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Alois Schöpf
Was heißt konservativ?
Apropos

Eh klar, dass meine fortschrittlichen, vor allem Wiener KollegenInnen die Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer, wenn sie schon nichts Rechtsradikales darin finden konnten, zumindest als konservativ abqualifizierten. Als Tiroler Aborigine kann ich darüber nur lachen.

Von wirklich konservativ haben die meisten von ihnen keine Ahnung. Sie waren nämlich noch nie bei einem unserer berühmten Volkskulturabende, bei denen die hohe Geistlichkeit zuerst begrüßt wird, Bier und Wein in Strömen fließen und der Bürgermeister am Schluss die Musikanten mit den Philharmonikern vergleicht.

Wenn das, was Herr Nehammer von sich gab, konservativ ist, dann bin ich es gern.

Dann ist Konservativität eben nicht mehr rückwärtsgewandte Identitätspolitik, sondern der Versuch, die Errungenschaften der Aufklärung, denen wir vor allem unsere Freiheit verdanken, vor den Anwandlungen einer in totalitäre Blasen zerfallenden Gesellschaft zu retten.

In diesem Sinne bedeutet konservativ zu sein heute, trotz aller moralistischen, marxistischen, naturreligiösen und feministischen Anfeindungen auf einem rationalen Zugang zu Wissenschaft und Technik, einem leistungsorientierten Wirtschafts- und treffsicheren Sozialsystem und einer pragmatischen Gesellschafts- und Migrationspolitik zu bestehen.

Und durch eine kluge Erziehungs- und Medienpolitik die Fähigkeit zum zunehmend schwächelnden Selbstdenken zu fördern.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 18.03.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Peter Praschberger

    SG. Hr. Schöpf
    …oder Ö zurück ins Mittelalter? Die Wahlkampfrede des Kanzlers war eine erbärmliche Anbiederung an die nationalistisch/fundamentalistische Hetzerpartei, frei nach dem Motto: wir sind die bessere FPÖ! Sie war klimaignorant, rückwärtsgewandt und wissenschaftsfeindlich.
    Natürlich findet sich da Rechtsradikales. Klimanotstandverleugnung, Streichung der Sozialleistungen für Ausländer etc…..aufmerksam sein, bitte und kritisch selbstdenken!
    Wenigstens unser LH Mattle hat den Anstand, sich nicht einer offen xenophoben, antisemitischen, rassistischen, misogynen, homophoben, islamophoben, Corona und den Klimawandel verleugnenden, antidemokratischen, antihumanistischen Partei an den Hals zu werfen!
    UND ÜBER ALLEM SCHWEBT DER GEIST DES ANTON REINTHALLER. Zu dieser Erkenntnis muss jeder einigermaßen politisch gebildete Mensch kommen angesichts der regelmäßigen Entgleisungen der Kickls, Waldhäusels, Landbauers usw.
    Was ist aus dieser (ehemals?) christlich/sozialen Partei bloß geworden, wie tief muß man sinken? Konservativ ist da ein Hilfsausdruck, schon eher reaktionär, besser noch anachronistisch.
    Die Rede ist auch teilweise ein Schlag ins Gesicht von Wissenschaft und Fortschritt.
    Pragmatische Asylpolitik? Hr. Nehammer hat bitte 12-jährige Kinder abschieben lassen! Ganz nach dem Gusto der FPÖ. Ein rationaler Zugang zur Wissenschaft orientiert sich an evidenzbasierten Fakten, die liegen in der Zukunftsfrage Klimanotstand am Tisch, die dringenden Empfehlungen der Klimaforscher auch. Verheerend das Versagen der ewig vorgestrigen Ideologen von ÖVP und FPÖ, auch der Sozialisten, die sich momentan gegenseitig zerfleischen…
    Die soziale Krise hat er in seiner Retro-Rede ignoriert,…. nur Geschwurbel und Überschriften. Der Pöbel ( beste Grüße von den Kurz/Schmid Chats) bzw. das Lumpenproletariat wird mit abstrusen Einmalzahlungen nach dem Gießkannenprinzip angefüttert, von wegen sozial treffsicher. Das stimmt nur sehr bedingt.
    Was ist der Plan des Hr. Nehammer? Koaliert er mit den Kickls und seinen Deutschnationalen ? Hatten wir schon. Bärig war’s.
    Der selbsternannte Heiland S. Kurz ist jetzt genau dort, wo er hingehört. Bei Peter Thiel und Shalev Hulio !!! (Bitte googeln ). Von wegen „ich kümmere mich jetzt um meine Familie. Wie denn? Sogar bei seinen Seitentritts und Rücktrittsreden hat er gelogen. Wie M. STROLZ in der Sendung “ Im Zentrum“ sagte: die Lüge ist ein Standardinstrument des Hr. Kurz.?
    Als langjährigem Wechselwähler ist mir aufgrund des Wandels der ÖVP selbige abhanden gekommen. Die FPÖ war mir als sozial kompetentem Menschen und Humanisten ohnehin nie eine Option. Kein Wunder, daß die Politikverdrossenheit zunimmt und sich immer mehr Menschen abwenden.
    Beste Grüße von einem mündigen Bürger, für den es sehr wohl GRENZÜBERSCHREITUNGEN in der Politik gibt….so, wie für Hr. Mattle, Hr. Hofinger (der Ihnen auch hin und wieder schreibt), Hr. Scheuba, Hr. Menasse, Hr. Thurnherr und unzähligen anderen.
    Es erstaunt mich, daß Sie anscheinend KEIN PROBLEM haben mit DIESER NEUEN ÖVP.
    WEHRET DEN ANFÄNGEN!!!

  2. Hannes Kinzl

    Sehr geehrter Hr. Schöpf!
    Wie jeden Samstag freue ich mich auf Ihr „Apropos“ in der TT und werde selten enttäuscht. Auch mit Ihrem Kommentar zu „Was heißt konservativ?“ in der TT vom 18.03.23 ist es Ihnen wieder gelungen – im Gegensatz zum Mainstream (auch in der TT) – aufzuzeigen, dass es möglich und auch notwendig ist, eine andere, in diesem Falle zutreffendere Meinung zu einer wichtigen Frage zu haben. Ihr „Apropos“ ist es allein schon wert für mich, die TT am Samstag zu lesen.

  3. Manfred Waldner

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Gratuliere zu Ihrer Kolumne in der heutigen TT, der wieder einmal „punktgenau“ die Realität beschreibt, was mir umso wichtiger erscheint, da wie Sie ja auch meinen, ständig „um die Realität herumgeschrieben“ und oft lieber Scheinprobleme lanciert werden! Leider tragen unsere sehr vereinheitlichten Medien, vor allem der ORF, eine große Schuld daran! Die Kluft zwischen „veröffentlichter Meinung“ und „öffentlicher Meinung“ klafft immer weiter auseinander, wie man ja auch deutlich anhand des dem Volk „von oben herab aufs Auge gedrückten Gender-Unsinns“ sieht, obwohl über 80% der Bürger (Frauen eingeschlossen) dagegen sind! Und DANN wundert man sich über diverse Wahlergebnisse??
    Mit freundlichen Grüßen

  4. Ernst Maier

    Sehr geehrter Herr Schöpf
    Ihrem Artikel ist jedenfalls dahingehend zuzustimmen, dass die Rede des Herrn Bundeskanzlers keinesfalls als konservativ (scheinbar in div. Medien so geschehen) abzuqualifizieren ist. Dies wäre jedoch wohl eher noch schmeichelhaft. Nein, die Rede war nicht konservativ, sie war in höchstem Maße rückwärtsgewandt, entmutigend, die Klimakrise völlig negierend. Die Rede ist wohl eher als Plädoyer für alle „Bestands-Wahrer“, insbesondere für all jene, die der „Schau ma mal was kommt“- Theorie nachhecheln gedacht.

  5. Günther HYE

    Sehr geehrter Herr Schöpf, ich kann Ihr Apropos „Was heißt konservativ“ insofern unterstreichen, als es eine ständige Herausforderung ist, die Errungenschaften der Aufklärung hochzuhalten. Die Auswüchse der Identitätspolitik, die Übertreibungen von political correctness und cancel culture sowie der Aktionismus der Klimakleber, die eine Weltuntergangsstimmung verbreiten, sind jedenfalls nicht geeignet, die Gesellschaft freier und vielfältiger zu machen. Vielmehr führen solche Tendenzen zu einer geistigen Verengung mit autoritären Zügen!

  6. Hanspeter Neuner

    Danke, lieber Alois!
    Wie Du sehe ich die totalitären Blasen. Eine kluge Erziehungs- und Medienpolitik brauchen wir dringendst! Leider schütten ständig wechselnde Befindlichkeiten und deren „wertfreies“ Nebeneinander das Selbstdenken zu.
    Alles Gute und freundliche Grüße

  7. Wolfgang Kerber

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    ich hatte mir ja eigentlich vorgenommen, Ihnen nicht mehr zu schreiben, aber der Kanzler und die ÖVP Niederösterreich zwingen mich quasi dazu.
    Wobei die erste Irritation ist, dass Sie ihre KollegenInnen (sic!) gendern, oder wurde das nachträglich von der Redaktion der TT inklusive Tippfehler so eingebaut? Jedenfalls ist das „Abkanzlern“ von Wiener Journalisten schon etwas klischeehaft.
    Und die Selbstbezeichnung als Tiroler Aborigine? Das sieht nach missglücktem Vergleich aus, zumal das Wort zumindest im Englischen als abwertend und nicht mehr zeitgemäß gilt, aber falls Sie nur wortwörtlich Ureinwohner meinen sollten, warum dann nicht Ureinwohner schreiben?
    Nicht nur als Tageszeitungsleser hat man jetzt nicht den Eindruck, dass Österreich für ein treffsicheres Sozialsystem bekannt ist (Aber z.B., dass der Gender Pay Gap in Österreich deutlich größer ist als im EU-Durchschnitt. Die Corona-Hilfen gelten auch nicht als besonders treffsicher (Okay, ist auch Wirtschaftspolitik), der Energie-500er ebenso).
    Mir ist auch nicht klar, wo die kluge Medienpolitik der ÖVP stattfindet (bei ihrer Nähe zum ORF in NÖ, bei ihrer Ahnungslosigkeit zur Finanzierung des ORF, bei ihren Plänen zur Wiener Zeitung (wobei man da ja wirklich noch argumentieren kann, wenn sie nicht gelesen wird, fehlt ihr die Daseinsberechtigung), bei ihrer Großzügigkeit für Inserate in Boulevard-Medien?).
    Ich weiß auch nicht, ob Sie wirklich Erziehungspolitik meinen oder doch Bildungspolitik, aber wie das mit der Erziehung so gedacht ist, bekommt man ja jetzt in Niederösterreich mit. (Und auch, wenn’s eine Forderung der FPÖ ist, dass im Pausenhof Deutsch gesprochen wird, so setzt es die ÖVP mit ihr ja um. Österreich war einmal ein Vielvölkerstaat. Und das alles jetzt im März, wo sich einige dramatische historische Ereignisse jähren).
    Was Bildung betrifft: Wenn Herr Nehammer fordert, dass Latein gelernt werden solle, so möchte ich entgegen, dass ich ohne sehr gut durchs Leben komme (Hat sogar für einen Job in Deutschland gereicht, wie Sie wissen).
    Ich weiß auch nicht, in welchem Widerspruch u.a. Feminismus mit rationalem Zugang zu Wissenschaft und Technik stehen soll, auch wenn es sich bei Ihnen so liest. Aber ich habe z.B. heute in der Presse gelesen, wie entsetzt der deutsche Auto-Experte über Nehammers Plädoyer für den Verbrennungsmotor ist*. Es ist auch keine Lösung, technische Innovationen zu verlangen statt Verzicht, wenn man seit Jahren versäumt, die Politik für diese Innovationen zu schaffen.
    Das mit der pragmatischen Migrationspolitik hat die ÖVP in der Praxis auch nicht hinbekommen. Liegt sicher nicht an ihr allein, aber dafür zu sein, reicht auch nicht.
    Natürlich dürfen Sie gerne konservativ sein (Ich bin’s vermutlich auch). Und natürlich darf’s auch Herr Nehammer sein, aber muss er so unkritisch gelobt werden? Großzügig jedenfalls von der TT, das abzudrucken.
    Ein Wort des Lobes noch: Hat man auch nicht immer, dass eine Frage in der Überschrift dann so ausführlich und konkret beantwort wird.

    * Die Presse: Der österreichische Bundeskanzler, Karl Nehammer (ÖVP), hat sich gegen das geplante EU-weite Aus des Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2035 gestellt. Wie finden Sie das?
    Ferdinand Dudenhöffer: Ausgesprochen traurig und auch ausgesprochen schlecht. Österreich ist in der Automobilindustrie im Zulieferbereich gut unterwegs. Für die ist es nicht unbedingt ein Vorteil, dass man in Europa versucht, diese Dinge wieder aufzuweichen.

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