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Alois Schöpf
Wie kann einem diese Musik nur gefallen?
Die Egerländer Musikanten gastierten bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten.
Essay

Wenn es sich ein Musikfestival wie die „Innsbrucker Promenadenkonzerte“ zum Ziel gesetzt hat, sämtliche Möglichkeiten der Bläsermusik von der Harmoniemusik der Klassik bis hin zum großen sinfonischen Blasorchester der Gegenwart abzudecken, darf naturgemäß auch eine der beim Publikum wohl beliebtesten Bläserformationen, die sogenannte „Egerländerpartie“ oder „Böhmische“ nicht fehlen.

Diese Art der eher kleinen Blaskapelle mit ihren 3 Posaunen, 2 Tuben, einer Trompete, 4 Flügelhörnern, 4 Klarinetten, 4 Tenorhörnern, einem Schlagzeug und 2 Sängern geht auf eine Gründung des legendären Ernst Mosch zurück, der als Sohn des Bergmanns Andreas Mosch im Jahre 1925 im damals noch sehr stark von der deutschen Kultur dominierten Egerland geboren wurde und nach dem Krieg als Vertriebener die Musik seiner Heimat im Wirtschaftswunder des Nachkriegsdeutschland revitalisierte.

So definiert etwa Klaus Hanisch in der Prager Zeitung vom 31.10.2019 den unverwechselbaren Beitrag Ernst Moschs mit den Worten: „Einzigartig war, dass er traditionelle böhmische Musik mit dem modernen Sound der Nachkriegszeit verband. Wer im Egerland geboren und später vertrieben wurde, kannte die traditionelle böhmische Musik. Die Nachkriegsgeneration im Westen hatte die amerikanischen Militärkapellen, Big Bands und „swingenden“ Tanzorchester im Ohr. In seinem weichen Sound vermischte sich beides. So hat er mit seiner Musik auch generationenübergreifend ein Stück Heimat bewahrt.“

Dass dieses Bemühen nicht ohne Erfolg blieb, geht nicht nur aus 350 Kompositionen, 4 Schallplatten in Gold und 2 in Platin hervor, sondern auch aus mehreren Millionen verkaufter Tonträger und zahllosen Fernsehauftritten in den beliebtesten Abendshows des vor allem deutschsprachigen Fernsehens, wobei die Konzerte in der New Yorker Carnegie Hall nicht unerwähnt bleiben dürfen.

Wen wundert es daher, dass auch die beiden Konzerte, die in Innsbruck an einem Abend angesetzt wurden und für die insgesamt 1600 Sitzplätze zur Verfügung standen, rasch ausverkauft waren und schon von allem Anfang an die Musiker mit tosendem Applaus empfangen wurden, als sie in brauner Joppe, mehrheitlich übergewichtig und bluthochdruckgefährdet einmarschierten, wodurch das barocke Ambiente der kaiserlichen Residenz umgehend von alkoholaffiner Zeltfest-Atmosphäre überlagert wurde. Zuletzt kam dann auch, sein Tenorhorn schwingend, Ernst Hutter, der die Egerländer Musikanten von Ernst Mosch übernommen hat und nun mit flott zurückgekämmter, graumelierter Lockenpracht in der Pose des Weltstars auf die Bühne tänzelte.

Die allseits reklamierte Qualität der Egerländer Musikanten baut auf zwei  Voraussetzungen auf: einerseits ist es die sogenannte Böhmische Musik, welche im Bereich der Kunstmusik und Volksmusik die Emanzipation des in den Zeiten der k.u.k.-Monarchie noch vielsprachigen, von Tschechen, Deutschen und Juden bevölkerten tschechischen Nationalstaates musikalisch begleitete. Im Rahmen der Kunstmusik sind dabei Persönlichkeiten wie Friedrich Smetana, Antonin Dvorak, Leoš Janáček oder Bohuslav Martinů weltbekannt, in der populären Unterhaltungsmusik hingegen dominieren Größen wie Julius Fučík, Jaromír Vejvoda oder František Kmoch, um nur einige Namen zu nennen. Als ein klingendes Paradebeispiel dieser namentlich dem breiten Publikum weniger bekannten, jedoch von ihren melodischen Ideen her längst zum Weltkulturerbe aufgerückten Komponisten sei als Beispiel die Platteneinspielung „K.u.K. Festkonzert“ der Tschechischen Philharmonie unter Vaclav Neumann allen Musikfreunden ans Herz gelegt.

Aber nicht nur musikliterarisch können die Egerländer Musikanten auf ein starkes Erbe verweisen. Auch was die Qualifikation der Musiker betrifft, legte schon Ernst Mosch besonderen Wert auf die Professionalität seiner Instrumentalisten. So war er selbst als Jazzmusiker in amerikanischen Clubs tätig, spielte Posaune in der Band von Peter Hiller und gründete zusammen mit Fred Bertelmann und Horst Reipsch die REMO-Band, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst für GIs auftrat und in amerikanischen Jazz- und Musikerkreisen bekannt wurde. 1948 wechselte Mosch zum Tanzorchester Charly Zech nach Hamburg und 1950 nach München zur Band von Alois Schnurrer. Dort spielte er Posaune und wirkte zudem als Sänger mit. Ab 1951 wurde Mosch sodann 1. Posaunist im Südfunk-Tanzorchester von Erwin Lehn.

Nicht viel anders gestaltete sich auch der musikalische Lebenslauf seines Nachfolgers Ernst Hutter, der an der Musikhochschule Stuttgart studierte und ebenfalls bei Erwin Lehn im SDR-Tanzorchester als Posaunist tätig war. Bis heute ist Hutter Posaunist bei der SWR Big Band, Mitglied des SWR Allstar Quintetts, Mitglied des Posaunenensembles Quattrobones und beim klassischen Stuttgart Brass-Quartett tätig. Zudem leitet er ein Jazz-Quartett unter eigenem Namen.

Womit bei all diesen gloriosen Voraussetzungen nun doch zwei äußerst interessante Fragen übrig bleiben: Wie können Musiker, die über ein solch musikalisches Erbe und ein solch umfangreiches eigenes Können verfügen, dem Publikum einen ganzen Abend lang eine derart langweilige, einfallslose Musik zumuten? Die rhythmische Bandbreite der Egerländermusik ist auf Marsch, Polka und Walzer beschränkt, die Harmoniefolgen sind vorhersehbar, die Klangfarbe ändert sich kaum und ist abseits jeder Instrumentationskunst eine Art musikalischer Einheitsbrei, der in immer gleich großer Lautstärke und nicht selten grob heruntergefetzt daherkommt, was trotz technischer Simplizität die Musiker nicht daran hindert, wie die reinsten Weltstars hin und her zu wippen, ganz abgesehen von den melodischen Einfällen, die auch nach zehnfacher Wiederholung aufgrund mangelnder Originalität der Erinnerung entgehen und zum Teil auch noch von unsäglich doofen Liedtexten überlagert werden?

Die Antwort auf die erste Frage kann wohl einfach ausfallen: Es ist schlicht und einfach künstlerische Prostitution, mit der hier die Musik missbraucht wird, um durch radikale Anbiederung an das Publikum den Lebensunterhalt zu verdienen. Selbiger sei den Herrn Musikern, die weiland Fürst Esterházy zum großen Ärger von Joseph Haydn als Klangpersonal mit dem Küchenpersonal gemeinsam in der Küche essen ließ, inklusive ihrer Sängerin in ausreichendem Maße vergönnt!

Wichtiger, aber auch wesentlich schwerer zu beantworten ist die zweite Frage: Wie ist es möglich, dass Musiker, die im Publikum saßen und deren Können am Instrument, deren Sensibilität, deren kritisches Potential und deren Witz ich persönlich bezeugen kann, soviel musikalische Langeweile einen ganzen Abend lang nicht nur aushielten, sondern auch noch faszinierend fanden?

Die komplexen Probleme einer modernen Gesellschaft (es sei an dieser Stelle nur an die unglaublich rasche Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid19 erinnert) und die Anforderungen einer global agierenden Wirtschaft können nur mit Bildung, also mit einem gesamtheitlichen Weltverständnis der Bevölkerung eines Landes, bewältigt werden. Umso peinlicher ist es, wenn ausgerechnet in Österreich, das sich mit seinen großartigen Komponisten als Kulturnation definiert, die Entwicklung eines sicheren musikalischen Geschmacks lediglich zum Erkennungsmerkmal distinktionsgeiler Bildungsbürger degeneriert ist und die europäische Kunst- und Popularmusik von Bach über Mozart bis Johann und Richard Strauss nicht als das höchste und wichtigste Gut gewürdigt wird, das Europa kulturell der übrigen Welt zu bieten hat. Es sei in diesem Zusammenhang nur daran erinnert, dass derzeit etwa 50 Millionen Chinesen Klavierunterricht nehmen und dabei gerade Bekanntschaft mit der klassischen europäischen Musik machen.

Dem österreichischen Schulsystem mit seinem Musikunterricht und all den millionenteuren Musikschulen und Hundertschaften von Musiklehrern muss vor dem Hintergrund des Egerländer-Konzerts Totalversagen vorgeworfen werden. Was wurde denn, wenn es diesen Unterricht überhaupt je gab, in den letzten Jahrzehnten den inzwischen gealterten und längst zu Egerländer-Fans mutierten Schülern eigentlich unterrichtet, wenn sie sich mit Begeisterung einer Musik hingeben, aus deren Leere und Ideenlosigkeit nur wenige Minuten lang in der Mitte des Konzertes ein wenig wirkliche Kunst, Bigband-Sound nämlich, als klingender Ausblick in eine bessere Welt aufklang?

So bitter die Antwort auf die zweite Frage also ist, so einfach fällt sie aus. Es ist schlicht mangelnde musikalische Bildung, wenn verführte Menschen bei schlechter Musik wie beseligt dasitzen und leuchtenden Auges auf die Bühne schauen, als agierten dort die Größten der Großen, während es in Wirklichkeit nur rücksichtslose Geldverdiener sind. Die sich nur anbiedern! Nur Stimmung machen! Nur Stumpfsinn produzieren! Fernab jeder geistigen und intellektuellen Präsenz der übrigen Welt! Eine quasireligiöse, radikale Ausblendung! Die Verwirklichung der störrischen Marketingthese: Es ist alles gut! Und es hat alles gut zu sein, obgleich es vielleicht, zumindest musikalisch, beschissen ist! Ein toller Abend wurde versprochen, also hat es ein toller Abend zu sein! So einfach ist das! Wer es nicht glaubt, möge bedenken: Was so viele gehört und so viele gekauft haben und was schon so vielen gefallen hat, muss gefallen! Daher klatschen! Daher Standing Ovations!

Das Konzert der Egerländer hat mich vollkommen ratlos zurückgelassen. Wie schon gesagt: Ich verstehe nicht, wie intelligente und musikalisch versierte Menschen so etwas gut finden können. Wer darauf eine andere Antwort hat als ich, der ich auf die Gefahr hin, als unerträglich arrogant zu erscheinen, möge sie mir mitteilen. Wobei ich gleich hinzufügen möchte: Sprüche wie „Die Geschmäcker sind eben verschieden.“ oder „Jedem Tierchen sein Plaisierchen.“sind mir zu wenig! Das sind keine Erklärungen, das sind nur oberflächliche Sprüche, die über ein Nichtwissen hinwegtäuschen. Denn der Satz „Über Geschmack lässt sich nicht streiten.“ wird immer nur zur Hälfte zitiert. Seine Fortsetzung lautet: „Man hat ihn oder man hat ihn nicht.“

Wenn es nämlich wirklich egal ist, wer was hört, wenn wirklich alle Musiken miteinander verglichen werden können, wenn wirklich jeder Geschmack im Grunde egalitär neben jedem anderen bestehen kann, frage ich mich, wozu dieses ganze Gerede von Kultur überhaupt notwendig ist, wozu in den Schulen überhaupt noch irgendetwas gelehrt wird, weshalb es noch einen Sinn haben soll, sich jahrelang abzuquälen, um ein Mozartkonzert zu spielen, wenn es doch vollkommen ausreicht, am Tenorhorn, diesem Un-Instrument schlechthin, eine Egerländer-Melodie herunter zu leiern.

Wenn also irgendwie ohnehin alles nur mosch und hutter ist!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 23 Kommentare

  1. Storck

    Der Herr Schöpf war schon immer absonderlich.!

  2. Villiger

    Guten Tag Herr Schöpf!
    Zufällig bin ich auf Ihren kritischen Artikel über Ernst Hutter und die Egerländer gestossen. Ich mag viele Richtungen von Musik und spielte in der Schweiz selber in einer Brassband mit und war Militärtrompeter. Ich besuche oft Konzerte jeglicher Art und gehe dann erfüllt nach Hause, wenn die Musik gut war. Auch das jährliche Konzert der Egerländer im KKL Luzern, eines der schönsten und besten Konzerthäuser der Schweiz, gehört dazu. Ihre Kritik an den Egerländern und an der böhmischen Musik hat mich richtiggehend schockiert. Ich kann höchstens übereinstimmen, dass diese Formation auch ab und zu Neues wagen dürfte und sollte. Da musizieren Spitzenleute, mit welchen auch das eine oder andere Experiment angegangen werden sollte. Auch der Gesang und die Texte gefallen auch mir nicht immer so ganz. Aber Ihrer derart herablassenden Art muss widersprochen werden. Sie hätten Ihr Ziel möglicherweise besser erreicht, wenn Sie es in einem anderen Ton geschrieben hätten. Ce le ton qui fait la musique! Sie diffamieren mit Ihrer Bewertung Hunderttausende von Menschen, welche diese Musik spielen und hören aufs Gröbste. Wie in österreichischen Schulen Musik unterrichtet wird, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls bei uns wird ein breit gefächertes Angebot genutzt, und das ist bestens. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann üben Sie Kritik an Ihrem Schulsystem. Was mir an der Musik der Egerländer gefällt, ist eben der grandiose Perfektionismus. Und auch wenn die Stücke zum Teil einfach daherkommen, so sind sie in dieser Vollendung viel schwieriger zu intonieren als Sie vermutlich annehmen. Und wenn Musik verbinden sollte, so haben Sie mit Ihrer völlig übertriebenen und ungerechtfertigten Kritik leider den Ton nicht getroffen. Ich würde mich mindestens teilweise bei diesem Orchester dafür entschuldigen.
    Und zum Schluss: Sie nennen das Tenorhorn ein Unding! Ich war Euphonist/Tenohornist und sagte immer, dass es das Cello der Blasmusik sei. Aber jedem sein Geschmack. Man hat ihn oder nicht. Und Sie nehmen für sich in Anspruch, dass Sie ihn haben.
    Alles Gute und beste Grüsse
    Beat Villiger

  3. Uwe Schneider

    Bei der aktuellen „Egerländer Böhmenkapelle“ geht es nicht zuerst um die Musik. Natürlich trifft es zu, daß sie selbst in der Instrumentierung stark verarmt ist, denn wo sind etwa Althorn, Waldhorn oder tiefe Trompete geblieben, wie sie selbst Ernst Mosch noch einsetzte. Natürlich trifft es zu, daß sich bei aller Phrasierung dennoch ein Schmalspur-Klangbild ergibt. Aber: Die Kritik von Alois Schöpf an der Musik der Egerländer Musikanten würde dennoch eher zutreffen auf Olaf den Flipper, Beatrice Egli, die Kastelruther Spatzen oder Dieter Bohlens DSDS: dort findet sich wirklich pure Verflachung der Harmonien und Verhöhnung der Rezipienten. Wo ist aber der entscheidende Unterschied ? Man stelle sich nur einmal vor, es gebe die Orignal Egerländer nicht. Warum wäre das trotz aller Holzschnittartigkeit ihrer Auftritte und zugestandermaßener Anbiederung an Schlichtheit schade ? – Es geht tatsächlich um viel mehr: um das unmittelbareAnrühren des Herzens und zwar durch – BÖHMEN, um den ehemaligen Schmelztiegel fränkischer, wienerischer, tirolerischer, kärntnerischer, tschechischer, mährischer, schlesischer, jiddischer und zigeunerischer Kultur. Um Böhmen geht es, als Gesamtkunstwerk aus Geographie, Naturschönheit, Geschichte, Tradition und lebendiger Kultur, wo Prag einst für Mozart anziehender war als Wien, wo im Egerland, Böhmerwald, in Reichenberg oder Gablonz bis hin zum Riesengebirge einst die Barockkunst blühte und Cerveny 1846 ein Helikon erfand und 1884 im Kaiserbaß das vollkonische Bombardon und seinen Streichbaß-artigen Klang wiederauferstehen ließ.
    Wo in Iser- und Altvatergebirge bis hin nach Karlsbad, Brüx oder Melnik „jeder ein Musikant“ war. Wo der böhmische „Bock“, die Stockfidel, der Czakan – und in Königgrätz die k.u.k Militärmusik aufspielten, wo die von der Gegenreformation vertriebenen Kärntner oder Tiroler Geigenbauer um Graslitz im Egerland eine neue Heimat fanden für ihr Lebensgefühl.
    Ich bin selbst Musikant von Blasmusik bis Swing und Bach und stamme aus Chemnitz, 60km weg von Böhmen, wo nach 1990 lebendigste Kulturvielfalt fast(!) vollständig weggeätzt wurde durch Förderung von allem, was nicht unsere eigene gewachsene Tradition war. So komme ich oft hinüber über den Erzgebirgskamm und bin immer wieder fasziniert vom morbiden Charme solcher schon „toten“ Ortschaften wie Kaaden bei Komotau oder anderer verlorener Plätze am Südhang des Erzgebirges bis hinüber nach Graslitz oder Eger: Diese Kulturlandschaft ist gemeuchelt, gemordet und atmet dennoch nach über 75 Jahren immer noch etwas, wofür die „Original Egerländer“ nun rein symbolhaft künden.
    Darum geht es: Die Sehnsucht DANACH, nach diesem Böhmischen Geist einer jahrhundertelang gewachsenen Kultursymbiose, lebt nicht etwa nur in den nach 1945 in der späteren BRD atomisierten oder in der späteren DDR als Revanchisten kriminalisierten Vertriebenen-Gemeinden und ihren mitunter dem Erdboden gleichgemachten oder von Vietnamesen oder Romas besiedelten Ortschaften, nein, dieser Geist ist immer und überall zu spüren, wo irgendeine Böhmenkapelle authentisch und technisch gut (!) erklingt.
    Die Tschechen spielen bekanntlich ebenfalls im Geiste derselben Tradition, die Mährer und die Slowaken und die tschechischen Schlesier, und sie alle lassen mehr oder weniger gut dieselbe Tradition weiterleben, eben in gut slawischer Färbung, wohlan! – und da gehört halt der Marsch dazu wie der Swing, die Majoretten und der Volkstanz a la “Burschen aus Mystrina“. Die Egerländer sind nichts weniger als genau so ein Symbol: für das Böhmerland und seinen beschwingten Geist.
    Deshalb wird die böhmische Traditionsmusik auch seit etwa 2013 fast vollständig aus den öffentlichen Medien der BRD verbannt und durch puren Blödsinn und Verflachung a la „Superstar“ und Schlimmeres ersetzt. Denn entweder „Musikantenstadl“ oder „Die Flippers“, das ist nicht dasselbe, da ist ein gewaltiger Unterschied: Im ersteren kann man sich eine Mozart-Serenade gespielt von einer Blaskapelle vorstellen, beim letzteren ist tatsächlich alles zu spät. Die Egerländer Musikanten sind Symbol nicht nur für den vermissten Geist Böhmens, sondern auch für alles, was unser eingeborener Harmoniesinn unmittelbar zum Herzen sprechen läßt: sie sind gewissermaßen ein kleinster gemeinsamer Nenner aller derjenigen, die sich nicht vom heutigen Umfälschen, Verdrehen und Totschweigen verbiegen lassen.
    Zuletzt aber: Ja, es stünde auch dieser Kapelle gut zu Gesicht, etwas mehr an musikalischer Vielfalt aus dem so reichen Repertoire des ganzen Böhmerländer Geistes zu schöpfen – und etwas weniger flach. Und das wäre auch gut zur Geschmacksbildung. http://www.schneideruwe.de

  4. Raimund Pranger

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    ich finde Ihren Blogg, Kommentar, oder was auch immer es ist, sehr bedenklich (um es milde auszudrücken)! Sie greifen Menschen, die Sie (wahrscheinlich) nicht persönlich kennen, an und sprechen Ihnen sämtliche Qualitäten (die sie zweifellos besitzen) ab. Damit meine ich nicht nur Musiker selbst, sondern auch (nachweislich) Millionen von Begeisterten. Als Journalist, Blogger oder wie Sie sich nennen, sollten Sie das wissen, das dies ein absolutes „no go“ sein sollte – ich zumindest lernte das bereits in der Volksschule und brauchte kein Studium dafür, um zu verstehen, das dies – jetzt hab ich das richtige Wort gefunden – „RESPEKTLOS“ ist.
    Und eines ist auch sicher: „Blasmusik (welcher Art auch immer) verbindet“ – nicht erst seit heute und wie man – Gott sei Lob und Dank – sieht, auch alle Generationen!
    Das wird auch Ihr respektloser Rundumschlag nicht verhindern können.

  5. Klaus Käsbach

    Nachdem der erste Schock auf Grund der Menge an Frechheit und Arroganz verflogen ist, die Herr Schöpf losgelassen hat, versuche ich mal auch meine Interpretation darüber kund zu tun. Ich kenne Herrn Schöpf nicht, will es auch nicht. Mir stellen sich einfach nur ein paar Fragen. Hat da jemand Angst, vergessen zu werden? Kam in letzter Zeit zu wenig Gegenliebe? War die Kindheit etwas schwer? Fällt einem sonst nichts mehr ein? Irgendwas muss ja bei Herrn Schöpf falsch gelaufen sein. Ich weiß es nicht. Eines weiß ich aber: Den Egerländer Musikanten, Böhmische Blasmusik, Ernst Mosch, Ernst Hutter – und alle, die noch kommen werden – wird man immer noch zuhören, applaudieren und verehren, wenn Herr Schöpf schon lange zu Staub verfallen und vergessen ist.

  6. Ralf Gittinger

    Lieber Herr Schöpf,
    es möge Ihnen erlaubt sein, Ihre – offensichtliche und sehr tiefe – Abneigung gegenüber Ernst Hutter und seiner Familie in Ihrem Blog kund zu tun.
    Vermutlich gibt es – abgesehen vom normalen Anstand, den jeder Kritiker am Leibe tragen sollte – kein Argument, das dagegen spricht.
    Diesen Anstand, der übrigens von jedem Musiker und jeder Musikerin, der/die sich in der von Ihnen kritisierten Musikrichtung bewegt, ebenso erwartet werden darf, wie wir (die aus Ihrer Sicht eher Primaten ähnelnden Musiker(innen)) ihn auch allen symphonischen Kollegen und Kolleginnen entgegenbringen, fordere ich hiermit ein.
    Gute Musik berührt die Menschen im Herzen. Ich bin nicht sicher, ob sich irgendjemand anmaßen darf eine Aussage darüber zu treffen, welche Musikrichtung Intellektuelle und welche Idioten hervorbringt.
    Für mich gilt der Grundsatz: jeder Musiker und jede Musikerin (egal aus welchem Genre), der/die sein/ihr Handwerk beherrscht, hat zunächst Respekt und Wertschätzung verdient.
    Wo kommen wir hin, wenn sich jeder dahergelaufene Möchtegernkritiker ein solch vernichtendes Urteil über eine große – nicht aus Idioten bestehende – Gemeinschaft an Fans einer bestimmten Musikrichtung erlauben darf.
    Glauben Sie wirklich, dass wir Freunde der böhmischen Blasmusik allesamt geistig minderbemittelte Vollpfosten sind?
    Wir würden das niemals von Freunden der symphonischen Musik behaupten und deshalb wäre ich sehr froh, wenn Sie meine Frage beantworten würden.
    Viele Grüße vom Un-Instrument-Spieler, Ralf

  7. Gerolf Stitzenberger

    Mangelnde Fachkompetenz führt zu Profilierungsneurose
    Wer eine musikalische Kritik mit der Leibesfülle eines Menschen beginnt, sollte seinen Bodymassindex ausrechnen und danach Sport machen. Auf keinen Fall sollte er langatmig beweisen, dass er über etwas schreibt, was er offensichtlich nicht im Ansatz versteht und an seinem eingeschränkten Horizont misst. Ich bereue, trotz innerem Widerstand weitergelesen zu haben. Das ist wie wenn jemand ein Buch langweilig findet, weil er die Buchstaben nicht kennt. Kritik darf aus meiner Sicht gerne scharfsinnig und gnadenlos ehrlich sein, nicht aber arrogant und respektlos.

  8. Günter

    Lieber Herr Schöpf,
    Musik hat dann viel erreicht, wenn sie das Herz der Menschen berührt. Dies gelingt der böhmischen Blasmusik bei Tausenden von Zuhörern. Was wollen Sie also noch?

  9. Maria Meijer

    Es steht jedem frei, seine eigene Vorliebe für den Musikstil zu haben. Was Ernst Hutter und seine Musiker spielen, ist in Ihren Augen nicht besonders gut. Sie tun so, als wären Sie von Ernst Hutters Musik völlig überrascht worden. Aber es ist genug über die Musik von Ernst Hutter erschienen, um einen Blick auf das Angebot zu werfen. DAS IST IHRE MEINUNG, die teile ich nicht. Durch die Egerländer Musik habe ich Blasmusik schätzen gelernt und jetzt liegt mir die symphonische Blasmusik ebenso am Herzen. Ein Stil muss den anderen nicht ausschließen. Was mich stört ist, dass Sie Mitglied der Organisation sind. Dem Publikum wurde somit das Schlimmste geboten, was es im Bereich Blasmusik gibt! Außerdem verhöhnen sie ihre Gäste unanständig. So behandelt man Gastspieler nicht. Zum Glück wussten die Zuschauer, was geboten wurde, und kamen wie Bienen zum Honig, und ich bin mir sicher, dass, wenn ein weiteres Konzert mit Ernst Hutter stattfindet, es wieder ausverkauft sein wird.

  10. Michael FP HUber

    Lieber Alois,
    habe deinen Artikel schon ganz in der Früh mit großem Vergnügen gelesen, natürlich sprichst du mir aus der Seele !
    Es ist allerdings ein weitverbreitetes Phänomen, dass selbst hochwertige professionelle Musiker, von denen man einen weitaus höheren Anspruch erwartet, sich immer wieder zu derartigen Ensembles zusammenfinden und wirklich langweilige, anspruchslose Musik produzieren.
    Ich staune da selbst über mein Kollegenumfeld immer wieder sehr!
    Dann frage ich mich: ist es die Lust, sich ab und zu in die „Niederungen“ des musikalischen Nicht-Ausdrucks begeben zu wollen ? Wie ein Haubengerichte-Feinschmecker, der sich gelegentlich in eine Fastfoodkette begibt, um dort hemmungslos zu völlern ?
    Könnte man das noch mit dem Wunsch nach Abwechslung oder dem Bedürfnis nach „Dreck“ erklären, so läuft es meiner Meinung nach im musikalischen Bereich doch immer wieder auf das leidige „Geld machen“ hinaus…. schnell und ohne viel Aufwand!
    Ob man dem Ruf der Promenadenkonzerte mit dem Auftritt der „Engerlinge“ einen großen Gefallen getan hat, wage ich zu bezweifeln! Es scheint tatsächlich so etwas wie ein Bruch im Konzertkalender gewesen zu sein.

  11. Manfred A. Schmid

    Lieber Alois,
    ich stimme da in deiner ablehnenden Beurteilung voll mit dir überein. Was du da scharf ansprichst, ist der von den Berieselungsmedien herbeigeführte Sieg der Volksdümmlichen Musik über die Volksmusik. Spätestens seit Musikantenstadelzeiten ist der Triumph dieser Schunkelmusik Faktum, und ich sehe derzeit leider keinen Weg, das rückgängig zu machen. Wegbereiter dieses schädlichen Siegeszugs waren das Kufsteinerlied und Konsorten.
    Ich bin mit dem Kärntner Volkslied aufgewachsen. Mein Vater Anton Schmid war selbst ein heute noch viel gesungener Kärntner Volksliedkomponist. Vielleicht kennst du „Kömmts lei eina in die Stuben“ oder „Daham in mein Heislan“. Das war die Basis meiner musikalischen Sozialisation. Ich leide sehr an der von dir zu Recht angeprangerten Degeneration der Volksmusik, die ihren Weg über die Volkstümliche Musik hin zur Volksdümmlichen Musik genommen hat.
    Und in der Klassik wird inzwischen – ebenfalls dank der Medien – jeder Sänger, der irgendwo auf der Welt Nessun dorma singt, an einem gewissen Herrn Paul Potts gemessen, der das einmal im TV heruntergeleiert hat und seither für Millionen Zuseher und Zuhörer als Maßstab der klassischen Gesangskultur gilt. Aber das ist eine andere Geschichte, nicht weniger traurig und ärgerlich.

  12. Trootroot

    Lieber Herr Schöpf!
    Vielen Dank, dass Sie sich trauen so einen zu 100% richtigen Beitrag zu schreiben. Dass die Egerländer ein Bildungsniveau widerspiegeln, ist absolut richtig.
    Und Sie kritisieren für mich in Ihrem Beitrag nicht die Böhmische Blasmusik generell, sondern explizit nur die Maschinerie Hutter!
    Bravo!

  13. Karlheinz Töchterle

    Lieber Alois,
    danke für Deine wie immer sehr scharfzüngige Kritik an dem Egerländer-Abend! Du lädst zu Rückmeldungen ein, die Du gleichzeitig schon vorneweg als eher aussichtslos abtust.
    Dennoch versuch ich’s, spontan und ohne tiefere Überlegung und Recherche: Erstens leidet Deine Invektive an einer Fülle z. T. untergriffiger Polemik und provokanter Pauschalurteile, etwa wenn Du das Tenorhorn so abqualifizierst. Ich weiß schon, mit dieser Meinung bist Du nicht allein. Ich halte dagegen: Das Tenorhorn ist nicht nur für mich eindeutig das ‚weiche‘ Äquivalent zur Posaune, analog zur Relation Flügelhorn/Trompete. Auch das Flügelhorn hatte ja schon schlechte Zeiten und hält sich jetzt so halbwegs in Nischen. Noch ein argumentum ad hominem et inexpertum (also schwach): Meine Tochter ist vor einiger Zeit von Flügelhorn/Trompete zum Tenorhorn gewechselt (wenn der Bruder Kapellmeister und das Register schwach besetzt ist, tut man ihm halt diesen Gefallen) und sie ist davon sehr angetan.
    Jetzt zur ‚Böhmischen‘: Unser ehemaliger Kapellmeister Wetzinger hat sie eine Zeit lang ebenso radikal abgelehnt wie Du jetzt, ist dann aber offener geworden und hat sie wieder ins Repertoire genommen. Die Kapelle liebt sie, und wir spielen sie, glaube ich, jetzt schon ziemlich gut. Ich gebe zu: Sie ist schlicht, sehr berechenbar und, wenn man will, kitschig, so wie halt vieles in der Musik von Mozart abwärts. Wenn man da streng wäre, dürfte man vieles nicht zulassen.
    In Deiner Kritik mischen sich zu viele in sich inkongruente Elemente: Man hat fast den Eindruck, Dein Ärger über den aktuellen Auftritt mancher Akteure, deren einen Du ja durch Blicke auf seine bisherige Laufbahn andrerseits wieder würdigst (es scheint fast, als hätte Dich da die Diskrepanz zwischen bisher und jetzt besonders gestört), und über den überzogenen Applaus auch Kundiger, die wohl über eine passable musikalische Bildung verfügen, (mich stört übrigens solcher Applaus häufig und bei dem blöden Aufstehen bleibe ich oft sitzen, bis mich meine Frau dann aufzerrt, um sich nicht mit mir schämen zu müssen) hat nicht nur die ganze Tirade ausgelöst, sondern auch kontaminiert. Das könnte ich jetzt im Detail zu zeigen versuchen, aber der generelle Hinweis auf meinen Eindruck mag genügen.

  14. Norbert Bingert

    Unfassbar was für ein sinnloser Linker verlogener kommunistischer Bericht !
    Jede Musik hat ihre Berechtigung und ihre Schönheit, so lange sie im Rahmen von Respekt und Anstand bleibt gegenüber dem Volk.
    Hipp Hopp gehört aus meiner Sicht nicht dazu
    Auch nicht die Playback Musikanten.
    Nur egal welche Musik echt und original gespielt wird, ist berechtigt die Bevölkerung für sich zu begeistern …..Da muss nicht jeder gleich das Wunderkind Mozart sein. In dem seinem Leben war auch nicht alles Gold was glänzt. Servus nach Tirol und sprengt die Ketten der Linken Diktatur im Land. Euer POLKAKEENICH

  15. Sebastian Jäger

    Bin selbst Blasmusiker und fand den Artikel super gut! Toll argumentiert und schön geschrieben!
    Es ist als Zuhörer dennoch faszinierend, dass Weltgrößen diese Musik zum besten geben. Und wie! Für mich selbst ist es viel zu wenig lebendig, deswegen improvisiere ich gerne was dazu.
    Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen gerne eine CD meiner Band „Erpfenhauser Dorfmusikanten“. Vielleicht spürt man da mehr von der musikalischen Entwicklung der Blasmusik 😉

  16. Elmar Walter

    Auch, wenn „Geschmack“ nach Hans-Georg Gadamer neben Bildung, Urteilskraft und dem Gemeinsinn zu den humanistischen Leitbegriffen zählt, ist er eben nicht vom Urteil anderer abhängig. De gustibus non est disputandum – ja über Geschmack darf nicht verhandelt werden. Und doch verhandeln Sie, lieber Herr Schöpf, genau darüber. Ihre Ausführungen mögen in vielen Punkten stimmen, Sie haben dabei aber gleich mehrere Faktoren außer Acht gelassen: Musikalische Sozialisation: Die Musik Ernst Moschs, die nun auf eigene Weise von Ernst Hutter weitergeführt wird, ist noch immer präsent: in den Repertoirelisten hunderter, ja sogar tausender Blaskapellen und Musikvereine im deutschsprachigen Raum. Kein Zeltfest, in dem nicht mindestens ein Titel aus dem sog. „Egerländer-Repertoire“ erklingt. Und das prägt nicht nur die Zuhörenden, sondern auch die Mitwirkenden: Musikantinnnen und Musikanten wachsen mit dieser Musik auf und finden sich in den Melodien wieder. Und aus diesen Musikantinnen und Musikanten wiederum werden gute, bisweilen sehr gute Musikerinnen und Musiker, deren Wege bis in die europäischen Spitzenorchester führen. Kein Wunder also, dass Musiker – sowohl auf der Bühne als auch im Publikum – eine emotionale Bindung zu dieser Musikform, zu diesen Melodien aufbauen. Ihren Ausführungen, insbesondere im Hinblick auf Kultur und deren Stellenwert in Europa, kann ich in vollem Umfang folgen und teile Ihre Ansicht. Aber an einer Stelle sind sie aus meiner Sicht weit über das Ziel hinausgeschossen: Die Musiker auf der Bühne als rücksichtslose Geldverdiener abzustempeln, ihre Arbeit gar als künstlerische Prostitution zu bezeichnen, ist schon starker Tobak. Und aus eigener Erfahrung – zugegeben, ich bin mit manchem Musiker persönlich bekannt und damit befangen – kann ich sagen, dass keiner dieser Musiker lediglich des Geldes wegen auf der Bühne steht – selbst in diesen Zeiten, in denen Musiker jeden Cent brauchen können, nicht. Jeder der Musiker aus diesem Orchester, mit denen ich bisher Bekanntschaft machen durfte, machen diese Musik in erster Linie deshalb, weil es ihnen Freude macht. Und dass obschon der hohen musikalischen Qualität der Musiker auch manches grob heruntergefetzt daherkommt, ist eher der Spielfreude der Musiker geschuldet, als einer wie auch immer gearteten Langeweile und Lustlosigkeit. Ja, es ist richtig, ich kann nichts zu diesem Konzert selbst sagen und ich hätte auch kein Problem mit einer Konzertkritik, die sich mit den Interpretationen des jeweiligen Abends beschäftigt. Aber dies hier geht aus meiner Sicht zu weit – weil hier offenbar ohne, mit den Musikern über ihre Intention überhaupt gesprochen zu haben, etwas auf eine Weise kritisiert wird, die an Unterstellung grenzt. Man kann – und soll – jedwede Musik kritisch betrachten, und auch die Interpretationen künsterlich bewerten. Ob dies aber auf eine solche Weise gerechtfertigt ist, bezweifle ich. Denn eine Vielzahl der Kritikpunkte ließen sich mühelos auch auf andere Bereiche, andere Genres und andere Ensembles ausweiten – und ob das dann im Sinne des Erfinders ist, wage ich nicht zu beurteilen.

  17. Peter Dembler

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    wie in Ihrem Essay gewünscht möchte ich Ihnen eine andere Sichtweise auf das Konzert der Egerländer Musikanten bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten geben.
    Sie verstehen nicht, wie „intelligente und musikalisch versierte Menschen so etwas gut finden können.“
    Ich gehe davon aus, dass Sie ein hochintellektueller Mensch mit einer entsprechenden Bildung und Lebenserfahrung sind. Ich gehe auch davon aus, dass Sie ein klassisches Musikinstrument (mutmaßlich Klavier?) spielen. Der frustrierte Tenor in Ihrem Essay wirft bei mir aber einige Fragen auf: Haben Sie sich etwa selbst jahrelang „abgequält“, um ein Mozart-Konzert zu spielen? Ist bei Ihnen dabei vielleicht die Freude am Musizieren oder das gemeinsame Erlebnis von innerer Glückseligkeit beim Musizieren in der Gemeinschaft verloren gegangen? Haben Sie persönlich selbst jemals so etwas wie Leidenschaft und Spielfreude im Zusammenhang mit Musik erlebt?
    Ich fürchte nein, denn nur so lässt sich erklären, dass das Konzert der Egerländer Sie „ratlos zurückgelassen hat“.
    Es ist aber auch ein merkwürdiger Ansatz, die „komplexen Probleme einer modernen Gesellschaft“ mit der Kritik an einem Egerländer Konzert in Verbindung zu setzen. Dies führt in Ihrem Beitrag nur dazu, dass Sie letztlich alle beteiligten Gruppen diffamieren, einschließlich des Publikums und seiner Musiklehrer, die es wohl doch offenbar verstanden haben, in ihren Schülern einen anerkennenden Sinn für musikalische Leistung zu entwickeln.
    Wer ein Egerländer Konzert besucht, freut sich auf das musikalisch perfekte Zusammenspiel eines Profiorchesters, deren Mitglieder sich nicht nur für Geld auf die Bühne setzen, sondern ihre Musik auch mit ureigener, innerer Begeisterung interpretieren. Es sind genau diese o.g. lebendigen Elemente, die die Egerländer Musikanten mit ihrem Publikum verbinden und nur so den Funken auch auf die jüngere Generation überspringen lassen können. Schade, dass Sie hierfür offenbar keinen Zugang haben. Oder sind Sie vielleicht nur neidisch auf den Erfolg dieser Gruppe?
    Die Böhmische Blasmusik ist nur eine kleine Schublade im großen Schrank unserer vielfältigen europäischen Musikkultur. Warum sollten 50 Millionen Chinesen, die gerade Bekanntschaft mit den Klavierwerken der Wiener Klassik machen, daran etwas ändern?
    Vielleicht wollten Sie mit Ihrem Beitrag ja auch nur einen Shitstorm aus den Fanreihen der sog. volkstümlichen Blasmusik provozieren. Warten wir es ab.
    Nun werde ich mich aber wieder den schönen Dingen des Lebens widmen und auf meinem geliebten Un-Instrument, dem Tenorhorn, üben. Von allein kann ich nämlich in meiner heimischen Kapelle nicht eine Egerländer-Melodie herunter leiern, das setzt schon viel Arbeit im Vorfeld voraus, wenn es gut gemacht werden will. Glauben Sie aber bitte nicht, dass ich damit dem musikalischen „Stumpfsinn“ ausgeliefert bin. Ich hab echt Spaß daran! Und mit meiner Posaune produziere ich nebenher auch noch in einer anderen Besetzung „Big-Band-Sound“, der nach Ihrer Meinung ja wirklicher Kunst entspricht.
    Glücklicherweise leben wir in einer freien Welt, in der jeder die Musik machen kann, die ihm gefällt. Wenn Sie an einem Konzert mit Böhmischer Blasmusik keine Freude haben, sollten Sie beim nächsten mal doch einfach zu Hause bleiben. Ich besuche z.B. auch kein Heavy-Metal Konzert. Mir würde es aber nie in den Sinn kommen, die Musiker und die Fangemeinde dieses Genres zu beleidigen.
    Für ihren intellektuellen Horizont empfehle ich Ihnen noch mal die selbstkritische Lektüre des „Steppenwolfs“ von Hermann Hesse. Vielleicht hilft es, ihre verbohrte Verbissenheit aufzulösen.
    Noch ein Witz zum Schluss: Nur weil Sie besser sind, müssen Sie ja noch lange nicht arrogant sein! Wünsche noch ein angenehmes Leben.
    Peter Dembler, Hagen in Westfalen (Good old Germany)

  18. Grawe, Ferdinand

    Verehrter Alois Schöpf,
    als Musiker oder auch als Musikant habe Dich immer sehr geschätzt wegen deiner kritischen Kommentare. Aber nachdem ich deine Ausführungen („Kritik“) zum Egerländer Konzert in der vergangenen Woche in Innsbruck gelesen habe, kann ich nur sagen: „Alois, si tacuisses, philosophus mansisses“.
    Herzliche Grüße aus Paderborn
    Ferdinand Grawe
    P.S. Ich bin übrigens sehr oft im Stubaital und meine, mich ein wenig in der Tiroler Musikszene auszukennen.

  19. Peter Kraiser

    Sehr geehrter Herr Schöpf, Hochachtung von ihrer kompromisslosen Geradlinigkeit!!

  20. Gremme Reiner

    Hat sich Herr Schöpf mal mit dem Wandel der Blasmusik in den letzten 20 Jahren beschäftigt?
    Hat er mal Festivals a la Woodstock der Blasmusik aufgesucht? Dort mal geschaut, welches Publikum dort anwesend ist? Geschaut, welche Musik auf dem Land, beim Dorffest, Schützenfest usw. beliebt ist. Wie erfolgreich im professionellen-, wie im Laienbereich sich die Egerländer/Böhmische Blasmusik entwickelt hat und großen Anklang findet?!
    Man schaue sich nur Allgäu 6, die Innsbrucker Böhmische, die Musikatzen oder Viera Blech an.
    Die Original Egerländer Musikanten tragen die Böhmische Blasmusik immer noch in die Welt hinaus, und spielen immer vor ausverkauftem Haus. Die Musiker spielen auf höchstem Niveau, haben die Stilistik verinnerlicht und bieten dem Zuhörer ein abwechslungsreiches Programm.
    Im besonderen: viele Musiker sind absolut begeistert von der Musik und versuchen diese nachzuahmen.
    Vielleicht sollte Herr Schöpf mal über sich selber nachdenken, und sich fragen, wie er zu solch einem Ergebnis kommt. Denn dieses ist für einen angeblichen Fachmann schockierend.
    Viele Grüße aus dem Münsterland, in dem die Musik von Mosch und heute Hutter und seinen Kollegen einen sehr hohen Stellenwert besitzt.
    Reiner Gremme

  21. Michael Ruß

    Dieser Bericht ist ja wohl an Arroganz und Frechheit nicht zu überbieten.
    Bei den Egerländer Musikanten spielen hervorragende Musiker, die alle ihr Instrument beherrschen.
    Und es gibt noch genügend andere hervorragende Orchester, die diese Musikrichtung spielen.
    Sie beleidigen mit Ihrem Artikel jeden einzelnen dieser hervorragenden Musiker !

  22. Patrick

    Diese Kritik zeigt eindeutig, dass sich der Autor nicht vollumfänglich mit Musik beschäftigt hat. Die böhmische Blasmusik ist in weiten Teilen deutlich komplexer als ein ungeübter (das scheint der Autor offensichtlich in diesem Zusammenhang zu sein) Zuhörer/ Kritiker zunächst zu hören glaubt. Die Artikulation, Phrasierung und das Timing sind oftmals komplexer als in der vom Autor so hoch gelobten Klassik/ Barock/ Romantik… aber das kann der Autor oder will er wohl nicht erkennen. Aber abgesehen davon kann man ihm zumindest ein hohes Maß an Arroganz zuschreiben und wer sich über die körperlichen Unzulänglichkeiten der Musiker auslässt, kann wohl dem Publikum kaum noch glaubhaft Primitivismus vorwerfen.
    Insgesamt also eine recht peinliche und unsachliche Art, Kritik zu äußern.

  23. Fritz Joast

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Und wie sie mir aus der Seele sprechen, endlich jemand der es (manchmal überspitzt und pointiert, aber notwendig) auf den Punkt bringt.
    Es tut gut, diesen Essay über die Egerländer zu lesen:
    Ich kenne sie persönlich, zwar nur wenig intensiv, schätze aber ihre Kommentare, die sich mit meiner Meinung und Sichtweise oft überschneiden.
    Als „geduldeter Osttiroler im Zillertal“ (Eigendefinition) lebe und arbeite ich seit bald 30 Jahren als Haupt- bzw. Mittelschullehrer an der Musikmittelschule Zell am Ziller und als Instrumentalmusiklehrer für Posaune und Klavier an der Landesmusikschule Zillertal, spiele Orgel in verschiedenen Kirchen diesseits und jenseits des Zillers – überschreite somit öfters die hochheiligen diözesanen Grenzen zwischen Innsbruck und Salzburg.
    Weiters „darf“ ich seit 12 Jahren die Bundesmusikkapelle Zell am Ziller musikalisch leiten – ich genoss noch 2 Jahre unseren ehrwürdigen und geschätzten Prof. Siegfried Somma als Kapellmeister und echten Sir.
    Ich kann mich noch gut an einige seiner Zitate erinnern: „Alles Gute wurde bereits komponiert“ beispielsweise.
    Musikgeschmack, Programmgestaltung, musikalische Erziehung etc.: Ich sehe es als persönlichen „Bildungsauftrag“, unsere Kinder an der Schule und Musikschule, die Musikanten*innen für Musik nebst Polka, Marsch und Poparrangements zu sensibilisieren.
    Sie waren selber Kapellmeister und kennen die crux: Sich den fast schon Anfeindungen bzgl. Programmauswahl zu widersetzen ist mitunter schon zehrend und braucht einen langen Atem. Gottlob lasse ich mir diesbezüglich nicht zu viel „dreinreden“, es gibt kein Platzkonzert ohne eine, zumindest kleine, österreichische Ouverture von großen Komponisten wie Lanner, Strauß, Lehar etc. Natürlich werden auch Polkas gespielt, eine Gratwanderung ist es allemal.
    Es wäre sehr fein, mit Ihnen einmal auf einen längeren Kaffee mit gutem Gespräch zu gehen.
    Ich freue mich auf ihre Rückmeldung.
    Herzliche Grüße,
    Fritz Joast

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