Alois Schöpf
Das Problem, ein „Tiroler Autor“ zu sein.
Essay

Zwei hierzulande ziemlich berühmte Künstler haben den Dreh heraus, weshalb sie auch ziemlich berühmt sind.

So lässt der Thaurer Bildhauer Rudi Wach schon seit Jahrzehnten von sich verlauten, dass er in Mailand lebt und arbeitet, weshalb italienische Kunsthistoriker italienische Reden über sein Werk halten, wenn er in Innsbruck ausstellt, woraus die naiven Tiroler den Schluss ziehen, dass er in Mailand, immerhin Italiens Wirtschafts- und Modemetropole, ebenfalls berühmt sein muss. Überprüft hat das natürlich niemand, weshalb man ihn, da man nicht provinzieller sein möchte als man es ohnehin schon ist, für einen Großen hält.

Nicht anders ist es beim Schwazer Franz Hackl, der fallweise in New York lebt und arbeitet und infolgedessen noch berühmter ist, auch wenn sich seine Berühmtheit mehr auf das dortige Österreichische Kulturinstitut beschränkt. Für Tirol reicht es, dass die Prominenz sich um ihn schart, um ihrer katholischen Wertkonservativität durch demonstrative Affinität zum Jazz ein liberales Design zu verpassen.

Derlei Marketingaktionen zwecks Anbiederung ans städtische Publikum nützen der Karriere, sofern jemand bereit ist, sich als Treibmittel zur Umetikettierung einer hoffnungslos rückständigen Gesinnung zur Verfügung zu stellen.

Leider funktioniert das in die Gegenrichtung überhaupt nicht. Jedes Mal wenn einer meiner Kollegen oder ich selbst in einer nichttirolerischen, also „ausländischen“ Zeitung, als „Tiroler Autor“ apostrophiert werden, ist der Schrecken groß und die Frage aktuell, ob man hier wieder einmal mit einer Ehrenbeleidung, Rufschädigung oder Geschäftsstörung konfrontiert ist. Vor Gericht hätte man natürlich keine Chance!

Der Preis in einem Land zu leben, in dem andere Leute Urlaub machen und niederländische Freunde mit ihrem liebenswürdigen Akzent einem begeistert verkünden „Weißt du eigentlich, dass du in einem Paradies lebst“, besteht offenbar darin, zusätzlich befördert durch einen für Ausländer meist unaussprechlichen Namen, auf eine Karriere jenseits von Kiefersfelden oder Brennerbad verzichten zu müssen. Letzteres bezieht sich im Übrigen auf die liebenswürdige Eigenschaft der Südtiroler, Universität und Klinik in Innsbruck privilegiert zu benützen und sich aus Dankbarkeit dafür absolut nicht für die Hervorbringungen des Nordtiroler Geisteslebens zu interessieren.

So hat man als Preis für ein luxuriöses Umfeld eben das Schicksal zu ertragen, die literarische Regionalliga nie verlassen zu können, sofern man nicht gescheit genug ist, frühzeitig nach Hamburg auszuwandern wie Norbert Gstrein, von dem es dann rudi-wach-mässig „der in Hamburg lebende Tiroler Schriftsteller Norbert Gstrein“ heißt, womit angedeutet wird, dass der Dichter vor der heimischen Hansi Hinterseer- und Franzl Posch-Kultur die Flucht in den evangelisch-atheistischen Norden angetreten hat.

Oder man macht es wie Felix Mitterer, der genau den Kitsch produziert, den die Einheimischen lieben, nur eben kritisch, sodass das restliche Österreich erst wieder bekommt, was es von seinen Tirolern erwartet, nur eben auf links, wie ja auch die Innervillgratener Banda Franui das unausrottbare Verlangen nach bodenständiger Volksmusik dadurch stillt, dass sie selbige durch die politisch korrekte Harmonie- und Rhythmusmühle dreht und damit den städtischen Zeitgeistspießer vor Verdauungsstörungen bewahrt, wenn er sich seinen grün-ruralen Vergnügungen hingibt.

Man kann angesichts eines solchen selbstverschuldeten Imagedesasters nur hoffen, dass es bei den Landtagswahlen diesen Sonntag massiv rumpelt. Die paar restlichen Jahre, die ich noch vor mir habe, würde ich mir nämlich schon wünschen, zur Abwechslung in einem Land leben zu dürfen, dessen Namen man in der denkenden Branche nicht verheimlichen muss, wenn man nicht von vornherein als schreibender Almöhi beiseitegelegt werden möchte.

Ich wünsche mir ein Land, bei dem man, wenn man es nennt, an ausgezeichnete Ärzte, eine ausgezeichnete Universität, an Quantencomputer und eine weltweit führende Pharmafirma und an Pulvermetallurgie denkt.

Ich wünsche mir ein Land, das nicht nur die europaweit progressivste Tourismuswerbung hatte, sondern wieder hat, und in dem die Gäste das exquisite Design ihrer Hotelzimmer studieren, um es bei sich zuhause nachzumachen, und das abendliche Menü, das sie serviert bekommen, nachzukochen versuchen.

Ein Land, das für Mitteleuropa durch seine intelligenten und landschaftsarchitektonisch perfekt in die Bergwelt hineingebauten Pumpkraftwerke als unverzichtbarer Energiespeicher zur Verfügung steht. Ein Land, das sich nicht in eitler Selbstverblödung als Opfer der Mobilität bemitleidet, sondern sich zu seiner Rolle als Verbindungsachse zwischen Nord und Süd, West und Ost bekennt.

Als Kulturschaffender wünsche ich mir ein Land, in dem nicht nur öde Krimis, sondern gescheite Bücher veröffentlicht werden, und Projekte nicht deswegen mit Subventionen überhäuft werden, weil sie ÖVP-kompatibel und irrelevant sind. Ich wünsche mir ein überregional bedeutendes Orchester, ein überregional bedeutendes Theater, überregional bedeutende Festivals. Auf eine überregional bedeutende Fußballmannschaft kann ich verzichten.

Dafür wünsche ich mir Politiker, für die man sich nicht schämen muss, wenn sie nach Wien oder nach Köln in eine Talkshow eingeladen werden.

Wünschen wird man ja noch dürfen!

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Schreibe einen Kommentar