Alois Schöpf
Hauben-Kultur für Tirol
Apropos

Die Empörung der Kulturbeiräte über die Frechheit des Landes, im Kulturbudget den großen Kulturdampfern wie Landestheater, Symphonieorchester oder Museen einen Inflationsausgleich zuzugestehen, den kleineren, von Ermessensausgaben abhängigen Initiativen hingegen nicht, wirft ein bezeichnendes Licht auf eine Kulturpolitik, die diesen Namen nicht verdient.

Die Kulturförderung ist in Tirol nämlich ein über Jahrzehnte wucherndes Chaos aus bildungsbürgerlicher Selbstbeauftragung, Distinktionsgier, sich über das gemeine Volk zu erheben, Freunderl- bzw. Freundinnenwirtschaft plus Gießkanne. 

Was immer zu den Segnungen öffentlicher Zuschüsse führt: die Frage nach Relevanz und Qualität spielt kaum eine Rolle. Dabei sollte sie doch die entscheidende spielen!

Die durch Gault Millau-Tester durchgeführten Besuche von Restaurants haben zu einem Aufblühen der Ess- und Trinkkultur in Österreich geführt. 

Wäre es daher nicht auch in der Kultur hoch an der Zeit, dem Gault Millau-Testverfahren vergleichbar, künstlerische Angebote durch anonyme, nicht im Lande tätige Fachleute bei mehreren Besuchen unter die Lupe zu nehmen und die Guten zu belohnen, damit sie besser werden, und den Schlechten nach Einräumung einer fairen Reformfrist im Falle das Steuergeld der Bürger zu entziehen.

Denn vor allem in der Kultur gilt: das Mittelmaß, das wenig bringt und dennoch viel kostet, ist am allerteuersten.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 09.12.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Ricci Bock

    Hauben- oder Tarnkappen-Kultur für Tirol?
    In der Tiroler Kulturförderungs-Landschaft geht es seit Menschengedenken vor allem mehr billig als recht, um nicht zu sagen, kriminell zu:
    Bei der Präsentation der damals neuen Kulturamtsleiterin der Stadt Innsbruck im Jänner 2014 im offiziellen Organ „Innsbruck Informiert“ wurde den Innsbrucker Bürgern und Steuerzahlern jedoch verschwiegen, dass Maria-Luise Mayr immerhin fast zehn Jahre lang ihr (Subventions-)Geld in hauptamtlicher Position im „Utopia“ verdient hat und somit für das bis heute unaufgeklärte Konkurs-Desaster anno 2000 mitverantwortlich war und ist.
    Für mich und die meisten anderen aus der damaligen Szene ist das „Utopia“ praktisch von heute auf morgen Pleite gegangen. Und auch deswegen gibt es heutzutage nicht einmal mehr einen eigenen Kulturlandesrat.

  2. Otto Bucher

    Lieber Herr Schöpf!
    Zugegeben, ich habe schon lange nicht mehr geschrieben, obwohl mir Ihre Unverblümtheit sehr oft Lesevergnügen bereitet, so wie auch dieses Mal. Anonyme, nicht im Lande tätige Fachleute für die Kulturförderung, welche Voraussetzungen müssten die denn haben?
    Sie müssten links orientiert sein, wissen, was als zeitgeistig korrekt gilt, in allen Bereichen Weibliches bevorzugen, Traditionelles ablehnen, keine Konventionen anerkennen, tabulos und schamlos sein, kurz: grenzenlos sein.
    Sollte das zu weit gehen, tauchen viele Fragen auf. Wer wählt die Fachleute aus? Halten wir vorsorglich die schützende Hand über Musikkapellen, Trachtler, Volkstänzer, Landestheater, etablierte Bühnen und Orchester und und und ?
    Ich besuche gerne alternative Bühnen und freu mich, dass es einige gibt. Ich vermisse auch Orte, an denen unsere Jungen ohne Konsumzwang abfeiern können . . .
    Aber bedeutet „fair pay“, dass alle, die sich berufen fühlen, Kunst zu performen (darstellende, bildende, aktionistische …), aus öffentlichen Töpfen dafür entlohnt werden müssen?
    Danke für Ihre Artikel.
    Mit freundlichen Grüßen!

  3. Reinhard Kocznar

    Aber Alois, hast du nicht ein Buch geschrieben, in dem das Mittelmaß als das erstrebenswerte Maß aller Dinge gilt?

    Zu Gault Millau empfehle ich, obwohl ich Empfehlungen sonst den Oberlehrern überlasse, ausnahmsweise Folgendes:
    In die Suppe gespuckt: Von Sternen, Hauben und anderen Geschäften, ISBN: ‎ 978-3902404367.

    Akribisch werden die Verbindungen von Gourmet-Führern zur Nahrungsmittelindustrie dargestellt, Aussteiger aus der Szene porträtiert, die mit Klagsdrohungen in Millionenhöhe unter Druck gesetzt wurden, und saftige Einblicke geboten, was in den Spitzenküchen wirklich vor sich geht.

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