15% der Stimmen ein. Streicher lag an erster Stelle. Es kam zur Stichwahl am 24.5.1992.
Da war guter Rat teuer, denn Streicher war ein gut aussehender Charmeur und ein begeisterter Hobby-Dirigent. Dass Streicher als Verkehrsminister nicht sonderlich tauglich war, wissen wir heute, wenn wir uns die Tiroler Verkehrslawinen ansehen. 10 Jahre nach dem EU-Beitritt wurde er gefragt, warum er nicht besser verhandelt habe. Er habe damals gedacht, in wenigen Jahren sei der Schwerverkehr sowieso auf der Schiene. Heute wissen wir es leider besser.
Was tun mit dem sauertöpfischen Klestil angesichts des roten Strahlemannes?
Was der ÖVP Pfiffiges eingefallen ist, erfuhr ich erst in Brasilien. Für den Nationalfeiertag 1993 drehte ich einen Film über die Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien. Die Einreise stellte ich mir einfacher vor, schließlich hatte ich es als einer der ersten oder als erster geschafft, mit einem ORF-Team in der DDR zu drehen.
Ein Kollege in Wien erschreckte mich: Du kommst eher in ein Sperrgebiet in Sibirien als nach Brasilien! Ich hatte keine Ahnung, dass vor mir noch nie ein ORF-Angestellter mit einem Arbeitsvisum nach Brasilien eingereist war. Brasilien baute fast unüberwindliche Hürden auf, nicht aus politischen Gründen, sondern weil die Filmgewerkschaft keine ausländischen Filmemacher im Land haben wollte. Ich brauchte einen Rechtsanwalt in Rio, der die Genehmigungen im Außenministerium und bei der Gewerkschaft erreichte.
Zwei Auflagen blieben trotzdem: Für jeden ausländischen Techniker mussten zwei Brasilianer beschäftigt werden, und es durfte nur in Kooperation mit einer brasilianischen Filmfirma gedreht werden, die für alle Abgaben haftete – was natürlich nicht kostenlos war. Der bürokratische Aufwand dauerte drei Monate.
Davon erzählte ich im Generalkonsulat in Rio der damals kleinen, aber prominenten österreichischen Gemeinde. „Da hast Du aber noch Glück gehabt“, sagte einer. Erst wenige Monate vorher war die schwierigste Hürde gefallen. Bei der Einreise wurde von jedem TV-Team eine Kaution von 100.000 Dollar verlangt. Sämtliche Seriennummern der Geräte wurden notiert. Wurde nur das Kleinste verloren oder gestohlen, verfiel die Kaution. Angeblich sollte damit verhindert werden, Filmgeräte zollfrei zu verkaufen. 100.000 Dollar hätte der ORF für mich sicher nicht riskiert. Ich war 4 Wochen unterwegs und da kann viel passieren.
Ich fragte, ob es je ein TV-Team gegeben habe, das diese Summe hinlegte. Da gab es ein verlegenes Lächeln. Ja, eine Firma habe tatsächlich bezahlt, sogar eine österreichische. Aber doch nicht der ORF? Nein, die 100.000 kamen vom Wahlkampfteam des Herren Klestil.
Klestil wurde verkauft als „Der Mann, den die Welt kennt“. Er besuchte Kongresse und nach den Reden von Staatsoberhäuptern ging er, das Kamerateam hinter sich, auf den Redner zu und gratulierte, stellte sich vor und versicherte, die Ideen des Redners zu unterstützen, falls er Staatsoberhaupt würde. Das Händeschütteln hat man dann flott zusammengeschnitten. Ob der Staatsmann den Herrn Klestil mit Handschlag begrüßte oder ob sich Klestil vorgedrängt hatte, war nicht ersichtlich.
Der Werbefilm brauchte einen krönenden Abschluss. Klestil übereichte in einer Favela in Rio, einem Armenviertel, einen Scheck für notleidende Kinder. Das Werbeteam trommelte eine Menge Kinder zusammen und versprach viele „balas balas“, also Bonbons, wenn die Kinder die mitgebrachten rot-weiß-roten Fähnchen begeistert schwenken und pausenlos „Austria“ rufen, denn den Namen Klestil konnte ein Brasilianer beim besten Willen nicht aussprechen. Und für Bonbons machen verschleckte Brasilianer alles.
So zog Klestil durch ein Riesenspalier jubelnder Kinder mit Österreichfähnchen. Damit war eindeutig bewiesen, dass das der Mann ist, „den die Welt kennt“.
Es ist unbegreiflich, dass die Wähler nicht ein bisschen nachdachten: In Südamerika kennt, abgesehen von einigen Insidern, kein Mensch den Namen des österreichischen Außenministers. Wie sollen Kinder in einem Armenviertel von Rio de Janeiro einen Beamten aus einem Wiener Ministerium kennen?
Der Slogan überzeugte. Klestil schlug Streicher. Das TV-Team der ÖVP passte auf seine Geräte gut auf und erhielt bei der Ausreise die 100.000 Dollar zurück.
Klestil hat dann so viele Dummheiten angestellt, dass er es tatsächlich in die Weltpresse schaffte. Den Beitrittsvertrag Österreichs zur EU in Korfu im Juni 1994 zum Beispiel wollte er unbedingt auch unterzeichnen, um dann als Staatsoberhaupt am Tisch der Regierungschefs in Brüssel zu sitzen. Die Regierung Vranitzky machte ihm da einen Strich durch die Rechnung.
Noch im gleichen Jahr 1994 lud sich Klestil gewissermaßen selbst nach Ägypten ein. Der Besuch fand kaum Beachtung. Beachtung fand lediglich, dass er als Begleiterin seine Wahlkampfleiterin und damalige Geliebte Margit Löffler mitnehmen wollte. Das vereitelte eine kluge diplomatische Formulierung von Außenminister Alois Mock: „Ich bin sicher, dass der Herr Bundespräsident nichts tun wird, was den Gastgeber in Verlegenheit bringen könnte“. Frau Margit blieb daheim.
Im Herbst 1994 feierte Ägypten 125 Jahre Suezkanal, weil die 100-Jahr-Feier ins Wasser gefallen war. Durch die Kriege war der Kanal mit kaputten Schiffen blockiert. Die Festzelte von 1869 wurden 1994 genau nachgebaut. Da bei der Eröffnung Kaiser Franz Joseph der einzige Regent als Ehrengast war, hätte Ägypten gerne das österreichische Staatsoberhaupt gesehen, weil es auch den Planer des Kanals feierte, den österreichischen Techniker Alois Negrelli, und nicht den französischen Diplomaten Lesseps.
1998 ließ sich Klestil von seiner Frau Edith scheiden und konnte endlich seine Geliebte heiraten, mit der er hinter dem Rücken seiner Ehefrau schon im Wahlkampf händchenhaltend fotografiert worden war.
Mit dieser Affäre schaffte Klestil endgültig den Sprung in die Weltpresse. Mehrere Journalisten stellten fest: Es war das einzige Mal nach dem Staatsvertrag von 1955, dass ein österreichisches Ereignis die Weltpresse eroberte. Nun war Klestil wirklich ein Mann geworden, „den die Welt“ kannte.
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