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Alois Schöpf
Achtung Rechtsstaat!
Apropos

Unlängst waren sie auf einer Zeitungsseite vereint: Kevin Spacey, der sogar aus Filmen herausgeschnitten wurde, ehe er ein Gericht von innen sah. Anschuldigung: Sexuelle Übergriffe! Freigesprochen. 

Und Heinz Christian Strache, ehemals Vizekanzler, inzwischen, auch aufgrund von Anwaltskosten, ein ruinierter Mann. Anschuldigung: Korruption. Bislang freigesprochen.

Die Namensliste von Persönlichkeiten, die Opfer von Vorverurteilungen wurden, ist lang. Um nur noch zwei zu nennen: Der Vorarlberger Landeshauptmann Wallner, der auch deshalb in ein Burnout schlitterte. Oder Gustav Kuhn, dem ohne Anklage sein Lebenswerk in Erl entrissen wurde.

Ich weiß: Nicht wenige Zeitgenossen bekommen einen dicken Hals, wenn sie jetzt den Namen Sebastian Kurz lesen müssen, der in Sachen Vorverurteilung aktuell auf der Tagesordnung ganz oben steht.

Dennoch: Was auch immer man über den Herrn, der aus mir unerfindlichen Gründen von vielen geradezu bestialisch gehasst wird, denken mag: Die satte Zufriedenheit bzw. das Triumphgeheul über die Tatsache, dass er nunmehr angeklagt wird, zeigt in deprimierender Weise, dass aus den Ungerechtigkeiten der Vergangenheit nichts gelernt wurde.

Daher zur Erinnerung: In einem Rechtsstaat ist jemand erst dann schuldig, wenn er von einem Gericht als schuldig erkannt wurde. Bis dahin hat er als unschuldig zu gelten und sollte nicht ruiniert werden. Auch nicht vom Staat.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 26.08.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Erich Zellberger

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    dass Vorverurteilungen den Beschuldigten nicht gut tun, steht außer Frage. Wie man sie im Rahmen der ((a)sozialen) Mediendynamik verhindern kann, ist wohl eher schwieriger zu beantworten (ist ja quer durch alle politischen Lager/Medienhäuser da, dieses Vorverurteilen; siehe ‚Klimakleber‘ und Co).
    Nachdem Sie mich aber wohl zur Fraktion ‚dicker Hals in bezug auf S. Kurz‘ zählen, meine Gegenfrage: wie kann ein halbwegs anständiger Konservativ(Liberaler) irgendetwas an Kurz gut finden (abgesehen von ‚er brachte ‚uns‘ wieder den Kanzler und hat es den anderen schön reingewürgt)?
    – sein Aufstieg – Projekt Ballhausplatz – (vielleicht mit Steuergeldern mitfinanziert): wählt mich, weil die GroKo funktioniert nicht mehr (weil ich und mein Team sie sabotiere (soll ich Bundesland aufhetzen?)). Die Mafia hat ähnliches Geschäftsmodell, zündet Häuser an und verlangt dann von den anderen Schutzgeld
    – seine Politik: wo sind die tollen Projekte, die Österreich (oder zumindest seine WählerInnen) vorangebracht haben? Bei Bildung? Bei Energie? Bei Entbürokratisierung? Es war Politik für Großspender (Hure der Reichen), sonst weit und breit keinerlei Gestalten, nur der Optik hinterherhecheln. (Ach so, ja, rumänischen Pflegerinnen wurde das Kindergeld nach unten angepasst. Welch Gewinn für die Gesellschaft)
    – sein Getue: es gab da diese Nach-Lockdown-Fahrt ins Kleinwalsertal, wo es plötzlich nicht weit her war mit dem viralen Abstand. Symptomatisch für die Persönlichkeit S. Kurz: kein einziges Wort, dass auch er möglicherweise an dem Trubel Schuld war und dafür Verantwortung übernimmt. Stattdessen Abputzen, Abstreiten, Jammern. Dieser Mensch hat noch nie die Größe besessen, irgendeinen Fehler einzuräumen. Weil man Rollen – Held, Heiliger, Retter des Abendlandes – nur dann gut spielen kann, wenn man selbst dran glaubt.
    – sein Danach: wer mit Peter Thiel und Viktor Orban auf Tuchfühlung geht, dem liegt nichts an Demokratie, Freiheit, dem guten Leben für die, die um 7 Uhr arbeiten gehen.
    Jetzt gibt es aus vielen persönlichen Gründen kaum ein Szenario, in dem ich ÖVP wählen kann, egal wer an deren Spitze steht. Als Demokrat kann ich aber nachvollziehen, dass es eine funktionierende, integere Mitte-rechts-Partei braucht (wobei auch hier die Varianten von Gestaltungswille zu Beharrungsborstigkeit reicht). Und dass die Linke auf dem Feld ‚Schlagwort Zuwanderung‘ zu meinem großen Entsetzen keinen Fuß auf den Boden bekommt (in Dänemark vielleicht), lässt mich in Sachen Wahlentscheidungen oft ratlos und einsam zurück. (Dass Kurz außer Populismus keine mittel- und langfristigen Lösungsvorschläge gebracht hat, lassen wir mal außen vor.)
    Trotzdem wird für mich immer unerfindlich bleiben, wie man als reflektierter Bürgerlicher etwas für S. Kurz übrig haben konnte und kann.
    So, und nun ist mir wohler.
    Ich freue mich jeden Samstag auf Ihre Gedanken, in dem Sinne: danke und weiter so.

    1. Robert Muskat

      Ich muss mich diesem Beitrag zu 150% anschließen! Sie sprechen mir aus Herz, Hirn und Seele, man könnte es nicht besser formulieren. Absolute Hochachtung

  2. Robert Muskat

    Ich muss aufgrund der aktuellen Situation noch etwas Senf abgeben:
    Schön langsam zweifle ich an der Unabhängigkeit der Justiz, umso mehr, wenn man sich die aktuelle Situation in Sachen Bundesverwaltungsgericht anschaut: nicht die qualifizierte Juristin bekommt den Chefposten, sondern es muss unter allen Umständen ein Parteikopf aus der ÖVP sein! Wo ist das bitte unabhängig? ORF- Postenbesetzung detto! Eine unabhängige Justiz und eine unabhängige Presse muss sich mit allen Mitteln gegen die Übernahme durch die Parteien wehren, sonst hat sich das mit unabhängig. Noch ärger würde es mit einem Kanzler Kickl! Die Gier der FPÖ nach einflussreichen Posten ist grenzenlos, und dann kann die Justiz sich brausen gehen, noch dazu, da viele der dortigen Arbeitnehmer bei der AUF sind, der freiheitlichen Gewerkschaft.

  3. Helmut Troger

    Lieber Alois
    Ich habe dazu schon einmal eifrig mit News Redakteur Sichrovsky korrespondiert, der vehement die Meinung vertrat, dass Maestro Gustav Kuhn verfolgt werde, es Rufmord sei und die Unschuldsvermutung gelte.
    Kurz darauf erschien ein in etwa gleich gearteter Film mit dem deutschen Schauspieler Ulrich Tukur als Star-Dirigenten, der seine All-Macht missbrauchte und serienweise Musikerinnen versuchte ins Bett zu bekommen, mit Gegenleistung.
    Die Problematik ist meist Aussage gegen Aussage, aber wenn es dann eine Vielzahl an Personen gibt, die aufstehen gegen solche Typen, dann ist, auch wenn das Gericht es nicht eindeutig feststellen kann, Handlungsbedarf gegeben,… der auch (durch Haselsteiner) geschah bei Kuhn.
    Bei „Typen“ wie Strache, Grasser, Kurz und Co ist es dann schon schwerer die Beweise derart treffend zusammen zu sammeln, denn mit Ainedter und Co sind da Anwälte am Ruder, die diese Anschuldigungen bis zum St. Nimmerleinstag verschleppen und die Angeklagten als Opfer ins Licht bringen wollen, obwohl es einfach nur Falotten sind, denen man aber leider nicht, zumindest sofort, das Handwerk legen kann. Die Mühlen mahlen leider sehr langsam, vieles wurde „daschlogn“!
    Also deshalb von mangelndem Rechtsstaat zu schreiben, von armen Opfern, das finde ich irgendwie bemitleidenswert.
    Ein Anwalt, der was kann halt… Singt Fendrich… Mehr ists nicht bei Grasser, Kurz und Co…
    Die Angschmierten sind WIR, der Bürger, der Staat!
    Schönen Abend Alois

  4. Robert Muskat

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Sie zitieren in Ihrer Glosse „Achtung Rechtsstaat“ die vielstrapazierte Unschuldsvermutung: ….. bis dahin hat er als unschuldig zu gelten….
    Gilt das nur für Politschädel?
    Der ach sooo arme Sebastian Kurz mit seinem präpotenten Grinsen scheint ja dazu zu gehören, wohl vergessend, welche Freunderlwirtschaft er in Gang gesetzt hat und dass er auch Anlass für diverse Bücher war.
    Was aber ist mit Florian Teichtmeister? Er hat noch keine Verhandlung gesehen, wurde aber von allen Engagements hinausgeworfen, der ORF darf nicht mal mehr „Die Toten von Salzburg“ senden, von der Darstellerliste ist er verschwunden, also bis an sein Lebensende ruiniert! Unschuldsvermutung????
    Der do net, des is ja a Kinderfigger!!!
    Pfui Teufel, jeder Geistliche der seine Ministranten begrapscht, wird nur versetzt, damit er Frischfleisch bekommt. Teichtmeister? Lebendig einbetonieren! Wir brauchen ja ein Exempel zur Beruhigung des gesunden Volksempfindens (nach einem bekannten CSU- Funktionär).
    Ich finde, Sie haben leider auch in diese Richtung argumentiert, leider….
    Vielleicht ergibt sich ja eine Korrekturmöglichkeit.
    Mit freundlichen Grüßen

  5. Thomas Gasser

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    „Leider“ muss ich ihrem Beitrag in der TT am SA 26.08.2023 wieder einmal vollinhaltlich zustimmen, diese Zustände sind wirklich unerträglich, ganz egal, ob einem die betroffenen Personen sympathisch oder unsympathisch sind.
    Die Medien, und hier meine ich im Besonderen die Printmedien, sind allerdings willfährige Boten dieser Femegerichte und tragen einen Gutteil der Verantwortung an diesen Zuständen.
    Ich habe aus diesem Grund das Abo der Salzburger Nachrichten nach 30 Jahren gekündigt (wenn man das vorangegangene Abo meines Vaters dazu rechnet, waren es sogar mehr als 60 Jahre). Obwohl ich die Zeitung schätze, war es mir unerträglich, für diese Art der Berichterstattung und die subtile „Kultur des Verschweigens“ (was nicht hineinpasst, wird eben einfach nicht berichtet….) auch noch zu bezahlen.
    Ihnen Alles Gute und dass Sie noch lange Ihre Sichtweise an so prominenter Stelle Kund tun können.

  6. Priska Szczutkowski

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Es herbstlt in Tirol und da geht der gstandene Tiroler mit Krax und Leiter ans Ernten – in Ihrem Fall landen da Äpfel und Birnen im Körberl, aus denen Sie ein Gebräu fabrizieren, das Sie vermeintlich den nach Gerechtigkeit und Ehrlichkeit im Lande Dürstenden kredenzen wollen. Via Tiroler Nachrichtentransfer bestens platziert auf Seite 2. Das Gebräu bekommt allerdings herzlich schlecht, den wahllos gepflückten Ingredienzien geschuldet.
    Ihr Ansinnen, dem Mob, der geifernd in der Ecke lauert und auf die ehestmögliche Chance wartet, loszuhetzen, ohne Achtung des Wahrheitsgehalts gestreuter Gerüchte, ist zu begrüßen. Das Anpatzen ist schnell erledigt, befriedigt den Kleingeist und bekümmert denselbigen nicht, sollte sich der Angepatzte als Opfer erweisen.
    Die Fünferlinie, die Sie in Ihrer Kolumne aufstellen, hat da aber doch befremdlichen Charakter, so sie denn in der Beispielgebung einheitlich erscheinen soll.
    Ein amerikanischer Schauspieler, dem die Gerichte letztinstanzlich Recht gegeben haben, wird seine Cards in seinem House wieder mischen.
    Ein Vorarlberger Politiker, der sich per Gerichtsentscheid nichts hat zuschulden kommen lassen, ist als Landeshauptmann zurück im Amt.
    Nicht in ihre Positionen zurückgekehrt sind ein Erler Maestro und ein ex-freiheitlicher Vizekanzler. Mit den ihnen vor Gericht zur Last gelegten Verfehlungen hat dies allerdings nichts zu tun. Hier hat offenbar und eindeutig und nachhaltig eine Form der Rechtssprechung gegriffen, die Sie in Ihrem Text ausklammern: der moralische Verhaltenskodex.
    Ibiza bleibt unvergessen, der Bericht der Gleichbehandlungskommission sowie ein Interview mit Dr. Wolf in der ZIB2 ebenso. Letztere Beispiele haben Position und Ansehen gekostet.
    Inwieweit ein derzeit angeklagter Ex-Bundeskanzler per Gerichtsurteil schuldig gesprochen wird, zeigt die Zukunft. Aus dem Amt geschleudert hat er sich per Eigentor, ohne Hetze, ohne Vorverurteilung, ohne Mob.
    Das Wesen einer Kolumne soll sein, einen Gedanken auf den Punkt zu bringen. Diesen Punkt erkenne ich in Ihrem Beitrag nicht. Es sei denn, es soll geweint werden um alle Männer, gegen die sich Menschen getraut haben, Zweifel anzumelden, ob ihr Tun rechtens war. Was für ein Ansinnen!
    Damit sind dann alle mundtot zu machen, die sich an Gerichte wenden, um Dinge anzuklagen, die in ihrer Wahrnehmung nicht rechtens waren. Dieser Usus hat Tradition, in dieser Tradition wollen Sie wohl weit lieber verbleiben, als den Umstand zu feiern, dass das Aufarbeiten von Unklarheiten durch mutige Menschen hierzulande möglich ist, ungeachtet des Ausgangs eines solchen Prozesses.
    Der Praxis des Schutzes der old white men haben Sie einen Bauchpinsel-Text geschrieben.

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