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Alois Schöpf
Im Musentempel
Turn- und Mehrzweckhallen wirken
antispirituell.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag Österreichs Bundeshauptstadt Wien in Schutt und Asche. Trotz all der sehr konkreten Nöte der Bevölkerung hatten die Regierungen der neu erstandenen Zweiten Republik dennoch nichts eiliger zu tun, als das spirituelle Zentrum des Landes, die Staatsoper, so rasch wie möglich wieder aufzubauen.

Ähnliches geschah auch in Deutschland. Opernhäuser sind eben bis in die Gegenwart – von Kopenhagen über Oslo bis hin zum australischen Sydney – oftmals die architektonischen Chiffren der Identität eines ganzen Landes.

Dort, wo die Götter im Klange der Musik herabsteigen, wurden sie, um ihre Botschaften zu schützen, immer schon von Kathedralen umhüllt. Wo es, fernab von Religion, darum geht, dass eine moderne Gesellschaft versucht, sich im Theater, in Konzerten, vor allem jedoch in der Oper als dem radikalsten Gesamtkunstwerk widerzuspiegeln, schützt sie die Künste, im extremsten Fall ein kaum noch wahrnehmbares Pianissimo der Streicher, durch die Mauern repräsentativer Bauten.

Die spirituelle Kraft der Musik kann sich nur an Orten entfalten, welche der Sensibilität und Komplexität ihrer Botschaften akustisch und ästhetisch entsprechen. Das gilt nicht nur für professionelle Orchester und das herausragende Können ihrer Künstlerinnen und Künstler, dies gilt in besonderer Weise auch für Amateurmusikvereine, deren künstlerische Verletzlichkeit aufgrund des geringeren Ausbildungsstandes der Akteure als hoch einzustufen ist.

Von den vier Bedingungen für ein erfolgreiches Konzert ist die sogenannte „Location“ neben der Kompetenz des Dirigenten, der Qualität seines Programms und der Qualität des Orchesters die Basis, auf der alles andere aufbaut und für deren Tauglichkeit die Vereinsleitung verantwortlich zeichnet.

So einfach diese Forderung in ihrer abstrakten Ausformung klingen mag, im Konkreten könnte es sich oft als durchaus schwierig erweisen, sich etwa der akustischen und baukünstlerischen Niveaulosigkeit eines gemeindeeigenen Mehrzwecksaals zu verweigern und vom Publikum zu verlangen, das Konzert in den besser geeigneten Räumlichkeiten der Nachbargemeinde oder in der nahegelegenen Stadt zu besuchen.

Wo Musik und Kunst im Vordergrund stehen, und wäre es auch nur das Platzkonzert vor einem alten Wirtshaus, muss dennoch die Location passen. Wer hier nicht auf zumindest fairen, wenn nicht optimalen Bedingungen besteht, kann sich gleich die Mühen einer korrekten Konzertvorbereitung und vieler Proben ersparen.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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