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Alois Schöpf
Wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt!
Die Ärzteschaft und das Recht
auf selbstbestimmtes Sterben
Ein Überblick am Beispiel Tirols

Das neue Sterbeverfügungsgesetz der türkisgrünen Regierung wurde an dieser Stelle im Gegensatz zu vielen Bedenkenträgern immer wieder gelobt, da es Liberalität nicht im Sinne des Josephinischen Obrigkeitsdenkens verordnet, sondern an die Gesellschaft, an die Bürger und die davon betroffenen Berufsgruppen weiterverweist.

Um nunmehr vier Monate nach Einführung des Gesetzes den Stand dieser Liberalität zu überprüfen, führte ich Gespräche mit Vertretern der Apothekerkammer, der Notariatskammer und der Ärztekammer, wobei vonseiten der Apothekerkammer und der Notariatskammer zugesichert wurde, dass es ausreichend Apotheken und Notare gebe, über die nicht nur eine Sterbeverfügung errichtet werden könne, sondern auch das todbringende Mittel Pento Natriumbarbital ausgefolgt werde.

Mehrere Erfahrungsberichte unmittelbar Leidender lassen es inzwischen allerdings angebracht erscheinen, diese behauptete Kooperationsbereitschaft der Kammern erst durch die Realität unter Beweis stellen zu lassen. Offenbar scheinen sich nämlich auch die in Sachen Sterbeverfügungsgesetz befassten Standesvertretungen einer in der Politik praktizierten Marketingstrategie zu befleißigen, nach außen hin alles zu versprechen und in Wahrheit fast nichts davon einzuhalten.

Zumal sich die Kommunikation mit dem Kammeramtsdirektor der Tiroler Ärztekammer auch sonst als schwierig erwies und mich veranlasste, folgendes Mail an die Tiroler Ärztekammer zu übermitteln.


Sehr geehrte Damen und Herren!

Wolfgang Obermüller und ich, zuständig für die politische Arbeit der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende ÖGHL, hatten die Möglichkeit, vor einigen Wochen mit dem ehemaligen Ärztekammerpräsidenten Tirols Dr. Artur Wechselberger in Sachen Sterbeverfügungsgesetz ein ausführliches und vom Geist der Liberalität getragenes Gespräch zu führen. Ich meinerseits hatte die Möglichkeit, mit ihrem Herrn Kammeramtsdirektor Dr. Günter Atzl ein Telefonat zu führen, in dem es um die Frage ging, ob die Tiroler Ärztekammer bereit sei, eine Liste jener Ärzte zu veröffentlichen, die für Aufklärungsgespräche mit Patienten zur Verfügung stünden, die eine Sterbeverfügung errichten wollen.

Ergebnis des eher kontroversiell geführten Gespräches war, dass die Tiroler Ärztekammer nicht die Absicht hege, eine solche Liste zur Verfügung zu stellen, was ich meinerseits als eine ethisch unzulässige Verhinderung des Zugangs zu einem Menschenrecht bezeichnete, das in der Regel von Leidenden wahrgenommen wird, denen es ohnehin an Kräften mangelt.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf ein vorbildliches Verhalten der Ärztekammer Steiermark hinweisen, welche in ihrem Bundesland über ihre Homepage sehr wohl all jene Ärzte auflistet, die sich für die Errichtung einer Sterbeverfügung zur Verfügung stellen. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser liberale Schritt auch von der Tiroler Ärztekammer zur Kenntnis genommen würde und in Folge jene Zivilcourage und jener Mut entwickelt würden, die auch heute noch notwendig sind, um liberale Grundsätze in einem strukturell so konservativen Land wie Tirol durchzusetzen.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung und der Bitte den Link der Ärztekammer Steiermark genau zu studieren
Alois Schöpf

https://www.aekstmk.or.at/admin/cms.php?pageName=46.


Auf dieses Schreiben hin erhielt ich am 4. April unten stehende offizielle Stellungnahme der Tiroler Ärztekammer unterschrieben vom neuen Präsidenten Dr. Stefan Kastner.


Beantwortung Anfrage Sterbeverfügung ÖGHL


Kommentar

Bei oberflächlicher Lektüre des Schreibens der Tiroler Ärztekammer könnte man den Eindruck gewinnen, dass hiermit in der Realität ein fairer Ausgleich zwischen den notwendigen Regularien, die aufgrund der Irreversibilität eines Suizids sinnvollerweise notwendig sind, und dem Menschenrecht auf ein selbstbestimmtes Sterben gefunden wurde.

Dass dem mitnichten so sein muss, ergibt sich aus der immer wieder von allen Ärztevertretern klar formulierten Aussage, dass kein Arzt verpflichtet sei, in welcher Art auch immer das neue Sterbeverfügungsgesetz zu unterstützen und eine Ablehnung desselben, wie sie etwa in Sachen Abtreibung in Tirol seit Jahrzehnten in den öffentlichen Krankenanstalten rückständiger Usus ist, möglich, ja, man kann davon ausgehen, im volkskulturell katholischen Tirol sogar erwünscht ist.

Was also geschieht, wenn der zuständige Hausarzt aus ideologischen Gründen nicht bereit ist, die für eine Sterbeverfügung notwendige Aufklärung des Sterbewilligen durchzuführen und sich auch weigert, die bei der Tiroler Ärztekammer offenbar aufliegende Liste von Kolleginnen und Kollegen inklusive solcher mit palliativmedizinischer Ausbildung abzufragen?

Soll sich in diesem Fall der ohnehin wahrscheinlich am Ende seiner Kräfte befindliche Patient einen neuen Hausarzt suchen, der, wenn er die Gründe für seine Suche erfährt, erst wieder christlich empathisch abwinkt? Und was ist, wenn der seit Jahren mit hoher Autorität ausgestattete Hausarzt selbige sogar missbraucht, um einen ihm anvertrauten Leidenden von der „Schnapsidee des Selbstmords“ abzubringen anstatt sich in den Dienst des freien Willens eines freien Bürgers zu stellen?

Es besteht der dringende Verdacht, dass hier hinter schönen Worten bewusst wiederum eine Barriere errichtet werden soll, um einerseits dem Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs nach außen hin Genüge zu leisten, andererseits jedoch die gesellschaftliche Entwicklung im Hinblick auf eine Liberalisierung der Sterbehilfe schlicht und einfach nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Aus all dem sind zwei Folgerungen unabdingbar: Zum einen Folgerungen für eventuell unmittelbar betroffene oder bereits im Vorfeld menschlicher Not an dem gesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrecht in der letzten Lebensphase interessierte Patienten. Zum anderen Folgerungen für die Ärzteschaft, denen es die nach Kant größten Feinde der Aufklärung, die Untugenden der Feigheit und Faulheit, in weiten Bereichen offenbar unmöglich machen, eine unaufhaltsame gesellschaftliche Entwicklung hin zur Autonomie der Person in ihr Berufsbild und in ihr ärztliches Handeln aufzunehmen.


Folgerungen für betroffene oder interessierte Patienten

1. Fragen Sie Ihren Hausarzt tunlichst noch im gesunden Zustand, wie er sich zu verhalten gedenkt, wenn Sie mit dem Wunsch nach einer Sterbeverfügung an ihn herantreten. Sollte er Ihnen mitteilen, dass er aus ideologischen Gründen nicht bereit ist, ein dem Sterbeverfügungsgesetz entsprechendes Aufklärungsgespräch mit Ihnen zu führen, dann suchen Sie sich einen anderen Hausarzt, der zu einem solchen Gespräch bereit ist.

2. Sollte es Ihnen nicht möglich sein, einen solchen anderen Hausarzt zu finden, erkundigen Sie sich, ob Ihr Hausarzt dazu bereit ist, Ihnen im Falle des Falles eine Kollegin oder einen Kollegen, deren Namen in der Ärztekammer aufgelistet und die bereit sind, die beiden erforderlichen Aufklärungsgespräche (allgemein und mit Schwerpunkt Palliativmedizin) durchzuführen, namhaft zu machen.

3. Sollte Ihr Hausarzt auch dazu nicht bereit sein, sollten Sie ihn unter allen Umständen rechtzeitig wechseln und ihn im Übrigen darauf hinweisen, dass seine aus ideologischen Gründen erfolgte Ablehnung Ihres Begehrens vom Gesetz her lediglich nicht diskriminiert werden darf, im Sinne des vom Österreichischen Verfassungsgerichtshof und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs jedoch festgeschriebenen Menschenrechts ein massives Unrecht und eine schwere unethische Handlung darstellt.

Dass zu all diesen Fragen und Reaktionen bürgerliche Zivilcourage gehört, versteht sich von selbst, ist jedoch ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers, der klugerweise, wie eingangs erwähnt, die Liberalität der Gesellschaft nicht erzwingen, sondern entwickeln will.


Folgerungen für die Ärzte

Langjährige und intensive Freundschaften, aber auch altersbedingt zahlreiche Begegnungen mit Ärztinnen und Ärzten als Patient lassen mir die nüchterne Erkenntnis gerechtfertigt erscheinen, dass in dieser Berufsgruppe wie in vielen anderen das Private und Berufliche oftmals nicht sehr viel miteinander zu tun haben. So habe ich die Beobachtung gemacht, dass Ärzte im Hinblick auf ihre eigene Gesundheit und ihren eigenen Tod von denselben Schlampereien, Feigheiten und Ängsten geplagt werden wie wir Patienten und dass sie im Hinblick auf den Tod eine ähnliche Denkverweigerung betreiben wie ihre in den Wartezimmern harrende Schar von medizinischen Laien.

Die berufsmäßige Verdrängung der definitiv absehbaren Niederlage jeden ärztlichen Handelns, die unter dem Überbegriff „austherapiert“ sodann an dafür spezialisierte Sterbeeinrichtungen bzw. an die Verwandten der Betroffenen elegant delegiert wird, und die auch aus eigenen Todesängsten genährte Hysterie des immer nur Heilenmüssens und niemals aktuell Sterbendürfens macht den meisten Ärztinnen und Ärzten ein Berufsbild unmöglich, das, wenn Heilung nicht mehr möglich ist, auch die Pflicht vorsehen würde, beim guten Sterben bzw. beim Vollzug des Menschenrechts auf ein selbstbestimmtes Sterben zu helfen.

Dass eine solche Nachjustierung des Berufsbilds auch noch durch ein gesetzlich garantiertes Diskriminierungsverbot für reaktionäres ärztliches Verhalten behindert wird, ist bedauerlich und verkennt die Tatsache, dass es eine Pflicht ist, sofern vernünftigerweise möglich, für die Einhaltung von garantierten Menschenrechten zu sorgen.

Zu dieser Schlussfolgerung kommt zumindest einer der bedeutendsten Philosophen und Ethiker der Gegenwart, der indische Nobelpreisträger für Ökonomie Amartya Sen in seinem Essay „Elemente einer Theorie der Menschenrechte“, wenn er schreibt:

„Die Anerkennung der Menschenrechte verlangt nicht, dass sich jeder überall erhebt, um jedwede Verletzung jedwedes Menschenrechts, wo auch immer sie auftreten mag, zu verhindern. Vielmehr wird damit anerkannt, dass, wenn man plausibler Weise in der Lage ist, etwas Wirksames zu tun, um die Verletzung eines solchen Rechts zu verhindern, man durchaus eine Pflicht hat, darüber nachzudenken, genau dies zu tun.“ (Amartya Sen, Elemente einer Theorie der Menschenrechte, Reclam 14070)


PS:
Im Brief an die Tiroler Ärztekammer verwies ich ausdrücklich auf die Liberalität der Steirischen Ärztekammer, die auf ihrer Homepage unter dem Suchbegriff „Sterbeverfügungsgesetz“ eine Liste kooperationswilliger Ärzte veröffentlichte. Leider stellte sich rasch heraus, dass viele der genannten Ärzte weder kompetent noch tatsächlich bereit waren, im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes Aufklärungsgespräche durchzuführen, wodurch sich die Frage ergab, wie es überhaupt zu einer solchen offenbar sehr mangelhaften Liste kommen konnte.

Die Antwort der Steirischen Ärztekammer erinnert nicht nur ein wenig an eine der grotesken Geschichten des Satirikers Ephraim Kishon, sondern bestärkt zugleich sehr wohl die ethisch vorbildliche Haltung der ehrwürdigen Institution. So wurde die Anfrage der Ärztekammer, ob ihre Ärzte zu einer Kooperation im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes bereit seien, von vielen Befragten in der Eile lediglich als Aufforderung zur Meinungsäußerung über das Sterbeverfügungsgesetz insgesamt eingestuft und übersehen, dass ihre Mitarbeit nachgefragt wurde.

Es ist davon auszugehen, dass die steirische Ärztekammer inzwischen dieses Missverständnis ausgeräumt hat, und somit sehr wohl eine den Realitäten entsprechende öffentlich zugängliche Liste vorliegt, im Übrigen eine transparente und mutige Vorgehensweise, die sich die Kolleginnen und Kollegen der heilenden Künste aus Tirol durchaus zum Vorbild nehmen könnten.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Stefan Mezgolits

    Ich meine: Ärztliche- Apotheken- Pflege- und Verpflegungs-Personen haben sich auf längst mögliche Lebensverlängerung bestmöglich spezialisiert, aber Sterbehilfen wären sofortige Lebensbeendigungen. Deshalb haben diese Personen beruflich Interessenskonflikte und sollten wegen einer Sterbehilfe nicht belästigt werden, weil es auch geschäftsfähige Personen ohne beruflichen Interessenskonflikt gibt, die mit meinem noch nicht realisierten Sterbehilfegerät SHG, selbstbestimmte, freiwillige, ärztliche, bezirksgerichtlich oder notariell bestätigte, berührungslose und ungiftige Sterbehilfe mit Argon oder CO2 Gas viel einfacher leisten könnten und wenn sie das erste Sterbehilfegerät zusammenbauen möchten, möchte ich Ihnen alle neuen Teile dazu, auf meine Kosten, an ihre gewünschte Adresse liefern lassen. Mit Hoffnung auf eine sehr gute Zusammenarbeit vielen Dank für Ihre schriftlichen Sterbehilfebemühungen und ich wünsche Ihnen alles Gute!

  2. Sepp Fennes

    Kein Wunder, dass man sich im „volkskulturell katholischen“, heiligen Land Tirol mit einem zaghaft liberalen, die Selbstbestimmung – bürokratisch überlastet, aber doch – fördernden Gesetz schwertut, wenn die obersten Glaubenshüter in Rom mit päpstlichem Segen so gegen den (assistierten) Freitod wettern. Nachstehend ein paar wörtliche Zitate dazu aus dem Schreiben „Samaritanus bonus“ der vatikanischen Glaubenskongregation vom 14. Juli 2020:

    „Im Rahmen ihrer Mission, den Gläubigen die Gnade des Erlösers und das heilige Gesetz Gottes zu vermitteln, das bereits in den Bestimmungen des natürlichen Sittengesetzes wahrnehmbar ist, fühlt sich die Kirche verpflichtet, hier einzugreifen, um Unklarheiten in Bezug auf die Verkündigung des Lehramtes bzgl. Euthanasie und assistierten Suizids noch einmal auszuschließen, selbst in solchen Kontexten, in denen nationale Gesetze solche Praktiken legitimiert haben.

    Jedwede direkte formelle oder materielle Mitwirkung bei einer solchen Handlung ist eine schwere Sünde gegen das menschliche Leben: »Es kann ferner keine Autorität sie rechtmäßig anordnen oder zulassen. Denn es geht dabei um die Verletzung eines göttlichen Gesetzes, um eine Beleidigung der Würde der menschlichen Person, um ein Verbrechen gegen das Leben, um einen Anschlag gegen das Menschengeschlecht«.

    Diejenigen, die Gesetze über die Euthanasie und assistierten Suizid billigen, sind deswegen Mittäter der schweren Sünde, die andere begehen werden. Sie sind auch des Ärgernisses schuldig, weil diese Gesetze dazu beitragen, das Gewissen, selbst bei den Gläubigen, zu deformieren.

    Der assistierte Suizid erhöht dessen Schwere, da er einen anderen an seiner Verzweiflung beteiligt und ihn dazu veranlasst, den Willen nicht auf das Geheimnis Gottes mittels der theologischen Tugend der Hoffnung zu richten, folglich den wahren Wert des Lebens nicht anzuerkennen, und den Bund zu brechen, den die menschliche Familie ausmacht.

    Tatsächlich gibt es kein Recht, willkürlich über das eigene Leben zu verfügen, so dass kein Mitarbeiter im Gesundheitswesen ein exekutiver Hüter eines nicht existierenden Rechtes werden kann«.

    Der Christ weiß daher, dass das irdische Leben nicht den höchsten Wert darstellt. Die letzte Glückseligkeit ist im Himmel.

    Ein tiefer religiöser Sinn kann dem Patienten ermöglichen, Schmerz als besonderes Opfer für Gott im Hinblick auf die Erlösung zu erleben.

    Angesichts von Gesetzen, die – unter irgendeiner Form von medizinischer Hilfe – Euthanasie oder assistierten Suizid legitimieren, muss jede direkte formelle oder materielle Mitwirkung daran immer verweigert werden. Diese Kontexte stellen einen spezifischen Bereich für das christliche Zeugnis dar, in denen »man […] Gott mehr als […] den Menschen [gehorchen muss]« (Apg 5, 29). Es gibt weder Recht auf Suizid noch auf Euthanasie.

    Ein ganz besonderer Fall, bei dem es heute notwendig ist, die Lehre der Kirche zu bekräftigen, ist die pastorale Begleitung derjenigen, die ausdrücklich um Euthanasie oder assistierten Suizid gebeten haben. In Bezug auf das Sakrament der Buße und Versöhnung muss der Beichtvater sich vergewissern, dass es Reue gibt, die für die Gültigkeit der Lossprechung notwendig ist, und die als ein »Schmerz der Seele und ein Abscheu über die begangene Sünde, mit dem Vorsatz, fernerhin nicht mehr zu sündigen« charakterisiert wird. In unserem Fall stehen wir vor einer Person, die über ihre subjektive Disposition hinaus die Wahl einer schwerwiegend unmoralischen Handlung getroffen hat und frei darin verharrt. Es handelt sich um eine offenkundige Indisposition für den Empfang der Sakramente der Buße und Versöhnung mit Lossprechung, der Krankensalbung sowie der Wegzehrung. Die Person wird diese Sakramente in dem Moment erhalten können, wenn der Amtsträger, aufgrund ihrer Bereitschaft, konkrete Schritte zu unternehmen, zu dem Schluss kommt, dass der Büßer seine Entscheidung geändert hat. Dies bedeutet auch, dass eine Person, die sich in einem Verein registriert hat, um Euthanasie oder assistierten Suizid zu erhalten, die Absicht zeigen muss, diese Registrierung vor dem Empfang der Sakramente rückgängig zu machen.“
    (Zitate Ende)

    Das ganze Schreiben hat 26 Seiten und beinhaltet auch gute Gedanken, immer auf einen imaginierten erlösenden, aber auch richtenden, unsichtbar bleibenden Gott ausgerichtet, mit der Kirche als Vollstrecker seiner Gesetze und Hüter seiner „Ehre“. Da tut man sich mit Selbstbestimmung und Liberalität halt schwer. Möge sich jeder, der mag, seine Meinung dazu bilden. Für liberale Katholiken sicher eine Herausforderung.
    Danke für Ihren Blog, Herr Schöpf! Liebe Grüße

  3. Regina E.

    Lieber Herr Schöpf,
    Ich vermute fast, dass die Nichtnennung der Ärzte in Tirol eher zu deren Schutz gedacht ist. Falls die überwiegende Mehrheit tatsächlich gegen die Unterstützung zum Freitod ist, so ist es doch denkbar, dass die betreffenden Ärzte einer massiven Anfeindung oder Schlimmerem ausgesetzt wären, fürchte ich. Deshalb der Umweg über Kollegen, die der Geheimhaltung unterliegen.
    Meine Erfahrung mit hiesigen Hospizen ist, dass man über dieses wichtige Thema nicht offiziell reden darf, selbst wenn alle Beteiligten sich einig sind.
    Viele Grüße aus Berlin, Regina E.

  4. Dr. iur. Klaus Kuntz

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Sehr geehrter Herr Sprenger,
    es geht bei Ihnen in Österreich wie auch bei uns in Deutschland bei diesem Thema erneut um die Frage, worauf ein Patient grundsätzlich im Rahmen des besonderen Arzt-Patienten-Verhältnisses mit seinem Hausarzt vertrauen darf. Einmal ganz abgesehen davon, dass er nicht befürchten muss, dass ihm in einer existenziellen Notlage die ärzliche Hilfe verweigert wird, was ja zur Strafbarkeit des Arztes führen würde, gebietet es das auch und im besonderen Maße das ganze Heilwesen beherrschende Gebot der Barmherzigkeit, dass auch und gerade einem todeswilligen Patienten die ärztliche Unterstützung gewährt wird, deren er bedarf. Das muss nicht zwingend die Verordnung von Pento-Natrium-Barbital sein, sondern kann auch in der Bennenung eines ärztlichen Kollegen bestehen, der in diesem Fall der bessere Ansprechpartner wäre. Das aber ist das mindeste, was man von ihm erwarten kann und muss, dass er sich im Kollegenkreis darüber informiert, wer aus eigener Überzeugung und Verpflichtung zur Sterbehilfe bereit ist. Diese Pflicht zum Handeln ist sowohl nach der österreichischen als auch nach der deutschen Rechtsordnung eine Rechtspflicht, die dem besagten besonderen Arzt-Patienten-Verhältnis entspringt. Darüber wird leider viel zu wenig nachgedacht, geschweige denn gesprochen.

  5. Klaus Sprenger

    Zum Verständnis: in früheren Kommentaren bezog ich mich auf ostösterreichische Apotheken.
    Liebes Team, nun kann ich auch auf eine Apothekerin aus TIROL verweisen, die sich in die Liste der Apothekerkammer eintragen ließ und auf mich im Gespräch sehr reflektiert und klar wirkte. Die hat sich dazu viel überlegt!
    Inzwischen komme ich auf ca. 15 Ärzt*Innen in Tirol, die weder selber Aufklärung anbieten noch bereit wären wegen Kolleg*Innen bei der Ärztekammer anzufragen!
    Also gut überlegen, wer sich dieses Herumgerenne antut! Es ist mühsam. Hausarztwechsel ist nicht einfach. Und mit wenig Erfolgsaussicht.

  6. Klaus Sprenger

    Danke Herr Schöpf!
    Großartig und ausführlich! Nun zeigt das Gesetz wieder einmal, wo wir in Österreich stehen.
    Ich vermute, mein Inneres lässt mich nicht etwas Längeres antworten.
    Immerhin kann ich mitteilen (ohne Namen zu nennen), dass mir von der Österr. Notariatskammer ein Notariat für Tirol genannt wurde. Mehr wollten sie nicht sagen.
    Und mir ist bekannt durch ein sehr nettes Gespräch mit ein*er Apotheker*in, dass alle Apotheken angeschrieben wurden und sich eintragen lassen könnten. Immerhin wüsste ich so nun eine öffentliche Apotheke, die in der Liste sein wird, wenn es so bleibt.
    Das größte Problem ist weiter die sehr „eigen“ auch in div. Gesprächen agierende Ärzteschaft – und ich vermute, dass diese Ärzteschaft einen gesetzlich klareren Rahmen braucht, womit ich nicht sagen will, dass irgendwer als Arzt „persönlich gezwungen“ werden muss, aber eine Organsation wie die Österreichische oder Tiroler Ärztekammer muss eine klare Vorgabe bekommen.
    Die Boykottiererei muss ein Ende finden! Sowohl beim Sterbeverfügungsgesetz als auch beim Abtreibungsgesetz, wo nach so vielen Jahren noch im „heiligen Land Tirol“, aber nicht nur da, der Boykott vorherrscht.
    Liebe Grüße

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