Alois Schöpf
"Essen Sie Ganghofer, essen Sie doch!"
Martin Walsers Vorlass
und Josef Winklers Literaturstipendium
Notizen
Im Jahr 2014 veröffentlichte ich im Limbus Verlag das Essay Wenn Dichter nehmen, eine Analyse jener dubiosen Vorgänge, die sowohl in Österreich als auch in Deutschland zur schamlosen Bereicherung zeitgeistiger Hofdichter auf Kosten der Steuerzahler führten und immer noch führen. Und dies auf Basis von Gutachten, deren Autoren weder den für Gutachter geltenden Gesetzen verpflichtet sind, noch eine entsprechende Prüfung abgelegt haben, noch im Hinblick auf ihre Tätigkeit vereidigt wurden.
Stattdessen sind es meist germanistisch ausgebildete Geschmäckler, die sich gegenseitig bedienen, sich gegenseitig Preise umhängen und ihre Machtspielchen am zunehmend bedeutungsloser werdenden Literaturmarkt dazu benützen, durch ihre Funktionärstätigkeit und bewehrt mit Geld aus öffentlichen Haushalten Macht über die Kreativen auszuüben.
Mit der Behauptung eines fiktiven Marktwerts schriftstellerischer Hinterlassenschaften versuchen sie dabei, die Geschichte der eigenen Fehlurteile und Intrigen auf alle Zeiten archivarisch zu verklären, ein Unternehmen, das vor dem Hintergrund der Literaturgeschichte jedoch zum Scheitern verurteilt ist: Denn erfahrungsgemäß sind die Größen ihrer Zeit meist das in elterlichen Bibliotheken verrottende Altpapier der Erben.
Meine Überlegungen stießen, wie Thomas Bernhard sagen würde, naturgemäß auf wenig Gegenliebe. So bezichtigten mich die Rezensenten des Buchs, sofern sie sich überhaupt dazu herbeiließen, es wahrzunehmen, des Neides von einem, der es nicht in die erste Liga geschafft hat.
Die Damen und Herren der Grazer Autorenversammlung wiederum kritisierten den Verleger Bernd Schuchter und den Tiroler Vertreter der GAV Helmuth Schönauer anlässlich einer Versammlung, dass ein solches den Ruf der österreichischen Schriftsteller schädigende Buch überhaupt veröffentlicht wurde. Um weiterem Schaden Einhalt zu gebieten, aber auch, weil die Korruption im Literaturbetrieb offenbar kein relevantes Publikum zu interessieren scheint, wurde das Buch denn auch ziemlich rasch aus dem Verlagsprogramm entfernt und ist inzwischen nur noch antiquarisch zu erwerben.
Mitnichten antiquarisch sind allerdings die dubiosen Geschäfte, welche immer noch zwischen Archiven, Gutachtern, Literaten und Staat getätigt werden, was zwei besonders krasse Bereicherungsfälle der letzten Tage wieder einmal in Erinnerung riefen.
So meldeten die Medien im üblichen kulturfeuilletonistisch gehobenen Ton: „Martin Walser überlässt dem Deutschen Literaturarchiv Marbach seinen Vorlass“, eine freche Untertreibung, wenn man bedenkt, dass der greise Literat mit dieser „Überlassung“ garantiert das Geschäft seines Lebens gemacht hat.
Wie sehr dem so sein muss, ergibt sich schlicht aus der Tatsache, dass eine noch so langwierige Google-Untersuchung, welche Geldflüsse bei dem ganzen Deal erfolgten, ohne Ergebnis blieb, wobei die sibyllinische Meldung der Ludwigsburger Kreiszeitung immerhin Anhaltspunkte lieferte:
„Finanziell ermöglicht wurde diese „wichtige Erwerbung für die Literatur- und Zeitgeschichte des Landes“, so Staatssekretärin Petra Olschowski in ihrem Grußwort, mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg und des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke. Über die konkrete Summe haben die Beteiligten hingegen Stillschweigen vereinbart.“
Wenn diese Meldung und hier vor allem der für die deutschen Steuerzahler doch ziemlich unverschämte letzte Satz durch den unter zahlreichen Meldungen immerhin noch auffindbaren Informationssplitter ergänzt wird, wonach das Land Baden-Württemberg sich an dem Ankauf des Walser´schen Vorlasses mit 200.000 € beteiligte, kann in Anbetracht der anderen Mitfinanziers zwingend davon ausgegangen werden, dass die Gesamtsumme zweifelsfrei 1 Million € weit überschreitet und wahrscheinlich an die 2 Millionen heranreicht.
Dass eine solche für einen an der Literatur desinteressierten Außenstehenden babylonische Summe keineswegs unwahrscheinlich ist, ergibt sich auch aus der Beobachtung, dass ein viel provinziellerer, jedoch zur Kärntner Nationalgröße erhobener Schriftsteller wie Josef Winkler 460.000 € für seinen Vorlass ausbezahlt bekommt, womit wir nicht nur in der österreichischen Literaturszene, sondern zugleich auch bei einem besonders krassen Fall von Geschäftstüchtigkeit gelandet wären.
Denn derselbe Josef Winkler, der sich mit dem literarischen Gault-Millau-Menü „Schwuler Ministrant an Kärntner Bauernhof“ seinen Platz in der deutschsprachigen Suhrkamp-Schickeria erschrieben hat und seit seinen Jörg Haider-Attacken als säkularer Heiliger durch die Szene wandeln darf, entblödete sich nicht, trotz seiner steuerschonend auf Monatsraten von jeweils 4000 € aufgeteilten und aus öffentlichen Geldern finanzierten Zuwendung für seine Verdienste als Kärntner Hofdichter von 460.000 € noch zusätzlich um ein staatliches Literaturstipendium von monatlich (12mal) 1500 € anzusuchen, dessen höheren Sinn die den Empfängern von Staatsgeldern gratulierende Kunst- und Kulturstaatssekretärin Mayer wie folgt beschrieb: „Unsere Langzeitstipendien sollen unseren Autorinnen und Autoren eines schenken: nämlich Zeit. Zeit, sich konzentriert ihrem kreativen Schaffen widmen zu können.“
Ein Angestellter des Robert-Musil Archivs in Klagenfurt, in dem der Vorlass Winklers aufbewahrt ist, sorgte offenbar als getreulicher Freund, Geschäftspartner und Mitglied der die Stipendiaten auswählenden Jury dafür, dass dem geldgierigen Dichter zu bestens bezahlten Schaffensjahren noch ein etwas weniger gut bezahltes Jahr in Form des erwähnten Literaturstipendiums als Zuschlag gewährt wurde. Und dies, um den Absatz mit einer populistischen Wendung zu beenden, in einer Zeit, in der 800.000 Österreicher sich nicht einmal die Karte für einen Kinobesuch leisten können und, ganz abgesehen davon, viele wesentlich bedeutendere und bessere Schriftsteller als Herr Winkler nicht nur von Armut gefährdet, sondern arm sind.
Der Korruptionspegel in der Literaturszene übersteigt, wie ich in meinem Buch ausführlich belegen konnte, jenen in den meisten anderen Branchen um ein Vielfaches. Dies wiegt umso schwerer, als es vor allem unsere Dichter sind, die in den Medien die Moralkeule schwingen, um dem einfachen Mann und der einfachen Frau vorzuschreiben, was sie zu denken haben.
Vor diesem Hintergrund ist es daher nur noch skandalös, wenn sich herausstellt, dass die auch durch solche Predigten erzeugte Position am Markt der Aufmerksamkeiten schamlos dazu ausgenützt wird, sich zu bereichern.
Solche personenbezogene charakterliche Miserabilität ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf die andere wird durch das titelgebende Zitat aus „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus angespielt. Ludwig Ganghofer, den Kaiser Wilhelm II. auffordert, sich in den Schlund zu stopfen, was nur hinuntergeht, war einer der erfolgreichsten Autoren seiner Zeit und verkaufte 40 Millionen Exemplare seiner Werke. Heute sind seine Romane in gleicher Weise wie jene des Tirolers Rudolf Greinz, der es mit seiner Kitschorgie „Allerseelen“ immerhin auf 200.000 verkaufte Exemplare brachte und somit metaphorisch im Verhältnis zu Martin Walser den in Bezug auf die Verkaufszahlen wesentlich erfolgloseren Josef Winkler repräsentiert, vollkommen unleserlicher zeitgeistiger Schmarren.
Und es kann mit größter Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Werke und Vorlässe eines Martin Walser und Josef Winkler eine ähnlich radikale Entwertung erfahren werden, woraus folgt, dass die den beiden Herrn zugeschanzten Beträge einen gesetzlich vielleicht gedeckten, ethisch jedoch unverzeihlichen Betrug darstellen.
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