Alois Schöpf
Städter sind intoleranter.
Apropos

Zuweilen muss man bei der Lektüre einer Zeitungsmeldung laut lachen. Vor allem, wenn sich ein Verdacht erhärtet, der diametral dem Zeitgeist widerspricht. 

So hat eine Studie der Technischen Universität Dresden zur “Polarisierung in Deutschland und Europa“, bei der 20.000 Personen befragt wurden, ergeben, dass eher wohlhabende und gebildete Städter die Meinung Andersdenkender weniger akzeptieren als konservative Landbewohner mit geringerem Einkommen und geringerer Bildung.

Der Umstand, dass diese Studie ein Schlag in die Magengrube all jener urbanen Eliten ist, die uns täglich belehren, wie wir zu leben und zu denken haben, dürfte auch Grund dafür sein, dass eine Diskussion aus Gründen der Peinlichkeit bisher unterblieb. Schade! 

Denn zeitgleich ist die Entwicklung zu beobachten, dass sich Stadtzentren entvölkern und jene, die es sich leisten können, mit einem Haus im Grünen zur Natur zurückzukehren versuchen.

Wenn es früher geheißen hat „Stadtluft macht frei!“, so müsste es heute eher heißen „Stadtluft macht intolerant!“. Und zwar verständlicherweise. Das Stadtleben ist mit seinem Lärm, seinen Beton- und Asphaltwüsten und seinen viel zu vielen Menschen mit Stress verbunden. 

Wohingegen das Land eher mit Stille, guter Luft und einem überschaubaren sozialen Umfeld die Nerven beruhigt. Und in einem solchen Zustand der Gelassenheit ärgert man sich weniger, wenn andere anders denken.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 12.08.2023

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Rainer Haselberger

    Ich frage mich, wie man einen so unbestimmten Begriff wie Intoleranz solcherart messbar machen kann, daß daraus allgemeine Aussagen wie die oben getätigten abgeleitet werden können.

Schreibe einen Kommentar