Andreas Niedermann
Die Knallbar Diaries
Folge 15 - 17
Todesnachricht, Klatsch, Freiheit
Kapitel 15
Jetzt hat Kollege M.W. diese Welt also auch verlassen. Man hört überall Gutes über ihn, und ich denke, dass es nur gerecht ist. Keinen überflüssigen Satz soll er geschrieben, kein unbedachtes, hülsiges Wort gesetzt haben, alles pico, und das, was ich vom ihm gelesen habe (wenig genug), bestätigt es. Der Größte und Beste seit Dürrenmatt und Frisch, sagen einige.
Kann sein. Aber wem liegt was an einem Ranking? Sicher nicht M.W.
In einem seiner letzten Interviews sagte er über seinen Erfolg, sinngemäß, dass man gelassen bleiben muss. In Misserfolg und Erfolg. Interessant daran ist, dass man den Spruch immer wieder mal hört. Ausnahmslos von arrivierten Autoren.
Okay, das liegt vielleicht daran, dass die Erfolglosen eher weniger zu Interviews eingeladen werden. Zum einen. Zum anderen: Ich glaub’s nicht!
Als ich noch nicht Lev-André Knallbar, das erfolgsverwöhnte, reiche Arschloch war, da war ich bis oben hin angefüllt mit Neid, Bitterkeit und Bosheit (bin ich noch), die ich allerdings erfolgreich niederrang. Mit Pose, Verachtung und ein paar schnuckligen Attitüden. In guten Zeiten, mit meinem unbeugsamen Durchhaltewillen. Aber gelassen? Damals?
Jetzt bin ich gelassen. Es ist um einiges leichter, erfolgreich gelassen zu sein, als erfolgslos.
Wie auch immer. M.W. ist nicht mehr. Und ich habe nie ein ganzes Buch von ihm gelesen. Das ist meinem Misstrauen gegen bärtige, schlaksige Männer geschuldet, jenen mit den runden Brillen und dem Lehrerpatent. M.W. war Lehrer. Und wie man so hört, war das damals in der Schweiz, die Lizenz zum Schreiben.
Vorurteile? Aber sicher. Ich bin voll davon. Wie jeder einigermaßen vernünftige Zeitgenosse. Bring dein Vorurteil zu einem Urteil, war schon immer mein Motto!
Und sonst gilt immer noch B.D’s. Songzeile: There’s no success than failure, and failure there’s no success at all.
Machs gut, M.W!
Kapitel 16
Neben den ganzen traurigen, deprimierenden und herzzerreißenden Verbrechen, die menschlicher Müll uns antut, aus Gründen die wir nur erahnen können: Lüge, Größenwahn, Blutdurst und die ganz normale Verkommenheit, müssen wir doch weiterleben, und weiterleben heißt weitermachen, und weitermachen für Lev-André Knallbar heißt … ja, woher soll ich denn wissen, was das heißt?
Ich tippe ein bisschen und mache mich selber fertig, indem ich lese. Wie jede/r andere auch, stehe ich auf Klatsch. Und das beste Klatschbuch ist immer noch Answered Prayers vom Streckfus Persons vulgo Truman Capote. Was für ein Autor!
Es ist meinem Masochismus geschuldet, dass ich dieses Buch lese. Bei jedem zweiten Satz hält man inne und fragt sich, wie der kleine Mann das nur gemacht hat. Es ist wie Jimi Hendrix beim Gitarrespiel zusehen: Man sieht es genau, und weiß doch nicht, wie er’s macht.
Angesicht dieses ordentlich fiesen, piepsstimmigen Genies kommt eine Bestsellerautorenpfeife wie ich schnell runter vom hohen Ross (auf das ich nie geklettert bin. Das erleichtert das Absteigen ungemein).
Aber Klatsch kommt gut. Und nun gibt es auch Klatsch in den unteren Ligen der österreichischen Bestsellerproduzenten. Da stehen zwei auf der Müllkippe der Souschelmidias und bewerfen einander mit dem Müll, den andere abgeladen haben.
Man muss sie dazu beglückwünschen und ihnen dankbar sein. Beglückwünschen für ihre rohe Schmähkraft und dankbar, dass sie uns daran teilhaben lassen.
Das Ding schlägt Wellen bis ins Ausland. Auslöser war der Artikel eines pragmatisierten Kulturchefs eines Wiener Blattes, der was sagte, was einigen Schreibenden nicht gepasst hat. Und dann ging’s los.
Wurf und Gegenwurf. Ich schätze das. Es ist, wie wenn sich Schimpansen im Zoo mit Obst und Scheiße bewerfen. Aber viel besser, da ich mich nicht in den Zoo bemühen und dort nicht nur der Fauna, sondern auch der Mitmenschheit ansichtig werden muss.
Weiter so. Kann ich da nur sagen. Kommt gut, Leute. Wir haben viel Spaß. Schlammcatchen für renitente Sonntagsschüler. Das Interesse von uns allen ist euch gewiss. Der Bücherabsatz wird steigen.
Und jetzt sind wir wieder bei Lev-André Knallbar: Das ist schließlich das Wesentliche. Ihr habt’s gecheckt, Kollegen.
Die Kunst ist etwas für gemeine, kleine Homosexuelle und andere Versager, die ihrer Autorenpflicht, permanent in den Souschelmidias auf sich aufmerksam zu machen, nicht nachkommen.
Kapitel 17
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, kann ich mir ein leises Schmunzeln nicht verkneifen.
Ich, ich könnte mir nicht einmal ein lautes Schmunzeln verkneifen. Jo mei, Kollegin, des host toll hingekriegt: Gleich im ersten Satz einen Volltreffer. Des megen die Leit. So aus dem Leben gequasselt, so voll die Tüte, waaast eh, und an Hamur hammer aa no.
Wo bitte, geht’s hier zum Pulsadern aufschneiden?
Scherz. Ich habe heute vom Balkon gepisst. Somit bin ich ein freier Mensch. Aber es reicht auch, wenn sie nur irgendwohin in die Landschaft schiffen, um ein freier Mensch zu sein. Aber da ich vom Balkon geschifft habe, bin ich einfach etwas freier als die piefigen Nur in die Landschaft-Schiffer.
Wie ich darauf komme?
Ganz einfach: Kollege A. S. aus den Beskiden hat in einem Interview verlauten lassen, dass er frei sei, weil er einfach in die Gegend schiffen kann, ohne dass sich jemand beschwert. Das ist Freiheit, sacht er.
Mann, bin ich frei. Schmunzelfrei. Hätte ich was zu sagen in der Welt, würde ich jeden Text vernichten lassen, in dem das Wort schmunzeln vorkommt.
Und leises Schmunzeln wäre die Exkommunikation aus der menschlichen Spezies.
Ich weiß, ich bin noch viel zu weich und nachsichtig. Ganz schmunzelfrei.
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