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Alois Schöpf
Das neue Jahr kann nur gut ausfallen!
Beschwingte Grüße aus zwei Welten,
überbracht vom
Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck lud auch heuer wieder in den Saal Tirol des Congress Innsbruck zu seinem Neujahrskonzert ein. Es stand diesmal unter dem Motto Glamour, Glanz und Gloria und verband klug in der Sprache der Musik zwei auch heute noch dominierende Lebenswelten: den American Way of Life mit seinen großartigen Songs und Musicals, aber auch die von der untergegangenen Donaumonarchie immer noch stark dominierte traditionelle österreichische Identität.

 
 

Zwei Welten

Dass zwischen beiden Welten subtile, jedoch starke Verbindungen bestehen, ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass viele der Komponisten, oftmals jüdischer Herkunft, entweder schon früh aus Europa in die USA auswanderten oder sich als Flüchtlinge vor dem Naziregime in die USA retten mussten. Ein nicht minder bedeutendes Element der Verbindung ist auch der oftmals bravourös gelungene Versuch, den aus afroamerikanischen Wurzeln entstammenden Jazz mit den gleichsam architektonischen Vorgaben der europäischen Konzert- und Opernliteratur zu verbinden.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck lud zum traditionellen Neujahrskonzert. Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck lud zum traditionellen Neujahrskonzert.

So war George Gershwin, der neben Leonard Bernstein im Sinne des europäischen Klassikkanons bedeutendste Komponist der Vereinigten Staaten, Schüler bei Nadja Boulanger in Paris, der wohl wichtigsten Kompositionslehrerin des alten Kontinents. Seine von jazzigen Rhythmen nur so flirrende Cuban Overture repräsentierte in gleicher Weise wie die Ouvertüre zu Leonard Bernsteins Oper Candide die ideale Zusammenführung großartiger Musik aus zwei Lebenswelten.

Ähnliches gilt auch für die zahlreichen, teilweise weltbekannten Songs aus den Federn Georg Gershwins, Rodgers &Hammerstein, John Barry, Irving Berlin, aber auch heimischer emigrierter und dann wieder zurückgekehrter Größen wie Robert Stolz oder Ralph Benatzky.

Darüber hinaus wurde unsere österreichische Musikkultur durch drei Werke von Johann Strauß, die Walzer Accelerationen, An der schönen blauen Donau und zuletzt durch den offenbar unvermeidlichen Radetzky-Marsch vertreten.

Orchester, Dirigent und Sänger

Alle diese Stücke wurden vom derzeit in Höchstform agierenden Tiroler Symphonieorchester Tirol unter der Leitung des international tätigen Gerrit Prießnitz professionell in Szene gesetzt. 

Interessant dabei war vor allem, dass die Produktionen amerikanischer Provenienz, vor allem die Songs, die man sehr oft nur mit dürftigen Orchestern, selten live und oft in mangelhafter MP3-Qualität zu hören bekommt, im voluminösen Orchesterklang ihre großen Qualitäten entfalten konnten. 

Mit Pauken und Trompeten: die Bläser des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Mit Pauken und Trompeten: die Bläser des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Ins Gegenteil verkehrte sich diese Beobachtung allerdings, wenn es um die Walzer von Johann Strauß ging, deren Klang man vom Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das noch vor wenigen Stunden übertragen worden war, im Ohr hatte. Hier machten sich doch einige Schlampereien und vor allem der im Verhältnis zu den Wiener Philharmonikern wesentlich weniger homogene Orchesterklang bemerkbar.

Dominiert wurde der gesamte Abend jedoch von einer Sängerin, der wirklich großartigen Maya Hakvoort, die nicht nur über eine unglaubliche Bühnenpräsenz verfügt, blendend ausschaut (Darf man solches heute überhaupt noch feststellen?), sängerisch auf höchstem Niveau agiert und im Übrigen mit dem Mikrofon ganz im Dienste ihrer Kunst umzugehen versteht. 

 Erwin Belakowitsch als witziger Allrounder in Aktion
Erwin Belakowitsch als witziger Allrounder in Aktion

In diesem Punkt beeinträchtigte der neben ihr wacker um männliche Emanzipation kämpfende Erwin Belakowitsch seine tadellose Leistung, da, durch die Technik bedingt, die Fortestellen seiner Songs schlicht und einfach zu laut und zu blechern ausfielen. Wobei sich überhaupt die Frage stellt, ob die doch sehr stark an klassischen Arien orientierten Songs von Stolz und Benatzky den Einsatz eines Mikrofons vertragen?

Moderation

Die neue Intendantin des Tiroler Landestheaters, sicherlich arbeitsmäßig überlastet, versuchte es sich mit der Moderation leicht zu machen, indem sie zwischen Dirigent, Sängern und ihr selbst gesprächsweise etwas über das Programm und die Stücke zu erzählen versuchte. 

Leider ist es im Medienzeitalter auch bei Moderationen längst so, dass sie gelernt werden müssen wie ein Instrument, und der Versuch, mit so genannter Spontaneität über die Runden zu kommen, lediglich in peinlichen Aussagen wie jener des Dirigenten endet, dass er ein Stück deswegen ausgewählt hat, weil er es schon seit seiner Jugend auswählen wollte. In diesem Sinne senkte das triviale, teilweise sogar ärgerlich gutmenschliche Geschwätz zwischen den Stücken genau jene Spannung, die eine an sich kluge Dramaturgie hätte aufbauen sollen. Ein Schuss ins Knie!

Weitere Ärgerlichkeiten

Bleibt also vor dem durchaus positiven Resümee pflichtschuldigst noch über drei weitere Ärgerlichkeiten zu berichten:

1. Wer nicht klug genug war, bereits vor dem Konzert seine Getränke zu bestellen, hatte entweder die Wahl, während der gesamten Pause anzustehen und das Bestellte dann rasch hinunterzustürzen oder überhaupt auf den in früheren Zeiten vom Landestheater kostenlos zur Verfügung gestellten Silvestertrunk zu verzichten. Die Gastronomie war nämlich heillos überfordert!

Dirigent Gerrit Prießnitz überreicht dem Star des Abends, Maya Hakvoort, einen Blumenstrauß.
Dirigent Gerrit Prießnitz überreicht dem Star des Abends, Maya Hakvoort, einen Blumenstrauß.

2. Gemeinhin dürfte ein Landestheater auch in einem so rückwärtsgewandten Land wie Tirol als eine Einrichtung der europäischen Aufklärung zu betrachten sein. Die Fortsetzung der dummdämlichen Tiroler Tradition durch die neue Intendantin, vor dem Konzert die hohe Geistlichkeit, also, mit Verlaub, die Herren der geistigen Finsternis zu begrüßen, kann nur als peinliche Anbiederung eingestuft werden.

3. Ein Publikum, das sich für gebildet hält, aber nicht ist, beweist diesen Tatbestand am besten dadurch, dass es zwischen einer respektablen und einer außerordentlichen Leistung nicht zu unterscheiden vermag und sich in einer Art Selbstfeier der immer schlimmer um sich greifenden Unsitte der Standing Ovations hingibt. Ihr wurde auch beim Neujahrskonzert brav Folge geleistet.

Resümee: Eine solch provinzielle Reaktion haben sich weder das Orchester, noch der Dirigent, noch der Sänger und schon gar nicht die Sängerin verdient.

Fotonachweis: (c) Chó/wefeel.art

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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