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Andreas Niedermann
Die Knallbar Diaries
Folge 2
Ich bin freundlich.

Lev-André Knallbar, ein nach seinen Angaben sich redlich mühender, aber erfolgloser Autor, landet wider aller Erwartungen und nach zig Ablehnungen von Verlagen einen Mega-Seller (so nach dem Hergang von „Schlafes Bruder). Titel: Verreckt


2.
Mail von T. Er möchte mich sehen, bittet um ein Treffen. Kann mir vorstellen, was er will. Schätze, er glaubt ich bin sein Freund. Vermutlich, weil ich an so einem Autoren-Dingsbums freundlich zu ihm war. Nun ja. Ich bin freundlich. Das ist meine Natur. Freundlich und unverbindlich. Ich bin nicht sein Freund. Ich habe keine Freunde. Schon gar keine unter Kollegen. Zu anstrengend. Es gibt Ausnahmen, aber dazu sage ich nichts.

Was T. von mir will, kann ich mir vorstellen. Es kursiert das Gerücht, dass der Umbau seines Hauses in dieser Weingegend, in die jetzt alle hinziehen, die mal ein Exposé für’n Filmscript verfasst haben, etwas zu üppig ausgefallen sei. Und seine große Zeit als Dramatiker liegt hinter ihm. Außerdem geht er allen Regisseuren auf die Eier mit seiner Forderung nach Texttreue und seiner Der-Autor-ist-der-Chef-Attitüde.

Ich versteh’s nicht. Wenn ich was schreibe, kann jeder damit machen, was er will. Hauptsache, er zahlt. Ich meine, wieviele gute Dramen gibt es? Neuere, meine ich? – Na, eben!

Wenn du’s nicht schaffst die Leute zu berühren, dann spielt’s doch keine Rolle, wie’s der Regisseur anpackt. Und da kannste noch so viele Flüchtlinge auf die Bühne wuchten. Das ist doch nur noch erbärmlich.

T. will vermutlich moralische und pekuniäre Unterstützung. Der Typ hat vor drei Monaten noch nicht einmal gewusst, dass es mich gibt. Knallbar? Wer zum Teufel ist Knallbar?
Jetzt weiß er’s.
Mail ihm zurück, das es okay geht. Zwischen 15.30 und 16.00. Nach meinem Nickerchen hätt ich Zeit für ihn.

Dann mach ich meinen Morgenspaziergang. Denke über ein Filmscript nach. Mein Verleger meint, ich soll den Film nicht vernachlässigen. Hab da ne kleine Idee.

Ein Selbstmordattentäter in spe hat den Plan, sich in einem Zoo in die Luft zu jagen. Bei seinen Recherchen verliebt er sich in einen Schimpansen, verwirft seine Pläne und will den Geliebten befreien. Weiter ist die Idee noch nicht gediehen, und meine Gedanken werden abrupt unterbrochen, weil mein Blick auf ein Kaffeewerbungsplakat fällt.

Kaffeewerbung! Und groß der Spruch: Mehr Poesie in die Politik.

Das ist die Malakovtorte für unsere Weichbirnen! Mehr Poesie in die Politik! Dreh´s mal um und du weißt, was rauskommt. In einem vornehmen, deutschen Wort ausgedrückt: Scheiße.

Es würde reichen, wenn sie einfach ihre verdammte Arbeit machen. Die Politiker. Und auch die Poeten.

Weiter geht’s. Stopf meinem Lieblingsbettler einen Zwani in den Pappbecher, genieße seine Überraschung und weiß im selben Moment: Das war ein Fehler! Dem kann ich jetzt nicht mehr mit einem Euro kommen. Na gut, selber schuld.

Zuhause mach ich mir ’n Kaffee und trinke ihn, während ich liebevoll meinen Kontostand betrachte.
Das Schreiben kann warten …

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Andreas Niedermann

Andreas Niedermann, 1956 in Basel geboren. Nach einer Laborantenlehre einige Jahre in Europa unterwegs. Informelle Ausbildung zum Schriftsteller in genau 50 ausgeübten Berufen. U.a. als Steinbrecher, Alphirte, Kranführer, Kinobetreiber, Krafttrainer, Koch und Theatertechniker. Seit 1989 mit Familie in Wien lebend. Gründete 2004 den Songdog Verlag. Publizierte einige Romane, Storybände und Novellen. Zuletzt „Blumberg 2 (Die Wachswalze)“ bei Edition BAES.

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