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Alois Schöpf
Alles Arschlöcher!
(Edmund Sackbauer alias Mundl)
Über den Hass im Netz und seine Verursacher
Essay

Das journalistische Wolfs-Rudel unseres staatlichen Rundfunks hat wieder einen Gummiknochen gefunden, an dem es seine moralistische Beflissenheit unter Beweis stellen kann. Hass im Netz! Schrecklich! Das muss aufhören! Da müssen Gesetze und eine eigene Staatsanwaltschaft her!

Mit den gelockerten Gesichtszügen der Frömmler vom Flussufer des Heils predigen die Wolfs, Pötzelsbergers und Leitners wieder einmal auf uns ein. Und brav plappert die NEOS-Obfrau beim Sommerinterview nach, wie zutiefst und persönlich betroffen sie vom Suizid der Oberösterreichischen Ärztin ist, die von Wutbürgern und Nazis in den Tod getrieben wurde.

Meint Meinl-Reisinger wirklich ernst, was sie da sagt? Wer glaubt noch Politikern, die sich zu Marketingmaschinen heruntergewirtschaftet haben und mit ihren immer gleichen Stehsätzen versuchen, sich beim Volk, von dessen angeblichem Hass sie sich empört distanzieren, beliebt zu machen.

Der Versuch ist in letzter Zeit immer öfter gescheitert. Das Einverständnis in der Bevölkerung, wenn etwa in der Pause zwischen den zwei Akten eines blödsinnigen Musicals über einen argentinischen Diktator und seine charismatische Gattin, die Rede auf die heimischen Politiker kommt, ist tief und flächendeckend: Politiker sind korrupt und deppert. Siehe Titel! Und sie haben alles schlecht gemacht! Vor allen diese Schwarzen bzw. Türkisen mit ihrem Kurz, dieser hohlen Nuss, dem Blender. Sogar der gescheite Kollege Schönauer verliert da die Contenance und verpasst allen, die nicht brav mitschimpfen, ein um drei Monate kürzeres Leben.

Aber auch eine Rendi-Wagner, diese peinliche Musterschülerin mit ihrer Schlaftablette Leichtfried und dem versoffenen Kai Jan Krainer, findet keine Gnade. Wie kann man nur Kai Jan heißen? Und erst Kickl, der ist überhaupt eine Comic-Figur in brauner Suppe. Wer das nicht gleich sieht, dem ist nicht zu helfen. Immerhin bleibt Werner Kogler, ein g´standener Kerl, leider wird er immer fetter und seine Gewessler ist eine gefährliche Träumerin, die man aus dem Verkehr ziehen sollte, bevor sie uns das Autofahren verbietet.

Das Image der Politik ist verheerend und die Rede über unsere Volksvertreter oft nur noch menschenverachtend. Womit wir wieder beim Gummiknochen von zu Beginn angelangt wären. Wenn es nämlich unseren hochmögenden Staatsjournalisten wirklich um die Moral ginge und wenn sie wirklich gute Journalisten wären, was sie trotz aller Preise, die sie sich gegenseitig umhängen, nicht sind, müsste die Frage zuallererst lauten: Woher kommt dieser Hass?

Und nicht minder rasch müsste auf die Frage die Feststellung folgen, dass der durchschnittliche, bekanntlich beim Atmen schimpfende Österreicher nicht mit jenen gleichzusetzen ist und auch nicht die milde Variante jener ist, die in krimineller Weise etwa gegenüber der oberösterreichischen Ärztin Drohungen ausgestoßen und sich damit eindeutig strafbar gemacht haben.

Das Gros der Mundls in unserem schönen Heimatland ist nämlich samt ihren Gattinnen, Kindern und Freunden und Freundinnen, wie eben auch der Mundl im Fernsehen, dann doch, wenn man den Ton wechselt und auf wirklich ernst umschaltet, erstaunlich humanistisch und empathisch gesinnt. Wie sonst wären die gigantischen Summen zu erklären, die der ORF mit der verlogensten Charity-Sendung des Jahres „Nachbar in Not“ alljährlich vor Weihnachten aus den Leuten herauspresst.

Auch Letzteres ist nur ein Hinweis darauf, dass der Hass im Netz nicht ein kollektiver Gen-Defekt, sondern vor allem eine Unsitte ist, die sich sozial entwickelt hat, in gleicher Weise, in der auch unsere Politikerinnen und Politiker dann, wenn man ihnen wertschätzend genug gegenübertritt, meist gescheit und kompetent und nur sehr selten überfordert und korrupt sind, wohingegen sie, wenn sie übereinander herfallen, als unerwünschte Nebenwirkung die Unfähigkeit nicht nur der Konkurrenz, sondern der gesamten politischen Elite, also auch ihrer selbst beschwören.

Wenn der Hass im Netz sich jedoch in den meisten Fällen als Unsitte denn als die Bereitschaft zu verbrecherischen Handlungen erweist, ist zu fragen, wo bei unseren hochmögenden, verbissen um die Quote und damit um ihre Position und damit verbissen um ihr Geld und ihre Berühmtheit kämpfenden TV-Staatsmoderatoren und ebenso bei ihren Gästen, diesen geradezu manisch um die Wählerschaft buhlenden Herrschern und Herrscherinnen, eigentlich die für ihre Tätigkeit unabdingbare Fähigkeit zur Selbstkritik geblieben ist?

Denn in erster Linie sind sie es selbst, die für den Hass im Netz verantwortlich zeichnen, ihn gezüchtet und ihn den Leuten vorgemacht haben.

Basis der Unsitte des gegenseitigen Heruntermachens ist dabei im Bereich der Medien die Überzeugung, der österreichische Journalist sei Nachfahre eines Karl Kraus und dazu ausersehen, durch das Aufdecken von Widersprüchen zwischen dem, was gestern gesagt wurde, und dem, was heute gesagt wird, durch den Nachweis falsch verwendeter Worte und unbehilflicher Argumentationen, durch das Überwachen von Sauberkeit in Sprache und Grammatik für Sauberkeit in der Republik und bei ihren Repräsentanten zu sorgen.

Vor dem Hintergrund dieser arroganten täglichen Selbstüberhebung, die im Übrigen auf eine nur sehr oberflächliche Kenntnis des insgesamt doch auch fragwürdigen Lebens und Werks eines Karl Kraus aufbaut, verwandeln sich Studiogäste von honorigen Leuten, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurden, in Delinquenten und mit den Mitteln geistiger Folterwerkzeuge zu gequälten Opfern einer säkularen Inquisition, die zum Gaudium des Publikums bei lebendigem Leib dem hohen Gericht der politischen Korrektheit vorgeführt werden, ein Schauspiel, das die in jedem Menschen schlummernden miesesten Instinkte der Schadenfreude, des Voyeurismus und des Neids zum allabendlichen Leben erweckt.

Dass das Mitleid mit den Opfern, den Politikern, sich zu Recht im Rahmen halten darf, hängt logischerweise damit zusammen, dass diese, wenn es etwa um die jeweiligen Untersuchungsausschüsse im Parlament geht, mit ihren politischen Gegnern selbst ebenso menschenverachtend, niveaulos und nur auf die marketingwirksame Zerstörung der Integrität und Würde abzielend verfahren und es mit ihrer rhetorischen Begabung dem gemeinen Volk zeigen, wie man mit dem Rammbock seinen Mitmenschen ins Gesicht fährt.

Somit würde sich im Kampf gegen den Hass im Netz im Grunde eine Therapie anbieten, die sich vorerst auf zwei einfache Maßnahmen beschränken könnte.

Zum einen auf die Verpflichtung von Medien und Politik, in ihrem Geschäft niemals die Würde und Integrität allfälliger Gesprächspartner aus den Augen zu verlieren, was mitnichten bedeuten muss, dass wir damit in einem obrigkeitsgesteuerten Journalismus und in einer verlogenen politischen Debatte enden würden. Man kann harte Fragen und harte Argumente auch vorbringen, ohne dabei seine Adressaten zu disqualifizieren und zu denunzieren.

Die zweite höchst wirksame Maßnahme gegen den Hass im Netz bestünde in einer längst fälligen gesetzlichen Bestimmung, die den alleranständigsten unserer Medien mit ihren zwar kontrollierten, jedoch immer noch elenden Postings allerdings wenig behagen würde: ein striktes Verbot, sich ohne Klarnamen öffentlich zu äußern.

Bei schoepfblog war dies von allem Anfang an eine Selbstverständlichkeit, welche die Breitenwirksamkeit des Projekts zweifelsfrei erschwerte, zuletzt aber doch langsam zu dem geführt hat, was anzustreben wäre: eine zwar kompromisslose, aber zivilisierte Debatte.


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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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