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Thomas Nußbaumer:
Böhmen liegt am Meer.
Das 3. Symphoniekonzert des
Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Musik mit böhmischen Bezügen von Antonín Dvořák und Bohuslav Martinů sowie Mozarts Linzer Symphonie stand im Fokus des in sich sehr stimmigen 3. Symphoniekonzerts des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Auch die Wahl der Gäste – Dirigent Tomáš Netopil und der großartige Geiger Josef Špaček aus Tschechien – wurde dem Motto des Abends gerecht: Böhmen liegt am Meer.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Josef Špaček © Chó/wefeel.art Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Tomáš Netopil © Chó/wefeel.art

Gemeint ist wohl ein Meer aus Klängen und Klangfarben, und Böhmen, im 19. Jahrhundert eine Hochburg der Musik, des Instrumentenbaues und Heimatland der tschechischen Romantik, liegt bildlich betrachtet an einem Musik-Ufer. 

Sowohl Dvořáks Tschechische Suite (op. 39), mit dem das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck den Reigen eröffnete, als auch der Leitgedanke des Konzertabends erinnern an Szenen aus Smetanas sinfonischer Dichtung Die Moldau, die hier ebenfalls gut ins Programm gepasst hätte, zumal dieser längste Fluss Tschechiens auch Böhmisches Meer genannt wird. 

Josef Špaček und die Streichergruppe des TSOI © Chó/wefeel.artTomáš Netopil und die Streichergruppe des TSOI © Chó/wefeel.art

Der Geist des Nymphenreigens, der Waldjagd und vor allem der Bauernhochzeit, den man aus Smetanas Moldau kennt, durchweht auch Dvořáks fünfsätziges Werk. Es wirkt, als würde eine Moldau-Schiffsreise an einem tschechischen Dorffest verweilen, wo zum Klang der Bordmusik leidenschaftlich Polka, Sousedská und am Ende der Furiant – allesamt Volkstänze aus tschechischer Tradition – getanzt wird.

Das Orchester unter der präzisen Leitung des Gastdirigenten Tomáš Netopil, des designierten Chefdirigenten des Prager Symphonieorchesters, fühlt sich an den Gestaden des Böhmischen Meeres und seiner Seitenzweige sichtlich wohl und taucht ein in raunende, rauschende, im Sonnenlicht glitzernde Gewässer, die sich zu einem Strom verdichten und romantische Ideen von Idylle, Pastorale, Volksseele und Natur bündeln.

Josef Špaček, der designierte Chefdirigent der Prager Symphonieorchesters © Chó/wefeel.artTomáš Netopil, der designierte Chefdirigent der Prager Symphonieorchesters © Chó/wefeel.art

Nach diesem hervorragenden Auftakt dann ein selten zu hörendes, faszinierendes Werk, das in seiner Klanglichkeit an die böhmische Romantik erinnert: Bohuslav Martinůs Rhapsody-Concerto für Viola und Orchester (H337) aus dem Jahr 1952. 

Mehrere Elemente ragen in einprägsamer Wirkung heraus: die Originalität und Herbheit des Hauptthemas im ersten Satz, die Vielfalt der Instrumentierung und Klangmischungen und der rhapsodische, durch Tempokontraste, kühne Wendungen und kadenzartige Einlagen der solistischen Viola gekennzeichnete Charakter dieses zweisätzigen Werks. 

Tomáš Netopil an der Viola © Chó/wefeel.art Josef Špaček an der Viola © Chó/wefeel.art

Mit Josef Špaček wurde ein junger Solist engagiert, der zu den besten Geigern seiner Generation zählt. Sein Spiel ist von der ersten Sekunde an packend, konzentriert und äußerst elegant. Organisch aufstrebende Kantilenen wechseln mit dichten, doppelgriffigen Passagen, die Špaček mit der ihm eigenen Musikalität virtuos meistert.

Das Orchester erwies sich als ein kongenialer Partner und folgte genussvoll und konzentriert dem Solisten auf seinen verwegenen Pfaden. Als Zugabe gab dieser sodann einen Satz aus Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo zum Besten, wofür er sich kurzerhand die Violine des Konzertmeisters ausborgte.

Der Konzertmeister Martin Yavryan gratuliert Tomáš Netopil © Chó/wefeel.art Der Konzertmeister Martin Yavryan gratuliert Josef Špaček © Chó/wefeel.art

Der Abend klang mit Mozarts Sinfonie in C-Dur KV 425, genannt Linzer, aus: einem in den Ecksätzen schwungvollen Werk von 1783, das Mozart innerhalb von drei Tagen für ein Akademiekonzert in Linz komponierte. Höchst erfinderisch schöpfte er unter Zeitdruck aus seinem reichhaltigen Schatz aus Formen, Modellen, Floskeln, Verzierungen und anderen musikalischen Grundmustern und fand auch noch Zeit, ein bisschen was Neues auszuprobieren, zum Beispiel das Zusammenspiel von Pauke und C-Trompeten. 

Unter Netopils umsichtiger Leitung präsentierte sich auch hier das Orchester sehr überzeugend, einerseits durch Transparenz und Präzision, andererseits durch Gestaltungskraft in den zahlreichen, nahezu kammermusikalischen Dialogen.

Das Konzert wird noch heute, Freitag, 19. Jänner, im Congress Innsbruck, Saal Tirol, wiederholt.

 

 
 

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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