Print Friendly, PDF & Email

Alois Schöpf
Wenn Werbefritzen auf moralisch machen.
Essay

Der Grün-Politiker und Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer hat in Richtung Deutscher Bundesbahn die Frage gestellt, weshalb in ihren Werbungen so viele dunkelhäutige Personen abgebildet werden, wenn doch die meisten ihrer Fahrgäste durchschnittlich eher schwach pigmentierte Europäer sind. Diese und andere süffisante Bemerkungen in Richtung aufoktroyierter Multikulti-Ideologie haben ihm nicht nur ein Parteiausschlussverfahren, sondern auch einen Shitstorm wegen rassistischer Gesinnung eingetragen.

Da ich weder Bürgermeister noch Parteimitglied der Grünen bin und zudem die mit Anonymität operierenden sozialen Medien aus einer wahrscheinlich vollkommen antiquierten Einstellung heraus für Zeitverschwendung halte, möchte ich die Frage allgemeiner stellen: Was wollen Werbebotschaften, die auffällig von farbigen Models bevölkert werden und sich an ein europäisches Publikum wenden, selbigem mitteilen?

Als Beispiel sei nur an die vor kurzer Zeit an alle Haushalte versandten, aufwändigen Hochglanzprospekte des durch getrickste Abgasmessungen weltweit gegen milliardenschwere Schadenersatzklagen kämpfenden VW-Konzerns erinnert, bei denen von ca. 20 abgebildeten Personen etwa 12 nicht zum Phänotyp der derzeit Mitteleuropa besiedelnden Bevölkerung gehören, aufgrund sexualdramaturgisch unverzichtbarer Repräsentanz jedoch weißhäutige Europäerinnen in ihrer Ausformung als sogenannte Blondinen dennoch einen prominenten Platz einnehmen. Männer hingegen kaum! Schon gar nicht alte weiße!

Aktuell stellte sich die Frage erneut vergangenes Wochenende durch ein erstaunliches Zusammentreffen entsprechender Fotostrecken sowohl in des deutschen Bürgers wichtigstem Wochenblatt „Die Zeit“, als auch in der Tiroler Tageszeitung und in der Kronenzeitung im Rahmen einer ÖBB-Werbung, sowie am Titelblatt einer zeitgleich mitgelieferten Weinwerbung aus Niederösterreich.

Werbemenschen und Fotografen verfügen über ein hohes ästhetisches Empfinden, aus dem heraus es verständlich ist, wenn sie bei der Auswahl ihrer Models nicht nur aus aufnahmetechnischen und kontrastbedingten Gründen Farbige bevorzugen, sondern auch deshalb, – ich weiß nun wirklich nicht, ob dies eine rassistische Bemerkung ist – weil weiße Menschen mit ihren Leberflecken, Sommersprossen und Äderchen in der Regel nicht so grundschön sind wie farbige Menschen, was auch darin seinen Ausdruck findet, dass sich aus der alljährlichen Reise in den Süden zum Zwecke der Sonnenanbetung einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Gegenwart, der Tourismus, entwickelt hat. Wir Bleichgesichter wissen ganz genau, dass wir einen ästhetischen Quantensprung machen, wenn unsere winterlich ausgebleichten Körper eine braune Farbe annehmen!

Erstaunlich ist allerdings die Tatsache, dass es im Reigen der Weltbevölkerung ja sehr verschiedene farbige Völker gibt, deren körperlich ansprechende Einzelexemplare für Werbezwecke gut geeignet wären. Dies gilt für SüdamerikanerInnen, KubanerInnen, MexikanerInnen, IndianerInnen ebenso wie für InderInnen und insbesondere für die durch besondere Schönheit immer wieder auffallenden ThailänderInnen, ganz abgesehen davon, dass es erstaunlich ist, weshalb nicht Menschen aus Asien, der wohl derzeit wichtigste Markt im globalen Wettbewerb, ob es nun Han-ChinesInnen, VietnamesInnen oder die TibetanerInnen, Mongolinnen oder JakutierInnen sind, so selten, wenn es schon um Multikulti geht, für Werbeaufnahmen Verwendung finden. Die Auswahl der Models ist merklich auf jene Damen und Herren eingeschränkt, deren aus der Optik abgeleitete wahrscheinliche Volks- bzw. Nationenzugehörigkeit gerade im Zusammenhang mit Migrations- und Integrationsfragen immer wieder zu Debatten über kulturelle Kompatibilitäten führt.

Der Verdacht liegte also nahe, dass unsere Werbefritzen und ihre pfiffigen Auftraggeber uns belehren und ein schlechtes Gewissen einjagen wollen, indem sie amerikanische Sujets, in denen auf die skandalöse Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung dortselbst angespielt wird, gedankenlos kopieren, zumal bei allem Antiamerikanismus die USA immer noch das große Vorbild in Sachen Lifestyle sind. Aber auch der Hinweis auf die keineswegs rühmliche Vergangenheit des europäischen Kolonialismus dient bestens demselben Zweck, wobei selbiger besonders im Hinblick auf Österreichs Vergangenheit und die diesbezügliche Zurückhaltung der Habsburger reichlich deplatziert erscheint. Zuletzt soll jedoch vor allem auf Basis eines subkutan eingeimpften Schuldgefühls der überschießende Einsatz farbiger Schönheiten für die weiße Käuferschaft eine Progressivität und Weltläufigkeit signalisieren, die, wie es die intrinsische Aufgabe von Werbung ist, zuletzt auf das Produkt, den Wagen, die Eisenbahn oder eine Weinflasche übertragen wird.

Rassismus ist also nicht jenen zuzuschreiben, die allergisch auf moralische Verlogenheit, den Missbrauch der Geschichte und der Menschenrechte reagieren und dabei an die gegenüber den Weißen in vielen Teilen der Welt tatsächlich unterprivilegierten sogenannten „Farbigen“ denken oder die, wie im vorliegenden Text, die prostitutiven Beweggründe der Werbewirtschaft und ihrer Auftraggeber zu analysieren versuchen. Rassisten sind vielmehr jene, die Dunkelhäutige missbrauchen, um aus kommerziellen Gründen bei Hellhäutigen moralisches Kapital zu lukrieren.

Damit ist aber auch der Widerwille begründet, sich nicht von Leuten belehren lassen zu wollen, die, wie es jeden Abend während der Werbeeinschaltungen zu überprüfen ist, nicht nur sprichwörtlich ihre Großmutter, sondern auch ihre über die Jahre angehäuften, dafür jedoch mitnichten bestimmten Bildungsinhalte verraten und verkaufen, sofern es ihnen damit gelingt, an das in der Werbebranche immer noch in großen Mengen vorhandene Geld heranzukommen. Und die dieses Geld im Falle selbstverständlich dazu verwenden, um sich Häuser abseits aller Migrationsprobleme zu kaufen und ihre Kinder in Schulen zu schicken, die unterschichtbefreit klassenadäquate Mitschülerschaft garantieren.

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ralph Holtfeuer

    BRAVO!!! Ist mir auch seit längerer Zeit aufgefallen, dass immer mehr dunkelhäutige Menschen in der Reklame aufscheinen.

Schreibe einen Kommentar