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Andreas Niedermann
Die Knallbar Diaries
Folge 12 - 14
Romantik, Abenteuerlust, Flucht vor der Arbeit?

Kapitel 12

On the road. Nicht aus lebensanschaulichen Gründen, Romantik, Abenteuerlust oder weil ich der Arbeit entfliehen will, nichts von alledem, nein, es ist nur aus Gründen der Zahlenästhetik – tja, so trivial ist das.

Damals – ich erinnere mich dunkel – als ich noch arm war, dachte ich wie jeder andere Dummkopf auch, dass es einem Milliardär nicht auf eine oder zwei Millionen ankommen kann, aber das ist – werte Freunde, Feinde und Gleichgültige – einfach nur falsch.

Es ist in unsere DNA geätzt: Zuviel ist nicht genug! That’s Rock’n Roll, Amigos.

Habe also das Angebot von Moss angenommen und mir eine Lesetour zusammenstellen lassen. 5 Sterne Hotels, Limousine, Chauffeur in Anzug, Krawatte, und Dienstmütze, die er in meiner Gegenwart niemals ablegen darf. Soviel Respekt muss sein. Und, versteht sich von selbst: keine Vertraulichkeiten.

Ich habe Moss gegenüber darauf bestanden, dass der Chauffeur einen Universitätsabschluss haben muss. Warum, hat Moss gefragt. Darum, hab ich gesagt. Ne, im Ernst, Knallbar, sacht er dann, warum braucht ein Chauffeur einen Uni-Abschluss? Weil er, sach ich, leiden soll. Warum soll er leiden?, fragt Moss.

Damit er lernt, dass seine ganze Bildung, seine Zeugnisse, seine Ansichten, sein ganzer Humanismus, dass das alles fürn Hugo ist, wenn es gilt, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und dass er sich, während er darauf wartet mich ins Hotel zu fahren, darüber Gedanken macht. Was soll das denn bringen, sacht Moss. Hass, sach ich, Hass, Moss. Und was soll Hass bringen? Kohle, sach ich mit meinem gemeinsten Grinsen, nichts als Kohle.

Hass ist gut fürs Geschäft. Hass ist der Grund, warum all die Weißbrote die Ali-Kämpfe sehen wollten; sie wollten sehen, wie dem Nigger die große Nigger-Fresse eingeschlagen wird. Zumindest zu Beginn.

Das ist doch nur deprimierend, sacht Moss und setzt sein traurig sanftes Lächeln auf. Find ich nicht, sach ich. Und überhaupt: Was bist denn du für ein Verleger? Du bist dafür verantwortlich, dass deine Autoren reich werden.

Überspann den Bogen nicht, Knallbar, überspann ihn nicht.
Ach, Moss, sach ich, ich mach doch nur Witze.
Nee, Lev, machst du nicht.
Nein, mach ich nicht.
Du bist ein richtiges Arschloch.
Ich korrigiere: Ich bin ein reiches Arschloch. Soviel Zeit muss sein, Moss, soviel Zeit muss sein.


Kapitel 13

D. aus Berlin hat angerufen. D., der bald eine der bedeutensten deutschen Bühnen leiten wird, und in der Branche der meistgehasste Buddy ist, eine Art Donald Trump für Künstler.

D. will, dass ich ein Stück für sein Haus in spe verfasse. Klar, sagte ich, mach ich doch, und danke für die Einladung. Ah ja, und noch was: Wieviel?

Viel genug, sagte D., und das genügte mir, mehr brauchte ich nicht zu wissen. D. war ein Ehrenmann. Vielleicht hassen ihn die Kollegen auch deswegen.

Ich sag’s euch: Keine 10 Minuten später scheppert bei mir das iphone ohne Sinn und Pause. Ohne Sinn im Sinn von Unsinn, denn der ganze Kollegenverband, der irgendwie rausgekriegt hat, dass ich jetzt für D. arbeiten werde, meldet sich bei mir, um Solidarität einzufordern, denn die Kollegen haben beschlossen, D. zu boykottieren, weil der das Theater kaputte.

T. ruft auch an.
Knallbar, sagt er, du wirst doch nicht … oder?
Wohl werde ich, sag ich.
Aber wir sollten solidarisch sein, in unserem Boykott.
Warst nicht auch du unter denen, die meine Stücke abgelehnt haben. Damals. Zugunsten all derer, die jetzt boykottieren?
Was hat denn das damit zu tun?
Einiges. Warst es oder warst es nicht?
Deine Stücke waren Mist.
Wohl wahr. Aber deine sind auch Mist und die der anderen auch.
Na ja, sagt T. Na ja.

Nix naja, immer nur diese linke Scheiße, dieses Jammergebolze und dieses durchschaubare Absichtstheater, und wenn’s um Gefühle geht, dann muss gutdeutsch gebrüllt werden. Brüllen und scheißen ist das shoppen und ficken der Deutschen. Also, fuck you, T. Fuck them all!

Häng also ein. Ich mein, man hängt ja nicht mehr ein, man drückt die Wichser einfach weg. Toll.
D. ruft noch mal an, und erkundigt sich freundlich, ob ich schon eine Idee hätte.
Klar, sag ich, ich bin voller Ideen.
Und?
Ein Stück nach einem Motto von meinem Lieblingsphilosophen Carlo Pedersoli.
Pedersoli?
Kennste nicht, sag ich. Ist aber ’n Klasse Mann.
Lass hören.

Hier mein Pitch: Scheiß drauf! Wie immer es auch kommen mag: Scheiß drauf!
Na dann, frohes Schreiben, sagt D.
Danke, sag ich. Meine Kontonummer haste ja, oder?


Kapitel 14

Es soll ja Kollegen geben, die was gegen die Ochsenprämierung in Klagenfurt haben, gegen dieses Gelese und Gekrittel und gegen das Mauscheln und Kungeln und Feilschen in den Sitzungen, wer denn der schönste Ochse im literarischen Stall sei.

Ich mach mir ja immer einen Spaß daraus, die schönsten Leseochsen zu erraten, und, ich sag’s ungern (weil mir das wieder als Angeberei ausgelegt wird), ich hab sie auch diesmal wieder getroffen.

Die kleine, dicke Österreicherin, die gut socialmedia mobilisiert hat und so den Publikumspreis abbekommen hat, rief bei der Preisübergabe das Matriarchat aus. Mir kams a weng vor, als verlange jemand in der Sahara nach einem Sandstrand. Aber sie erinnerte mich auch ein bisschen an mich selber, an meine Anfänge, und ich sag: Weiter so, nur immer rein ins Brunzfleisch, aber wie mein leider viel zu früh verstorbener Freund C. oft sinnierte: Eine Latte zu kriegen ist keine Kunst, aber sie zu halten, wenn schon alles ungeil ist, das ist schwer!

Mein Sohn, 13 Jahre alt, sah eine Weile mit, und ich sagte dann mal: Mein Gott, die sehen ja alle aus wie Autoren, sie benehmen sich wie solche, sprechen wie Autoren und vermutlich riechen sie auch so, jetzt sag mal, Junge, seh ich auch so aus?
Nö, sagt er dann mit einem fiesen Grinsen, so schaust du nicht aus.

Ich wagte nicht zu fragen, wie ich denn aussehe, aber er kannte keine Gnade, und schickte seinen Spruch gleich hinterher.
Du siehst aus wie so ein halber Sterne Koch, sagt er.

Er war dann bei drei auf den Bäumen, denn sonst hätt ich was getan, was mir vor dem Richter als elterlicher Gewaltsmissbrauch ausgelegt worden wäre. Na ja, der schiebt dauernd solche Meldungen. Darf er auch. Bleibt ja in der Familie. Ich revanchier mich dann in den Sommerferien, wenn wir kleine Ringkämpfe veranstalten. Da tu ich ihm dann weh. So ein bisschen nur, und das hält dann für ein ganzes Jahr. Freche Schnauze.

Sonst? Ich versuche zu arbeiten, aber ich komm nicht voran. Es nervt. Warum will ich nur was Gutes machen und nicht einfach nur einen Bestseller?

Moss ruft an und sagt, dass er über die Filmrechte verhandelt. Daraufhin betrachte ich voll inniger Liebe meinen Kontostand und beschließe, heute mal frei zu nehmen und wieder bei der Schwangerschaftsgymnastik vorbeizuschauen, die neuen schönen, runden, buttrigen Süssen angucken…

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Andreas Niedermann

Andreas Niedermann, 1956 in Basel geboren. Nach einer Laborantenlehre einige Jahre in Europa unterwegs. Informelle Ausbildung zum Schriftsteller in genau 50 ausgeübten Berufen. U.a. als Steinbrecher, Alphirte, Kranführer, Kinobetreiber, Krafttrainer, Koch und Theatertechniker. Seit 1989 mit Familie in Wien lebend. Gründete 2004 den Songdog Verlag. Publizierte einige Romane, Storybände und Novellen. Zuletzt „Blumberg 2 (Die Wachswalze)“ bei Edition BAES.

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