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Alois Schöpf
Wissende und Dienende
Apropos

Nach einem Konzertbesuch oder auch nur an einem Wochenende in Innsbruck ein Lokal zu finden, das offen hat oder nicht ausgebucht ist, kann zu einem Problem werden. 

Das betrifft aber nicht nur Innsbruck: Allein im Wipptal kann man die Restaurants bald mit einer einzigen Hand abzählen bzw. man ist gut beraten, genau Öffnungszeiten und Ruhetage zu studieren. Die Gründe hierfür sind bekannt: Personalmangel!

Ein Vorteil dieser Gastro-Krise besteht sicherlich darin, dass wir jenen, die für uns kochen und die uns bedienen, in Zukunft mit wesentlich höherer Wertschätzung begegnen, gleichsam dankbar dafür, dass es sie überhaupt gibt. Das Problem ist damit jedoch nur zur Hälfte gelöst. Die höhere Wertschätzung wird nämlich mit höheren Gehältern und mit noch höheren Preisen für uns Kunden einhergehen müssen.

Nach Ansicht des deutschen Soziologen Andreas Reckwitz leben wir in einer Wissensgesellschaft, entstanden durch die Bildungsexplosion der letzten Jahrzehnte. 

Leider wurde bei all dem Gedränge in die akademischen Grade und Generalsstäbe derer, die kontrollieren und anschaffen, darauf vergessen, dass, siehe oben, auch jemand bedienen muss, pflegen muss, dass wir Elektriker brauchen, die komplexe Anlagen warten, Installateure, die zwischen Fäkalien und Mathematik hin und her wechseln können, kurz und gut: dass eine Wissensgesellschaft Menschen benötigt, die sie ganz konkret am Laufen halten.

Dass es derzeit davon zu wenige gibt, hat auch mit der Geburtenrate zu tun, aber vor allem mit dem sogenannten Image, dass, wer den anderen dient, ein Verlierer, und wer ihnen anschafft, ein Sieger ist.

Solange hier nicht ein Umdenken einsetzt, sowohl was die Würdigung dienender Berufe betrifft, als auch – noch in den meisten Sparten – eine den Akademikern sich annähernde Entlohnung, werden immer mehr Abteilungen von Altersheimen und Kliniken, aber auch Gasthäuser geschlossen bleiben.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 27.01.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Rosi Baumann

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Mit Ihrem Kommentar in der TT sprechen Sie mir aus der Seele!
    Ich arbeite seit 42 Jahren in einem „dienenden“ Beruf, Wertschätzung und Entlohnung lassen wirklich sehr zu wünschen übrig! Bin gespannt welche Lösungen die Akademiker, die anschaffen und kontrollieren, wie Sie richtig schreiben, für die Zukunft haben !
    Schönes Wochenende und ALLES GUTE!

  2. Fritz Gurgiser

    Ja, mein Freund, so ist das mit dem „Dienen“ – ich habe mich im Metallgewerbe trotzdem nie als Diener oder Verlierer gesehen. Und jungen Menschen habe ich oft etwas mitgegeben: Beginnst du mit 15 eine Lehre, sammelst du Beitragsmonate für die Pension. Und bist du fleißig und geschickt, steht dir vieles incl. Freiheit offen, was andere nicht haben. Und kannst vieles selber entscheiden, was andere nicht können, die auch noch die dümmsten Vorgaben umsetzen müssen.

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