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Alois Schöpf
Putin nicht allein zu Hause!
Apropos

Die elektronischen Bildmedien verzerren die Wirklichkeit, indem sie personalisieren. Entsprechend langweilig sind die täglichen Fragen, was im sehr durchschnittlichen Kopf eines Herrn Putin vorgeht, der sich nächste Woche wieder einmal zum Präsidenten wählen lässt.

Natürlich besteht kein Zweifel darüber, dass der Mann mächtig ist und großes Unheil anrichten kann. Ob er allerdings freihändig einen Atomkrieg auslösen darf, ist schon aufgrund der Gesetzeslage, die es sogar in Russland gibt, keine ausgemachte Sache. Und auch das ist nicht ausgemacht: Dass er wie dereinst Väterchen Stalin ein Zettelchen schrieb, um Herrn Nawalny ins Jenseits befördern zu lassen.

In jedem Staat gibt es nämlich sehr viele Menschen, die genau wissen, was zu tun ist. Das gilt für eine parlamentarische Demokratie in gleicher Weise wie für eine Diktatur, in der sich, wie in Russland, besondere Günstlinge Yachten um 600 Millionen Euro leisten können und Putin selbst angeblich einer der reichsten Männer der Welt ist.

Seine Herrschaft baut nicht nur auf der leidenden Duldung des Volkes auf, sondern auf dem kollektiven Trauma vom Untergang der Sowjetunion als historischer Katastrophe und der byzantinisch-mythischen Selbstbeauftragung Russlands als heiliges Ostrom, was die innige Verquickung der orthodoxen Kirche mit dem Staat erklärt.

Trotz aller Unterdrückung und Manipulation: Putin wird von einer schweigenden Mehrheit tatsächlich gewählt. In gleicher Weise, wie auch Donald Trump in den USA am besten Weg ist, dort bei viel größerer Freiheit erneut gewählt zu werden.

Entscheidend ist dabei weniger, was in den Köpfen dieser zweifelhaften Herren vorgeht. Entscheidend ist doch viel mehr, was ab 1989, als die ganze Welt hoffen durfte, liberal und demokratisch zu werden, alles schief gelaufen ist. Und ob es noch eine Möglichkeit zur Korrektur gibt? Oder ob schon alles zu spät ist?

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 09. 03. 2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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