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Alois Schöpf
Politik und Ideologie

Nur dem Medium Zeitung gelingt es, auf einer einzigen Seite die Problematik eines ganzes Landes darzustellen. So geschehen auf der Titelseite der Tiroler Tageszeitung vom Dienstag dieser Woche.

Dort prangte links oben das Porträt des Architekten Peter Lorenz, der bauherrlich den Tirolern ihren Traum vom Einfamilienhaus verbieten möchte, weil längst zu viel und zu hässlich zubetoniert wurde.

Auf der rechten Seite wiederum war die Rede vom möglichen Aufstand unserer kreuzbraven Bauern, die den städtischen Traum von der Urnatur inklusive Wolf und Bär im touristisch und agrarisch genutzten Tirol als Bedrohung ihrer Existenz empfinden.

Nicht fehlen durfte im unteren Teil der Seite die Nachricht, wonach sich am Après-Ski Halligalli zum Entsetzen aller Moraltanten und Fans des sanften Tourismus nichts geändert hat.

Selten wurde der Medienkonsument derart knapp mit den zentralen Problemen eines Landes konfrontiert, dessen Bewohner, als letzte Meldung, mit der höchsten Inflationsrate seit Jahrzehnten zu rechnen haben.

Dass übrigens zur Bekämpfung selbiger weder den Ideologen noch unseren Marketingpolitikern etwas einfällt, ist als Moment wohltuender Ehrlichkeit zu betrachten. Die Lösung der meisten anderen Probleme bestand bisher nämlich darin, in Richtung Zeitgeist wohlklingende Worte zu drechseln, und in Richtung Realität darauf zu hoffen, dass die Akten von selbst in Verstoß geraten.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 16.04.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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