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Thomas Nußbaumer
Wolfgang Amadeus Mozarts Oper
„Così fan tutte“
Premiere am Tiroler Landestheater

Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Così fan tutte sei ein elendes Ding, das alle Weiber herabsetzt und Zuschauerinnen unmöglich gefallen kann, schrieb 1791 – also zwei Jahre nach ihrer Entstehung – ein Frankfurter Rezensent.

Heute ist diese Opera buffa nach einem Libretto von Lorenzo da Ponte längst schon kein Aufreger mehr und in gewisser Weise nur noch aus der Historie heraus verständlich, wenngleich das Thema der „Treue“ und „Treueprobe“, hier auf eine kurzweilige und weitestgehend auch oberflächliche Weise abgehandelt, zeitlos ist. Zweifellos lieben wir an „Così fan tutte“ Mozarts geniale, emotional berührende Musik mehr als den Text, dessen Idee seiner Entstehungszeit, als man darüber nachdachte, inwieweit menschliche Verhaltensweisen Naturgesetzen folgen würden und Frauen „von Natur aus“ untreu seien, entsprang.

Jon Jurgens (Ferrando), Lamia Beuque (Dorabella). © Birgit Gufler Jon Jurgens (Ferrando), Lamia Beuque (Dorabella). © Birgit Gufler

Annette Leistenschneider, die am Tiroler Landestheater Regie führt, setzt in Zusammenarbeit mit Christian Floeren (Bühne) und Michael D. Zimmermann (Kostüme) auf Spaß und Unterhaltung. Die Drehbühne zeigt zum einen ein Designer-Wohnzimmer in einer Designer-Maisonette, zum anderen einen Rasenstreifen unter Pinien, auf dem man sich in Liegestühlen sonnt oder nächtens konspirativ trifft, und dann wieder einen Hauseingang nebst Müllcontainer. Fiordiligi und Dorabella mit ihrer Bediensteten Despina wohnen hier ebenso wie ihre Verlobten Guglielmo und Ferrando und ihr Nachbar Don Alfonso. Man wähnt sich in einem gehobenen modernen Wohnviertel in Roma oder Milano. Die jungen Liebenden stecken anfänglich in modisch geschnittenen, betörend eleganten Designerklamotten, an denen man sich kaum sattsehen kann.

hinten: Ilya Lapich (Guglielmo), Jon Jurgens (Ferrando); vorne: Lamia Beuque (Dorabella), Susanne Langbein (Fiordiligi). © Birgit Gufler hinten: Ilya Lapich (Guglielmo), Jon Jurgens (Ferrando); vorne: Lamia Beuque (Dorabella), Susanne Langbein (Fiordiligi). © Birgit Gufler

Guglielmo und Ferrando verkleiden sich, um von ihren Verlobten nicht erkannt zu werden, als cool durch die Gegend lümmelnde Rapper. Hier wird’s also bereits skurril, und das passt ja auch bestens zum Libretto, dessen Showcharakter durch die für Opera buffa typischen Unwahrscheinlichkeiten geprägt ist. Leistenschneider lässt diese Unwahrscheinlichkeiten auch in der Personenführung immer wieder aufblitzen, indem sie die Protagonistinnen und Protagonisten ab und zu witzig in Lines tänzeln und allerhand Schritte und Verrenkungen ausführen lässt.

Jon Jurgens (Ferrando), Lamia Beuque (Dorabella), Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso), Susanne Langbein (Fiordiligi), Ilya Lapich (Guglielmo). © Birgit Gufler Jon Jurgens (Ferrando), Lamia Beuque (Dorabella), Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso), Susanne Langbein (Fiordiligi), Ilya Lapich (Guglielmo). © Birgit Gufler

Dass im Schlussakt rokokohafte Kostümchen überwiegen, stört ebenso wenig wie die Aussagelosigkeit eines Plakats, auf dem der Aufruf „Change the Rules“ nebst Mäuschen, das eine Katze jagt, zu sehen ist. In dieser insgesamt sehr unterhaltsamen Inszenierung werden keine Regeln gebrochen, wenn man davon absieht, dass am Schluss die Partner getauscht werden, weil man sich in das Gespons des Gegenübers verliebt hat.

Ilya Lapich (Guglielmo), Jon Jurgens (Ferrando). © Birgit Gufler Ilya Lapich (Guglielmo), Jon Jurgens (Ferrando). © Birgit Gufler

Der Reiz der Oper „Così fan tutte“ liegt bekanntlich in ihren vielen und vielgestaltigen Ensemblenummern (13 an der Zahl). Die Handlung verlangt Duette, Terzette, Quartette bis hin zum Schlusssextett. Einige wenige Arien ragen wie Leuchttürme aus einem ansonsten virtuosen, schnell fließenden und vielfach im Parlando dahingleitenden musikalischen Vielerlei. Wenn man die Intention dieser bestechend meisterhaften Musik zu vermitteln imstande ist, kann man von einer gelungenen Umsetzung sprechen.

Die aktuelle Innsbrucker „Così fan tutte“ lässt diesbezüglich keine Wünsche offen. Sie beruht auf einem stimmlich ausgewogenen und schauspielerisch sehr starken Ensemble. Susanne Langbein ist eine faszinierende Fiordiligi, deren Kraft in der Differenzierung und den feinen Zwischentönen ihrer Rolle liegt. In ihren absolut fesselnden solistischen Auftritten entfaltet sie mit ihrer brillanten Stimme ein ungeahntes Spektrum an Dynamik und Ornamentik. Lamia Beuque als Dorabella steht ihr in punkto Virtuosität und Technik in nichts nach. Ihr Timbre ist eine Spur dunkler und man hört den Willen, besonders die leidenden und leidenschaftlichen Aspekte der Rolle stimmlich auszuloten.

Ilya Lapich (Guglielmo), Susanne Langbein (Fiordiligi). © Birgit Gufler Ilya Lapich (Guglielmo), Susanne Langbein (Fiordiligi). © Birgit Gufler

Jon Jürgens als Ferrando beeindruckt durch seine weiche, wendige, heldenhafte Tenorstimme ebenso wie Ilya Lapich als viriler, letztlich ob der Untreue seiner Fiordiligi eindrucksvoll rasender Guglielmo. Johannes Maria Wimmer präsentiert sich als ein höchst überzeugender Don Alfonso, der wesentlich dazu beiträgt, dass die Musik dieser Inszenierung fließt und läuft, einerseits, indem er die parlandoartigen Passagen seiner Rolle differenziert ausgestaltet und souverän ausspielt, und andererseits durch seine unerschütterliche Verlässlichkeit bei den Einsätzen.

Annina Wachter als Kammerzofe Despina, die auch als skurriler Notarzt und schräger Heiratsnotar auftritt, hat in dieser Rolle das Zeug zum Publikumsliebling. Es ist eine Freude, ihrem warmen, eleganten Gesang zu lauschen und ein Vergnügen, wie sie ihrer Rolle auch schauspielerisch, manchmal slapstickartig ein unverwechselbares Profil verleiht.

Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso), Annina Wachter (Despina). © Birgit Gufler Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso), Annina Wachter (Despina). © Birgit Gufler

Die sechs Damen und Herren harmonieren auch in den Ensembles sehr gut, man spürt die Bereitschaft, aufeinander zu hören und sich im Gesamtklang einzuordnen. Großer Respekt gebührt der Leistung des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck unter der engagierten und präzisen Führung von Tommaso Turchetta. Der Orchesterklang war transparent, ausgewogen und farbenreich. Leuchtend und schön hoben sich die Holzbläser und Hörner von der Streicherklanggrundierung ab, sinnvoll und klangfarblich bereichernd wurde in den Secco-Rezitativen ein historischer Hammerflügel eingesetzt. Der Chor und die Statisterie des Tiroler Landestheaters, ersterer hinter der Bühne im Einsatz, hatten ebenfalls Anteil am Erfolg einer begeistert wahrgenommenen Premiere.

Jon Jurgens (Ferrando), Susanne Langbein (Fiordiligi), Annina Wachter (Despina), Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso). © Birgit Gufler Jon Jurgens (Ferrando), Susanne Langbein (Fiordiligi), Annina Wachter (Despina), Johannes Maria Wimmer (Don Alfonso). © Birgit Gufler

Der Text erscheint auch im ONLINE-Merker (www.onlinemerker.com).
Fotos: Birgit Gufler

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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