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Alois Schöpf
Schluss mit dem Datenklau
Apropos

Ich habe in meinem Leben schon einige Theaterstücke von Thomas Bernhard gesehen: Wenn sie nicht ein Claus Peymann mit Schauspielern wie Bruno Ganz oder Bernhard Minetti inszeniert hätte, wären sie noch langweiliger gewesen als sie es rein vom Text her schon sind. 

Denn bei aller Liebe zu unserem National-Grantler: Im Vergleich etwa zu Schnitzler, Brecht oder Dürrenmatt ist er ein miserabler Theaterautor.

Und das gilt auch für sein Stück “Heldenplatz”, das 1988 uraufgeführt wurde, zur Ikone der österreichischen Vergangenheitsbewältigung aufstieg und nunmehr am Burgtheater eine Neuinszenierung erfuhr, bei deren Premiere, wie der ORF meldete, besonders viel Prominenz anwesend war. 

In derselben Aussendung stand auch, dass der deutsche Regisseur Frank Castorf, der nach eigener Aussage Buhrufe genießt, das ursprünglich zweieinhalb Stunden lange Stück durch Texte anderer Autoren und zusätzliche Szenen auf 5 Stunden und 15 Minuten gestreckt hat.

Wenn ich bedenke, welch physische, altersbedingt vor allem urologische Qual es bedeutet, so lange am Polstersitz eines Staatstheaters auszuharren, kann ich mich einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren, dass die anwesende, im Durchschnitt ältliche Prominenz für ihre demonstrativ zur Schau gestellte, meist taxfrei edle Gesinnung ausgiebig leiden und dieses Leiden, um nicht blöd dazustehen, zudem beklatschen musste.

Als absolut inakzeptabel empfinde ich es jedoch wieder einmal, was derzeit nicht nur am Burgtheater, sondern auch am Tiroler Landestheater mit Text-Collagen von Otto Grünmandl, Überschreibungen von Purcell-Werken und einer Totalverhunzung von Nestroy fröhliche Urstände feiert: dass die Werke von Autoren von Regisseuren:innen und Intendanten:innen für ihren Ego-Trip missbraucht werden, statt dass sie sich ihr Zeug selbst schreiben.

Wie lange schaut das geduldige Publikum solchem Datenklau noch zu?


Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 24.02.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Urban Winkler

    Servus und hallo Luis !
    Dein Kommentar vom Samstag war wieder mal große Klasse, darum gebe ich dir ein dickes Lob. Habe lange darauf gewartet, bis endlich jemand über diese Sache schreibt oder sonst in der Öffentlichkeit kundtut.
    Da sieht man wiedermal, wie viel scheinheilige, falsche, feige Leute im Land sind. Ja und gerade die Politiker oder die ach so besseren Leute halten schön das Maul, um ja modern zu wirken und bei niemandem anzuecken und applaudieren sogar bei diesen komischen vermurksten Vorstellungen.
    Entschuldige bitte meine eher deftigen Worte, aber bin wirklich verärgert, weil das nun kein kultureller Fortschritt, sondern ein jämmerlicher Rückschritt ist, was da geboten wird.

  2. Ingrid und Karl Schweitzer

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Oh wie wohl tat es, ihren Beitrag zu lesen!
    Wir sind seit Jahrzehnten treue Abonnenten des Tiroler Landestheaters. Jetzt, zur ungefähren Halbzeit des aktuellen Theaterjahres, haben wir beschlossen, unsere Abos nicht weiter zu behalten.
    Es ist nichts anderes, als sich mit fremden Federn zu schmücken! Man nehme einen allseits geschätzten Namen und verkaufe in der Werbung/Programm ein Bühnenchaos mit oftmaliger Nennung des meist ja schon Verstorbenen, der sich nicht dagegen wehren kann.
    Angeblich ist Regiearbeit Kunst. Dann sollen die doch wirklich „ihr Zeug selbst schreiben!“ Das wirklich Arge dran: ein großer Teil des Publikums spielt da mit und applaudiert z.T. euphorisch!
    Noch zwei Bemerkungen zur neuen Intendanz:
    1. Wir bekommen für unser gutes Geld ein Tänzer-Ensemble vorgesetzt, „das erst am Anfang steht und zusammenfinden muss“ (Zitat) und dabei über lange Passagen am Boden herumkugelt.
    2. Ist es ein Mitbringsel aus Bozen, dass in den letzten zwei Produktionen nicht nur Englisch- sondern auch Italienisch-Kenntnisse gut wären? Die Übersetzungen sind verständlicherweise – da kurz – nur mangelhaft.
    Mit besten Grüßen!

  3. Doris und Rainer Karbon

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Ich habe gerade meinem Mann ihren heutigen Artikel vorgelesen. Sie sprechen uns aus dem Herzen. Was oft auf den Bühnen gezeigt wird. ist zum Grausen. Ich danke ihnen, dass sie den Mut haben, den Agierenden, die sich ja auch noch dafür bezahlen lassen, wirklich einmal ihre Unfähigkeit ins Gesicht zu werfen und klar zu sagen, dass sie Diebe sind.
    Herrlich!
    Danke dafür und bleiben sie uns hoffentlich noch lange erhalten.
    Schönes Wochenende
    Doris und Rainer Karbon

  4. Gerhard Mimm

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    lese immer wieder gerne Ihre kritische Kolumne, für mich auch heute wieder sehr treffend.
    Wünsche Ihnen weiterhin creativ-kritisches Schaffen….und ein entspanntes Wochenende!

  5. Reinhard Kocznar

    Datenklau bringt es auf den Punkt, und die Namen historischer Autoren dabei anzuführen ist Etikettenschwindel. Es ist dasselbe wie im Finanzbereich. Wer bei knapp 4% Zinsen nach Zinssenkung schreit, soll sich einen Job suchen, dem er gewachsen ist.

  6. Walter Kienast

    Herr Schöpf. Als großer Fan Ihrer Kolumne muss ich Ihnen als alter Theaterspieler aus Ellbögen zum heutigen Artikel gratulieren. Wir kennen uns vom Arztal.

  7. Peter Teutsch

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    zu Ihrer TT-Kolumne vom 24.2.2024, in der Sie die Ansicht vertreten, Regisseure und Intendanten (aus Respekt vor unserer Sprache von mir bewusst nicht gegendert) sollen sich ihr Zeug selber schreiben…. Ich bitte Sie, Herr Schöpf, das würde ja Können voraussetzen! Um wieviel einfacher ist es doch, sich an Bewährtem zu vergreifen… Mit Ihren Aussagen vollinhaltlich konform grüße ich Sie herzlich.

  8. Thomas Gasser

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    erfreulich, daß Sie in ihrem sehr lobenswerten Beitrag in der Samstags-TT (24.02.2024) auch auf die aktuelle Situation am TLT Bezug nehmen.
    Ich für meinen Teil als „Publikum“ bin nicht so geduldig und schaue „nicht mehr zu“.
    Voriges Jahr um die gleiche Zeit war ich sicher schon gefühlte 20x oder mehr im Theater (Genoveva, Hamlet, Lakme und Cosi), in dieser Saison nur 1x, und das auch nur, weil Freunde aus Südtirol für „Vier Jahreszeiten“ zu Besuch waren.

  9. Magnus Roth

    Verehrter Herr Nachbar, zum Ersten: die Verehrung meinerseits für den Grantler Bernhard und auch Musikkenner lass ich mir nicht nehmen!
    Danke aber für den 2. Teil der Glosse bezüglich Landestheater! Langsam wird es Zeit, dass sie zeigen, ob sie was können ….
    Beste Grüße aus dem „frommen Westen“, wo doch endlich mal ein Treffen möglich sein wird ..
    Pfarrer Magnus

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