Alois Schöpf
Ohne Rituale kein Leben
Apropos

Als Demokrat und überzeugt davon, dass niemand aufgrund seiner Geburt etwas Besseres ist, reibt man sich derzeit die Augen.

Da tritt Großbritannien unter fragwürdigen Vorzeichen aus der EU aus und die Königin verliert kein Sterbenswörtchen über so viel Populismus. Dafür wird jetzt anlässlich ihres Todes auch hierzulande getrauert, als wäre unser höchsteigener Kaiser gestorben. Und als habe es nie eine bürgerliche Revolution gegeben, im Zuge derer ein sehr oft parasitär vom Fleiß anderer Leute lebender Adel abgeschafft wurde.

Irgendwie scheint es mit dieser Abschaffung aber nicht funktioniert zu haben. Der Glaube der Aufklärung, der wir die Demokratie verdanken, für ein gutes Leben genüge die Vernunft allein, greift nämlich zu kurz.

Denn bei allem Respekt vor dieser Vernunft: Zum guten Leben braucht es offenbar auch die Schönheit, etwa von Schlössern und Gärten und Kleidern. Vor allem jedoch braucht es Feierlichkeiten, die uns kollektive Trauer und Freude ermöglichen.

In der Verblendung, eine Demokratie mit ihren vernünftigen Politikern und vernünftigen Gesetzen reiche aus, wurde auf diese emotionale Seite des Lebens vergessen.

Das hat zur Folge, dass wir alte Feiertage begehen, deren Sinn wir nicht mehr verstehen. Und mit dem Schicksal von Leuten mitfiebern, die als Königinnen und Könige bewundert werden, weil sie uns noch ein wenig von der Magie großer Rituale übrig gelassen haben.

Erschienen in die Tiroler Tageszeitung am 17. 09. 2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Ingelies Zimmermann

    Lieber Herr Schöpf, lieber Alois!
    Die Königin ist tot, es lebe der König!
    Es ist klar, dass man beim Tod einer Persönlichkeit, wie es die selige Elisabeth war, alles aufbietet, was man eben auftreiben kann. Ich habe mir einen Teil im Fernsehen angeschaut, nicht weil ich die Queen so verehrt habe, sondern weil es ein „Spektakel“ war, das es in dieser Größenordnung ziemlich sicher nicht mehr geben wird. Sollten wir erleben, dass ihr Nachfolger Charly stirbt, so wird es vermutlich nicht mehr diese „Leichenshow“ geben wie bei seiner Mami. Aber ich erinnere mich noch undeutlich an die Beisetzung von Zita, wo man damals auch alles aufgeboten hat, was möglich war. Auch die Tiroler waren dabei mit wehenden Fahnen , bunten Trachten und grimmigen Gesichtern. Aber die Zeiten glanzvoller Herrscher sind – gottlob – vorbei und was man heute noch zu sehen bekommt, ist eine schöne Show von vorgestern.
    Trotzdem, die Queen war ein e korrekte Person, hatte es nie leicht und war trotz der Tatsache, dass sie eigentlich nichts zu reden und zu bestimmen hatte, angesehen und respektiert. Dass muss erst wer einmal so zusammenbringen. Ich denke, der „Charly“ mag sich warm anziehen. Es wäre aber denkbar, dass er den „Hut“ drauf haut und sagt, „tut was ihr wollt, ich will meine Ruhe!“
    Wir werden draufkommen. Ab er wenn man das alles auf den Punkt bringt, so ist es die Inszenierung eines Theaterstückes von vorgestern.

  2. Webhofer Reinhold

    S.g. Hr Schöpf,
    ich muss Ihnen zustimmen. Man mag es gutheißen oder verdammen, mit Verstand allein funktioniert der Mensch eben nicht. Das mag politisch Korrekte oder Emanzipierer genauso wenig freuen wie intellektuelle Kreise oder Wissenschaftler. Diese Erkenntnis birgt natürlich auch die Gefahr in sich, Leuten auf den Leim zu gehen, die diese Klaviatur beherrschen. Emotionen wirken stärker als Gedanken.
    Und das passiert laufend.
    Da können wir Geschichtelehrer noch so viel aufklären und warnen, aus der Geschichte zu lernen. Es wird kaum funktionieren.

  3. Otto Riedling

    Ad 1: Mitglieder des britischen Königshauses sind nicht wahlberechtigt und äußern sich daher nicht
    zu politischen Ereignissen.
    Ad 2: Die Queen zeigt Ihre Haltung punkto EU in Ihrer Thronrede beim Verlesen des Austrittsschreiben am Beispiel Ihrer Outfits. (Bitte in den Archiven recherchieren!)

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