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Alois Schöpf
Die schrecklichen Hinterlassenschaften
des ÖVP-Dirndl-Feminismus
Am Beispiel Tiroler Festspiele Erl, Festwochen der Alten Musik,
Tiroler Landestheater
Analyse

Unter Dirndl-Feminismus wird im Folgenden die Marketingstrategie konservativer Parteien verstanden, aus ihrer Sicht unwichtige Jobs, etwa in der Kultur, mit Frauen zu besetzen, um damit emanzipatorische Modernität vorzutäuschen und im Schatten dieser Täuschung weiterhin an der Welt von Gestern festzuhalten.

Zusätzlich müssen im Falle der Österreichischen Volkspartei die einzelnen Bünde befriedigt werden, wozu sich erschwerend für Tirol die Verpflichtung gesellt, auch die einzelnen Landesteile in einer Regierung zu berücksichtigen. Wen wundert es daher, dass angesichts solch rigider Vorgaben und in Anbetracht der ohnehin extrem schmalen Personaldecke von Parteien die Hobbylyrikerin, Hobbyschauspielerin und in Folge die von 2008 bis 2022 karenzierte, aus dem Unterland stammende Schuldirektorin und Tochter des Volksmusik- und Volkstheaterpapstes Sepp Landmann Beate Palfrader zur Landesrätin für Kultur ernannt wurde.

Ihre konservative Herkunft aus einer rückwärtsgewandten, ruralen Amateurkultur garantierte Günther Platter und seinem auf dem Du-Wort basierenden Regierungsstil des Nichtregierens einen störungsfreien Hintergrundsound, über den auch wichtige kulturpolitische Entscheidungen hinwegzutäuschen hatten, indem sie im Dienste des oben definierten Dirndl-Feminismus getroffen wurden und so zum Niedergang der drei wichtigsten kulturellen Leuchtturmprojekte des Landes beitrugen.


Tiroler Festspiele Erl

Mit der Art und Weise, wie Gustav Kuhn aus Erl und aus seinem Lebenswerk im Einklang mit bigotten und skandalgeilen Medien aus Erl vertrieben wurde, habe ich mich bereits ausführlich beschäftigt, weshalb ich hier nur auf meine dementsprechenden Ausführungen verweise.

https://schoepfblog.at/gesamttext-alois-schopf-das-geraubte-lebenswerk/

Eine Folge dieser durch Anbiederung an die aus den USA importierte Me too Bewegung zur Schau gestellten Progressivität ist bis heute ein beliebiges, vor allem für die Musikpornogemeinde der Wagnerianer viel zu viel Wagnerianisches, mit dem subventionierenden Land Tirol in keiner Weise in Zusammenhang stehendes Festivalprogramm, das zwischen Salzburg, München, Bregenz und Verona weder unter dem Direktor der Frankfurter Oper Bernd Loebe ein unverwechselbares Profil ansetzen konnte und sehr wahrscheinlich auch unter dem Klassik-Marketing-Produkt Jonas Kaufmann nicht ansetzen wird. Seit Gustav Kuhns Beseitigung aus Erl sind die Festspiele ihrer kreativen Kraftquelle beraubt und bestenfalls noch ein Privatvergnügen des Benko-Investors Hans Peter Haselsteiner, auf dessen humanistischen Schönsprech neben den Worten unseres nicht minder schönsprechenden Staatskaunertalers anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Festspiele wir schon alle gespannt sein dürfen.

Politisch Hauptschuldige an dieser Entwicklung ist Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader. Sie wartete nicht, wie es ihr Amtseid eigentlich erfordert hätte, auf die Arbeit der Gerichte, umging den Rechtsstaat mit einer dubiosen Gleichbehandlungskommission und stellte sich nicht schützend vor Kuhn, um vom Kulturvolk, das Blut sehen wollte, zumindest Geduld einzufordern, bis die Justiz zu einem Urteil gelangt war, was im konkreten Fall nicht einmal zu einer Anklage führte. Stattdessen nützte sie die Hexenjagd gegen den Macho Kuhn, der als Alter Weißer Mann das ideale Hassobjekt abgab, weidlich aus, um sich und ihre Partei als besonders attraktiv in der Peepshow des Zeitgeists anzupreisen.


Festwochen der Alten Musik

Die Festwochen der Alten Musik wiederum, die in ihren Anfängen, als die sogenannte Alte Musik europaweit wiederentdeckt wurde, tatsächlich noch eine Vorreiterrolle eingenommen hatten und die in Folge von René Jacobs erfolgreich über die mediale Wahrnehmungsschwelle zumindest in Österreich, Deutschland, Belgien und Frankreich gehievt wurden, verloren ab Palfraders Amtsantritt im Jahre 2008 durch den Abgang des künstlerischen Leiters und seiner Geschäftsführerin Sarah Wilson umgehend an Bedeutung. 

Wie seither der Ehrgeiz insgesamt, über die Grenzen des Landes hinaus nicht nur als Sportland und Geburtsstätte einschichtiger Volksmusikanten und Gesangesbarden, sondern auch als Ort der Hochkultur wahrgenommen zu werden, abhanden gekommen zu sein scheint. Das Baden in der eigenen Kultursuppe reicht einer Elite, die keine Kultur hat. So reduzierte sich auch der dereinst internationale Anspruch der Festwochen, was etwa die Auswahl immer obskurerer Opernwerke betrifft, darauf, die Diskographie des in der Alten-Musik-Szene nicht gerade als bedeutend gehandelten künstlerischen Leiters Alessandro De Marchi aufzubessern. So wurde das Abgleiten der Festwochen in die Bedeutungslosigkeit sogar durch eine vom TVB Innsbruck beauftragte statistische Untersuchung bestätigt. Auf die Frage nämlich, wie viele ausländische Gäste durch die Festwochen zu einer Kulturreise nach Innsbruck veranlasst wurden, lautete die Antwort: Fast keine! Statt also frühzeitig die Reißleine zu ziehen und die grundsätzliche Frage zu stellen, wie das Profil eines Festivals beschaffen sein müsse, wenn die Alte Musik schon überall sonst zum fixen Bestandteil des Konzert- und Opernangebots aufgestiegen war, suchte man erneut das Heil in der Marketingstrategie des Dirndl-Feminismus.

So wurde die bisherige Geschäftsführerin Eva Maria Sens, deren Aufgabe unter anderem darin bestehen sollte, Strafzahlungen wegen nicht abgeführter Sozialabgaben zu verhindern, was die Festwochen schon einmal 200.000 Euro gekostet hat, zur künstlerischen Leiterin ernannt. Dabei hat die gebürtige Deutsche neben dem Management eines Kammerorchesters in der Schweiz und ihrer Geschäftsführertätigkeit in Innsbruck, durch die sie auch gleich mehrere katastrophal disponierte und programmierte Meisterkonzerte zu verantworten hat – eine berechtigte Kritik, die sie durch Verweigerung von Pressekarten an freie Journalisten zu verhindern versucht – , nicht die geringste Erfahrung als künstlerische Leiterin. Eine Hauptqualifikation der Ära Palfrader hat sie allerdings: Sie ist ein Wesen weiblichen Geschlechts.

Apropos Wesen weiblichen Geschlechts: Ohne den Damen der Kulturabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung und ihren Qualifikationen ungebührlich nahetreten zu wollen – zumindest von zweien kann ich bezeugen, dass sie sehr kompetent sind – , ist es dennoch befremdlich, wenn abgesehen vom unkündbaren Urgestein Hofrat Thomas Juen, der sich seiner Pension entgegen verwaltet, von 14 Mitarbeitern nur noch ein Mann übrig geblieben ist, wahrlich eine ziemlich schräge Repräsentation all jener, die sich in diesem hirnlosen Land kulturell abmühen.

Ergänzt muss dieser Dirndl-Feminismus noch durch die Feststellung werden, dass im Kulturbeirat für Literatur, in den Landeshauptmann Anton Mattle die Amateurlyrikerin Palfrader nach ihrem politischen Abgang berief, weil sie offenbar noch nicht genug Unheil angerichtet hat, von insgesamt 10 Beiräten nur noch 2 Wesen männlichen Geschlechts übrig geblieben sind.


Tiroler Landestheater

Womit wir beim aktuell schlimmsten, dirndl-feministischen Katastrophenszenario, das Frau Palfrader angerichtet hat, als sie vor der Bestellung der neuen Intendanz für das Tiroler Landestheater öffentlich äußerte, sie wünsche sich dafür ein Wesen weiblichen Geschlechts, angelangt sind. Irene Girkinger, die pflichtschuldigst Gefundene, übersiedelte vom Minitheater in Bozen mit einem Budget von 2,5 Millionen € nach Innsbruck in ein Dreispartenhaus, das allein aus öffentlichen Zuschüssen 30 Millionen € erhält, über 440 Mitarbeiter verfügt und in den letzten Jahren unter der Ära Fassbaender und Reitmaier / Nelle besonders durch seine Opernproduktionen überregional auffiel.

Girkingers Einstandsentscheidung bestand darin, dem stets vor ausverkauftem Haus spielenden Ballettchef und Publikumsliebling Enrique Gasa Valga den Vertrag nicht zu verlängern. Dem folgte der Aufbau eines überdimensionierten Leitungsteams, das, getreu dem Dirndl-Feminismus, der ihr zu ihrem Karrieresprung verholfen hatte, aus 10 Personen weiblichen und vier Personen männlichen Wesens besteht, wobei sich davon bereits 2 Damen verabschiedet haben bzw. verabschiedet wurden, unter anderem zwei Wochen vor Saisonende die Geschäftsführerin des Orchesters, das weiterhin über keine langfristig präsente künstlerische Leitung verfügt, da es offenbar nicht gelungen ist, einen geeigneten weiblichen Chefdirigenten zu finden. Dafür jedoch wird, wie übrigens auch in den Ankündigungen der Festwochen der Alten Musik, umso fleißiger mit Sternchen gegendert.

Die Realitäten nach einem Jahr Girkinger sind katastrophal. Aufgrund mehrerer vollkommen missglückter, modernistischer und dummdreist belehrender Inszenierungen wurden Hunderte von Abonnements gekündigt. Der Kartenverkauf reduzierte sich von 180.000 auf 140.000, wobei bedacht werden muss, dass das vor allem in Sachen Musiktheater sehr erfahrene und gebildete Innsbrucker Publikum der neuen Intendanz durchaus eine Chance eingeräumt hätte und die ersten Inszenierungen mit Neugier und Offenheit verfolgte.

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Eine besondere Kühnheit der neuen Intendanz ist es, 40 Abende im großen Haus schlicht und einfach zu streichen, wobei die dann stets wunderbaren Auslastungszahlen naturgemäß immer nur nach jenen Abenden berechnet werden, an denen gespielt wird. Man kann sich vorstellen, was in einer Fabrik geschehen würde, deren Management vollmundig von hoher Auslastung spricht, ohne hinzuzufügen, dass nur an drei Tagen der Woche produziert wird. Immerhin scheint die Katastrophenbilanz des ersten Jahres zu den Verantwortlichen des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck vorgedrungen zu sein. Außer mahnenden Worten, die Frau Girkinger zugleich mit der Bemerkung ergänzte, an ihrer Grundeinstellung zum Theater werde sich nichts ändern, passierte jedoch nichts.


Dabei dürfte eigentlich nur Folgendes passieren:

1. Der mit zahllosen Ämtern ohnehin überforderte Landeshauptmann übergibt die Kulturagenden an einen eigenen Kulturreferenten, der endlich etwas von Kulturmanagement versteht und auch die Zeit hat, sich mit den Problemen der Tiroler Kulturpolitik auseinanderzusetzen.

2. Dieser Mann oder diese Frau hätte die Aufgabe, sich umgehend mit dem neuen Intendanten der Tiroler Festspiele Erl Jonas Kaufmann und dem Hauptsponsor der Festspiele Hans-Peter Haselsteiner zusammenzusetzen, um eine langfristige, mit dem Land Tirol in Zusammenhang stehende Positionierung der Tiroler Festspiele inmitten der Festspielstädte Salzburg, München, Bregenz und Verona zu entwickeln.

3. Die neue künstlerische Leiterin der Festwochen der Alten Musik kehrt wieder in ihre Position als Geschäftsführerin zurück, eine neue künstlerische Leitung auf dem internationalen Bedeutungsniveau eines René Jacobs wird gesucht und gemeinsam mit ihr eine neue Positionierung der Festwochen entwickelt und ab der Saison 2025 umgesetzt.

4. Die Intendanz Girkinger wird mit der kommenden Saison 2024/25 beendet. Mit einer neuen, professionellen Theaterleitung, die eine klare Distanz zum sogenannten Regietheater vertritt, wird zeitnah der Spielplan für 2025/26 entwickelt.


PS:

Nun hat sich laut Tiroler Tageszeitung vom 02. Juli auch noch der abgewählte Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi, der neben Palfrader für die Bestellung Girkingers verantwortlich ist, zu Wort gemeldet, das hohe Qualitätsbewusstsein der Dame gelobt und für sie eine dreijährige Lernphase gefordert.

Das ist die Meinung eines Politikers, der nicht in der Lage war, die Stadt zur Zufriedenheit ihrer Bürger zu regieren und der im Übrigen für die Kultur eine Parteifreundin berief, die um eine Viertelmillion Euro ein Büro beauftragen musste, um herauszufinden, was sie eigentlich tun sollte. Und es ist die Meinung eines privilegierten Berufspolitikers, der offenbar noch nie im Leben sein Geld in der realen Wirtschaft verdienen musste, sonst käme er nicht auf die obszöne Idee, einer Intendanz 90 Millionen aus Steuergeldern nur zum Lernen zur Verfügung zu stellen. Das sind nämlich die Subventionen von drei Jahren.

Wir sind hier nicht beim Laienchor, lieber Georg! Wer in Innsbruck Intendantin werden möchte, muss vom ersten Tag an wissen, was er will, was er wollen kann und was er im Dienste eines gebildeten Publikums zu wollen hat

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Engel Hildegard

    1oo% zu unterstreichen.

  2. Das Problem dürfte weniger die ÖVP sein, denn Frau Girkinger ist zweifellos eine grüne Einfäll:in. Eine mutmaßliche Kultur, die ohne Subventionen nicht einmal auf die Bühne kommt, ist ohnehin nicht der Rede wert.
    Ich habe mich zu Beginn der Musical-Welle schon gefragt, wie ist es möglich, dass Musicals, die am Broadway Millionen einspielen, hierzulande Millionen an Subventionen brauchen, um auf die Bühne zu kommen.
    Wenn diejenigen, welche die leersten Häuser liefern, das meiste Geld bekommen, dann ist das eine der Erscheinungsformen von Eurosklerose.

  3. Otto Riedling

    S.g. Hr. Schöpf!
    Die Kritik an Fr. Girkinger verstehe ich nicht. Waren Sie es doch selbst, der meinte, dass endlich
    wieder – nach Mentha (Schweizer) sowie Fassbaender und Reitmeir (Deutsche) – eine Person
    mit österreichischem Pass bzw. Geburtsort an die Spitze des TLT berufen wurde.
    Was den „Abschuss“ von Gasa Valga betrifft, so ist es- nicht nur in der Kuturszene – halt so
    dass Führungskräfte Ihre Mitarbeiter selbst aussuchen.
    Was die Subventionen bzw. kassenstand betrifft, so wird sich die Dame bemühen müssen,
    hier zu „liefern“.

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