Print Friendly, PDF & Email

Alois Schöpf
Zur Kriminalgeschichte der Medizin
Wenn Ärztinnen und Ärzte
mehr die Geschichte des eigenen Fachs
studieren würden,
wären sie gesellschaftspolitisch weniger ignorant.
Essay

Um große Worte sind Ärztefunktionäre nie verlegen. So forderte der Präsident der Österreichischen Palliativ Gesellschaft Dr. Dietmar Weixler in einer Stellungnahme vom 29. 12. 2022 den Gesetzgeber auf, das am 1. Januar 2022 in Kraft getretene Sterbeverfügungsgesetz neuerlich zu ändern, und zwar mit dem Argument, dass eine Involvierung der Palliativmedizin in assistierten Suizid und Sterbeverfügung einen Kontrast zu ihrem täglichen Erleben darstelle, in dem die Zuwendung und Linderung von Leid und Verzweiflung im Vordergrund stehen.

Ähnlich hochtrabend äußert sich auch der Palliativ-Mediziner Otto Gehmacher vom Landeskrankenhaus Hohenems in einem Interview im ORF Vorarlberg vom 8.1.2023: Ich habe die Sorge, dass durch die Legalisierung des assistierten Suizids, vielleicht auch in weiterer Folge der aktiven Sterbehilfe, diese Sterbehilfe etwas Normales wird, mit dem Menschen aus dem Leben scheiden. Und das hat dann schon Auswirkungen auf eine Gesellschaft. Wie geht sie mit dem Sterben um? Der Druck auf alte und kranke Menschen wird größer werden, vielleicht auch, wenn finanziell die Engpässe mehr werden.

Fehlt an dieser Stelle nur noch der dumme Marketingspruch Der Mensch soll nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen! – ein Zitat von Kardinal Franz König, das Kardinal Christoph Schönborn vor dem Inkrafttreten des Sterbeverfügungsgesetzes in Österreich zum einem Leitspruch erhoben hat, der auch gerne von der Ärzteschaft verwendet wird.

Das Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, wonach es ein Menschenrecht sei, Zeitpunkt und Art des eigenen Sterbens autonom zu bestimmen, scheint also ausgerechnet bei jenen Medizinern noch nicht angekommen zu sein, die vom Gesetzgeber neben den praktischen Ärzten dazu ausersehen sind, Sterbewillige auch im Hinblick auf die richtige Einnahme des Medikaments Pentobarbital zu beraten bzw. ihnen, wie es eigentlich die ethische Pflicht eines Arztes wäre, auch unter diesen neuen, die Selbstbestimmung des Bürgers achtenden Rahmenbedingungen beizustehen.

Stattdessen wird vollmundig von Zuwendung und Linderung von Leid und Verzweiflung geschwafelt, obgleich genau diese Begriffe es sind, die für einen klar denkenden, durch katholische Sozialisation im Verstand nicht verwüsteten Menschen eine hinreichende Begründung wären, um einem seiner Mitmenschen, der den Sterbewillen geäußert hat, dabei zu helfen, ihn durchzuführen. An der nüchternen Feststellung des großen Aufklärers Immanuel Kant, wonach die Hauptfeinde der Aufklärung Faulheit und Feigheit sind, hat sich also nichts geändert. Lediglich der Symptomatik der Untugenden wurde ein modernes Design verpasst.

So steht zweifelsfrei fest, dass vor allem die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, welche die Ärzte im Sinne ihrer Patienten anwenden, großartige Fortschritte in der Medizin ermöglicht haben. Dies hat nicht nur dazu geführt, dass heute Ärzte durch ihre Tätigkeit in der Regel so viel verdienen, dass sie durchwegs als Mitglieder der bürgerlichen Oberschicht zu betrachten sind. Die zahlreichen Heilerfolge, die sie zu verbuchen haben, die jedoch, wie angedeutet, weniger ihnen, den Anwendern, als vielmehr den Erkenntnissen der naturwissenschaftlichen Forschung zu verdanken sind, haben ebenso zu einem hohen, oftmals zu hohen Ansehen des Berufsstandes geführt. Damit aber auch zum bedauerlichen Fehlschluss vieler Ärztinnen und Ärzte, dass sie, wenn sie schon am Krankenbett für ihre Patienten Herausragendes zu leisten imstande sind, dann auch in Sachen Medizinethik und Soziologie ebenso umfassende Kompetenz beanspruchen können.

Hier verbinden sich eine übertriebene Selbsteinschätzung, zuweilen unzivilisierte, in der Regel jedoch zivilisierte Geldgier mit mangelnder Zivilcourage – Feigheit – in der Gesellschaft und in der eigenen Kollegenschaft nicht durch Selbstdenken unangenehm aufzufallen. Andererseits begünstigt eine anstrengende und aufreibende tägliche Routine die Denkunlust – Faulheit -, nicht auch noch mit gesellschaftspolitisch brisanten, versicherungsrechtlich heiklen und menschlich schwierigen Themen befasst zu werden.

Die Folgen eines solchen Verhaltens laufen auf die Missachtung eines fundamentalen Menschenrechts hinaus. Dass diese Missachtung vom Gesetzgeber aufgrund eines noch immer übermächtigen religiösen Aberglaubens im Hinblick auf die Beseelung des Menschen durch Gott persönlich geschützt wird, indem all jene, die sich der Sterbehilfe aus weltanschaulichen Gründen verweigern, nicht diskriminiert werden dürfen, ist keine Entschuldigung für eine schwere ethische Verfehlung. Sie reiht sich ein in eine Tradition der Verwerflichkeit, die als Kriminalgeschichte der Medizin drastisch aufzeigt, wie sehr die Ärzteschaft Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen oftmals über Jahrzehnte wider besseres Wissen nicht zur Kenntnis und somit sehenden Auges unermessliches menschliches Leid in Kauf nahm.

Bereits ein kurzer Rückblick auf diese schreckliche Geschichte reicht aus, um die hochmögende Ärzteschaft und hier vor allem die österreichischen Palliativmediziner vor die Frage zu stellen, ob sie sich nicht schon wieder in beschämender Weise und aus billigen Motiven auf die falsche Seite der Geschichte gestellt haben.


1.
Kindbettfieber

Durch das Kindbettfieber erlitten Hunderttausende junger Frauen einen qualvollen Tod und verloren ebenso viele Neugeborene ihre Mütter. Viele von ihnen hätten gerettet werden können, bezahlten die Arroganz des medizinischen Mainstreams jedoch noch jahrzehntelang mit dem Tod.

Ignaz Philipp Semmelweis führte das häufigere Auftreten von Kindbettfieber in öffentlichen Kliniken im Vergleich zur privaten Entbindung auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurück und bemühte sich, Hygienevorschriften einzuführen. Später wurde er „Retter der Mütter“ genannt. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse, von ihm 1861 publiziert, nicht anerkannt und von Kollegen als „spekulativer Unfug“ abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn, da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde. Semmelweis starb im Alter von 47 Jahren in Wien unter nicht näher geklärten Umständen während eines zweiwöchigen Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik „Landesirrenanstalt Döbling“ bei Wien. Zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten deuten neben dem Exhumierungsbericht aus dem Jahr 1963 und Motiven für seine Beseitigung auf willkürliche Psychiatrisierung und ein darauf folgendes Tötungsdelikt hin. (Wikipedia)


2.
Onanie-Verbot

Durch die Ächtung der Onanie als einer schweren Sünde und einer selbst zugefügten Schädigung der Gesundheit (Rückenmarkschwund) wurden ganze Generationen vor allem junger Männer traumatisiert, ihres sexuellen Lebensglücks beraubt und bildeten den pathologischen Untergrund für die Grausamkeiten der Weltkriege und des Nazi-Regimes.

Masturbation als solche verursacht keine gesundheitlichen Schäden, sondern wird im westlichen Kulturkreis heute eher als wichtiger Bestandteil der sexuellen Gesundheit angesehen. In der Vergangenheit wurde Masturbation besonders von Erziehungspersonen bei ihrer Einflussnahme auf Kinder und Heranwachsende moralisch geächtet, verdammt und mit Angst auslösenden Behauptungen, beispielsweise dass man durch Masturbation krank werde, tabuisiert. Eine „Masturbationsfurcht“ gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem im bürgerlichen Umfeld, aber nur selten in unteren Bevölkerungsschichten und in adeligen Kreisen. Die Medizin, insbesondere des 19. Jahrhunderts, unterstützte diese Vorstellungen mit Fehldeutungen verschiedener körperlicher Befindlichkeitsstörungen als Folge von zu häufiger Masturbation. Heute ist es selbstverständlich geworden, Masturbation anzuwenden. (Wikipedia)


3.
Homosexualität

Stellvertretend für die Justiz hat sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am 07.06.2021 für die strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen in Österreich in der Zweiten Republik entschuldigt. Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das Ihnen widerfahren ist, ausdrücken, sagte sie. Dabei ging die Ministerin von ca. 30.000 Personen aus, denen durch schwere Diskriminierungen das Lebensglück zerstört worden war.

Nach einem Gesetzesentwurf von Jens Spahn wurde in Deutschland am 12. Juni 2020 das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen erlassen. Es sieht ein Verbot von Konversionstherapien für Minderjährige vor. Aus medizinischer Sicht ist bei der Konversionstherapie die Homosexualität nicht eine natürliche Variante sexuellen Verhaltens, sondern eine psychische Abnormität, welche therapiert gehört und therapiert werden kann.

Auch in Österreich ist ein Verbot der Konversionstherapie in Vorbereitung.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO wertete Homosexualität bis 1990 als psychische Krankheit. Die „American Psychological Association“ und die WHO hielten später fest: „Gleichgeschlechtliche Sexualität ist weder eine Geisteskrankheit noch moralisch verwerflich (…) eine Studie nach der anderen hat die geistige Gesundheit von Schwulen und Lesben dokumentiert (…) Versuche, die soziosexuelle Orientierung zu ‚reparieren‘ stellen nichts anderes als psychologisch verbrämte soziale Vorurteile dar.“ (International Gay and Lesbian Human Rights Commission 1996).


4.
Suizid

Der von Martin Luther geschaffene und in sich unsinnige Kampfbegriff „Selbstmord“ (ein Mord kennzeichnet sich dadurch, dass jemand gegen seinen Willen des Lebens beraubt wird) wird bis in die heutigen Tage auch von Medizinern verwendet.

Selbstmördern wurde das kirchliche Begräbnis verweigert, ihre Anverwandten wurden diskriminiert und das Vermögen des Selbstmörders oftmals eingezogen, wenn der Suizidant nicht überhaupt bei misslungenem Selbstmordversuch als Strafe, wie Louise Valeska Coffee 1941 in London, zum Tode durch den Strick verurteilt wurde. In modernen Zeiten wurde der sogenannte Selbstmord, da er oft mit psychischen Störungen einhergeht, in seiner Gesamtheit von der Psychiatrie vereinnahmt und Selbstmörder bei misslungenen Selbstmordversuchen zwangsweise in psychiatrische Anstalten eingewiesen. Dies hatte zur Folge, dass die Kirche Selbstmörder wieder in den Friedhof aufnehmen konnte, da sie sich als Geistesverwirrte nicht an Gott versündigt haben konnten.

Warum sich der Verweis des Selbstmordes auf die individuelle Schuld des „Täters“ bis heute vehement gehalten hat, mag von moraltheologischen Diskursen bis ins 20. Jahrhundert herrühren. Das Hinwegsetzen über das Recht Gottes am Leben des Menschen sowie das Fliehen vor den Verpflichtungen des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, die dem göttlichen Recht verpflichtet sei, waren Gründe der Bestrafung des Selbstmörders (unehrenhafte Begräbnisse, Schändung der toten Körper etc) sowie dessen Hinterbliebener. (Krimlex)

Von medizinischer Seite wird bis heute kein Unterschied gemacht zwischen einem aufgrund psychischer Probleme vollzogenen Suizid und einem aus vernünftigen Erwägungen beschlossenen Bilanz-Suizid. In diesen Bereich fällt auch jene ärztliche Arroganz, die trotz des Erkenntnisses des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs die Entscheidung von entscheidungsfähigen Bürgern, nicht mehr leben zu wollen, abqualifiziert und paternalistisch behauptet wird, dass bei optimaler Palliativbehandlung Selbstmordgedanken von alleine wieder verschwinden würden.


5.
Pille, Abtreibung, Pille danach

Ärztinnen und Ärzte, die sich lange nach Einführung der sogenannten Antibabypille weigerten, ihren Klienteninnen diese zu verschreiben, machten sich damit mitschuldig an ungewollten Schwangerschaften, ungewollten Kindern und dadurch oft unglücklichen Partnerschaften und Familien. Dies gilt auch für all jene Mediziner, die sich ein halbes Jahrhundert nach Straffreistellung der Abtreibung bis zum 3. Monat etwa in Tirol immer noch weigern, in ihren Privatpraxen oder in öffentlichen Kliniken Abtreibungen vorzunehmen.

Ebenso hat es die Ärzteschaft in Österreich unethisch verabsäumt, sich klar gegen die realitätsfernen Ansprüche einer abstrusen christlichen Theologie auszusprechen, die davon ausgeht, dass Gott der Besitzer des Lebens und der Mensch lediglich sein Verwalter sei, wodurch die unkomplizierte Abgabe der Pille danach auf Jahre hinaus verzögert wurde. Menschlicher Schaden – siehe oben!

Diese wenigen Punkte aus der Kriminalgeschichte der Medizin, aus denen
millionenfaches schweres Leid, zerstörtes Lebensglück und psychische Traumatisierungen erfolgten, zeigen eine Tradition des Versagens des medizinischen Standes auf, die durch das derzeitige Verhalten der österreichischen Ärzteschaft in Sachen Sterbeverfügungsgesetz in beschämender Weise fortgesetzt wird.

Denn es ist fraglos das Ergebnis einfachsten logischen Denkens, dass das Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, wonach es ein Recht jedes Menschen ist, den Zeitpunkt und die Art seines Sterbens selbst zu bestimmen, zur Folge haben muss, dass Sterbehilfe und/oder Sterbegleitung bei entscheidungsfähigen Staatsbürgern im Angebot der Palliativmedizin, in Kliniken, in Altersheimen und in Hospizen enthalten sein muss. Letzteres wurde übrigens  jüngst im ansonsten eher konservativen Kanton Wallis in der Schweiz per Volksabstimmung festgeschrieben.

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 14 Kommentare

  1. Alois Schöpf

    Hallo Reinhard!
    Die Debatte über die Liberalisierung der Sterbehilfe in die Nähe von Adolf Hitler zu rücken, finde ich meinerseits ungustiös, zumal sich eine solche Vorgangsweise bei konservativen Anhängern der Unsterbliche-Seele-Theorie unter dem Motto „Euthanasie“ großer Beliebtheit erfreut.
    Dass ausgerechnet einer wie du, der in seinen Artikeln immer wieder auf die Autonomie und die Selbstverantwortung der Bürger hinweist, mir in Sachen Freitodbegleitung so in die Parade fährt, entbehrt einer gewissen Logik.
    Die Ärzte sind dazu da, und auch darauf vereidigt, den Menschen zu helfen, dass sie wieder gesund werden. Aber ihnen auch zu helfen, wenn dies nicht mehr möglich ist und sie nur noch leiden.
    Wenn ein autonomer Mensch diesem Leiden aus wohlüberlegten Gründen ein Ende setzen will, weil er es als sinnlos erachtet, dann hat er nach dem Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof das Recht, sein Leben zu dem Zeitpunkt und auf die Art zu beenden, wie er es entscheidet. Es ist sein Menschenrecht.
    Er beendet sein Leben also, weil er leidet und diesem Leidensprozess ein Ende setzen will. Ihm dabei zu helfen, ist meines Erachtens ein Arzt, insbesondere ein Palliativmediziner, aufgrund seines Eides verpflichtet. Denn einfach ist das Sterben nur in deinen von dir geliebten Agentenfilmen, nicht jedoch in der Realität, wo entsetzliche Unfälle passieren können, die nicht nur den unmittelbar Betroffenen, sondern auch sein Umfeld schädigen können.
    Insofern steht auch im Zentrum der Bemühungen der oftmals angefeindeten Sterbehilfeorganisation Dignitas weniger die Sterbebegleitung, als vielmehr die Suizidversuchsprävention.
    Ich glaube, dass du mit diesem Thema etwas zu flapsig umgegangen bist. Mit kollegialen Grüßen.

  2. Adolf, der 1000jährige, hat Giftpillen im Bunker freigiebig verteilt. Dass sich jemand wegen ihm umbringt, ließ die Person in seiner Achtung gewaltig steigen. Neulich in einem Agentenfilm (sowas mag ich gern) erhielt der Agent von seinem Führungsoffizier die neue Pille, für den Ernstfall, sie wirkt schnell und schmerzlos, sagte er dazu. In dieser Umgebung finde ich derartige Pillen passend.
    Beim Doktor erwarte ich mir das nicht und will es auch nicht sehen. Ich bin schon zweimal von erstklassigen Leuten dieser Profession von der Schaufel (im Sinn des Wortes) geholt worden und damit überaus zufrieden. Bewunderung jeder Art liegt mir ferner als der Mond, aber ich erkenne, respektiere und schätze Professionalität.
    Das Herumnörgeln an der medizinischen Profession wie in deinem Artikel finde ich höchst ungustiös. Mache doch den Vorschlag, das Architekturstudium durch einen Sprengkurs zu bereichern, wie man Gebäude flachlegt. Das geht jedenfalls schneller als das Bauen.

  3. Rainer Haselberger

    Danke für den umfangreichen Essay.

  4. Eberl Roland

    Lieber Alois, Danke für deine Sichtweisen zu den Themen, die sich mit meinen Erfahrungen weitgehend decken: Viele Ärzte und Politiker sind total überfordert und korrupt.

  5. Ich habe jahrelang – weitgehend vergebens – versucht, über einen Medizinskandal in Deutschland aufzuklären. Meine Kritik an der Scharlatanerie einer Kinderklinik hat auf Seiten der Klinik nur dazu geführt, dass Rechtsanwälte – ebenfalls vergeblich – versucht haben, mich zum Schweigen zu bringen. Sämtliche in Frage kommenden Aufsichtsbehörden haben sich taub gestellt.
    Meine ausführliche Dokumentation zur stationären, pseudomedizinischen Behandlung der Neurodermitis in den Jahren 1990 bis 2020 und dem Versagen hochrangiger medizinischer und staatlicher Institutionen finden Sie hier: https://kinderklinik-gelsenkirchen-kritik.de .

  6. Karl Hirsch

    Promovierte Medizinstudenten leisten im Beruf sicher Großartiges, wie schnell lässt einem ein Wehwehchen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, von kapitalen Lebensbedrohungen durch organische Kapriolen und Unfälle gar nicht zu reden.
    Das alles hat aber absolut nichts mit einer Entscheidung zu tun, ein aus eigener Sicht nicht mehr fortsetzungswürdiges Leben nimmer fortsetzen zu wollen, es aber zu müssen, weil die eigene Befindlichkeit nicht in den taxativen, von unter Naturschutz gestellten Parteibuchpolitikern ausgeheckten Erlaubniskatalog fällt. Das ist ein himmelschreiender Missstand. Der Suizidwillige ist l-e-b-e-n-s-m-ü-d-e. Zu müde, ein Leben fortsetzen zu müssen, um dessen Beginn er nie gefragt worden ist, naturgemäß nicht gefragt werden konnte. Und – jetzt sind wir wieder am Anfang: wenn ich den promovierten Medizinstudenten bitten kann, wegen jeden Wehwehchens zur Linderung herbeizueilen, dann darf ich ihn auch bitten, mir bei der Beendigung einer unerträglichen Lebensnot einmal professionell beizustehen.
    Nichts ist blamabler und elender als ein gescheiterter Suizidversuch. Ich würde sogar sagen, dass in letzterem Fall der Arzt keine Lebensmutpredigt aus der Psychiatrievorlesung halten soll, sondern sagt: So geht das, darf ich? Ich kann ja immer noch nein sagen.

  7. Dr. Albring

    Lieber Alois,ich liebe Deine Essays, vor Allem Deine Schachtelsätze. Allerdings lehnst Du Dich sehr weit aus dem Fenster und schwafeln tun wir nicht,zumindest nicht diejenigen, die sich mit aller Kraft, Wissen, Erfahrung und Empathie um ihre schwerkranken Patienten kümmern. Also lass besser die Verallgemeinerung.
    Als Facharzt für Innere Medizin betreue ich seit 47 Jahren Patienten und noch nie ist solch ein Wunsch an mich herangetragen worden, wieso wohl nicht? Man kann solche Patienten auch so führen und behandeln, dass sie ohne Schmerzen und in Würde ihre letzte Lebenszeit verbringen. Ich zumindest lasse mich da auch nicht vom Katholizismus beeinflussen, es ist schlicht Menschlichkeit, um die ich mich bemühe. Diese geht, das gebe ich zu, in der Medizin oft verloren.
    Das ist aber ein Problem der ganzen Gesellschaft, nicht nur der Ärzte.
    Also bleib gesund! Ich freue mich auf Deine Essays und vor allem auf ein Wiedersehen in Lans oder Feldkirch, Dein Klemens Albring

    1. Klaus Sprenger

      sehr geehrter herr albring,
      die frage ist wohl, WER sich da weit hinauslehnt, herr dr. albring! und schwafeln und patienten nur einseitig zu beraten bis zum „geht-gar nicht-mehr“, ist wohl so viel „schwafeln“, dass kein patient mehr wagt, sie um assistierten suizid zu fragen: was würden sie antworten? und das wissen ihre patienten!
      die antwort wäre wohl, „da gibt es doch noch diese op, dieses antidepressivum (wenn derjenige z.b. gar schon 95 lj wäre!), usw. und – „dass sie das aus ethischen gründen ablehnen müssen“.
      haben sie je einen patienten in irgendeinem lebensalter gefragt, ob er diese behandlung, die sie so normal auf lager haben, noch will, ob er nicht lieber auf eine behandlung verzichten möchte, weil es weitere jahre des leids mit sich bringen wird??
      seien sie ehrlich – solche fragen haben sie noch nie gestellt, oder? und einen patienten informiert, dass es auch eine abkürzung des leidens geben würde??
      ja, alois hat sich da sicher nicht zu weit rausgelehnt, sondern sie lehnen sich weit hinaus und verweilen in ihrem üblichen vorgehen und damit SCHWAFELN sie ihre patienten voll, so meine vermutung.
      ich wünsche so manch einem ihrer patienten, dass er sich einmal denkt, jetzt wende ich mich an einen humaneren arzt/ärztin – dieser dr. albring lässt und lässt mich einfach nicht sterben, sondern zwingt mich nur weiter zu leiden, das will ich nicht mehr!
      behandeln sie weiter in ihrem sinn, aber äußern sie sich weniger zu so wichtigen dingen, wie „leiden beenden“!
      Mit freundlichen grüßen

      1. Dr. Albring

        Si tacuisses philosophus mansisses

        1. Klaus Sprenger

          s.g. herr dr. albring-
          haben Sie sich gar selbst geantwortet??
          das ist nett, es ermöglicht selbsterkenntnis!
          mfg

    2. Erwin Schuster

      „Als Facharzt für Innere Medizin betreue ich seit 47 Jahren Patienten und noch nie ist solch ein Wunsch an mich herangetragen worden, wieso wohl nicht?“

      Sehr geehrter Herr Dr. Albring, Sie scheinen vermutlich uneingeschränkt selbst zu glauben, was Sie als Antwort auf Ihre Frage anbieten: Daß Ihre Patienten dank Ihrer guten „Führung und Behandlung“ ihre Restlebenszeit schmerzfrei und in Würde verbringen. Teilweise mag das ja wohl tatsächlich zutreffend sein – habe keinen Grund, Ihre Qualität anzuzweifeln, zumal ich Sie überhaupt nicht kenne.
      Gute Behandlung und Betreuung mögen für viele Patienten genügen, trotz Abhängigkeit und Hilflosigkeit noch gerne zu leben, aber sicher nicht für alle.
      Bedenken Sie bitte, daß es einen gewichtigen Grund dafür gab, dass zurechnungsfähige Patienten ihre Suizidwünsche n i c h t Ärzten anvertrauten: Es war der § 78 StGB, dessen Kriminalisierung der Suizidbeihilfe unter allen Umständen (Strafandrohung: bis zu fünf Jahre Haft) 87 Jahre lang sämtlichen Medizinstudenten eingebläut worden war. Die grundsätzliche Pathologisierung a l l e r Suizidwünsche war eine Selbstverständlichkeit. Geistig klare Patienten haben das natürlich auch mitbekommen und sich daher gehütet, den Arzt um Suizidbeihilfe zu bitten, im Wissen um die völlige Aussichtslosigkeit: Sie zogen es vor, in Resignation auszuharren, bis irgendein Zufall das ersehnte Ende bescheren würde, mit der vielbeschworenen „Würde bis zuletzt“ hat das nichts zu tun.
      Mit freundlichen Grüßen
      Erwin Schuster

  8. Regina Hilber

    Die Pharmaindustrie verdient ein Vermögen an jedem sehr lange leidenden Patienten und die Ärzteschaft wiederum wird maßgeblich von der Pharmaindustrie protegiert und hofiert, um das langsame Sterben schön zu prolongieren: AHOI Malediven, AHOI Tobago, AHOI „Ethik“ .

    1. Dr. Albring

      Gefallen Sie sich in solch naiver Polemik? Entspricht das alberne AHOI wirklich Ihrem Stil?

  9. Klaus Sprenger

    SIC!
    Schöne Zusammenfassung- und das Wort Selbsterhöhung, das Du verwendest, trifft es sehr gut. Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Ärzteschaft – selbst ohne eigenes Wissen und ohne Auseinandersetzung mit einzelnen Themen sich über mündige Bürger zu stellen, weil die Ärzte ja, ohne nachzudenken, die moralische und ethische „Denk“-Weisheit besitzen.
    HYBRIS!
    Darum: „Der Tod ist zu wichtig, um ihn in die Hände der Ärzte zu legen.“

Schreibe einen Kommentar