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Alois Schöpf
Tradition mit Erbverzicht
Apropos

Die Blasmusik hat in Österreich eine hehre Tradition. Schon zu den Zeiten Mozarts verwöhnten Bläser das Publikum bei abendlichen Serenaden. Im 19. Jahrhundert bestand die Aufgabe der Blasmusik dann darin, die Werke der Kunst- und Unterhaltungsmusik von Strauß bis Ziehrer unters Volk zu bringen – ergänzt durch die Werke vieler anderer kreativer Kapellmeister.

Dadurch entstand eine Literatur, mit der etwa die Wiener Philharmoniker oder André Rieu bis heute Millionen erreichen.

Warum verschwindet diese Musik, mit wenigen Ausnahmen, aus den Programmen der meisten Tiroler Musikkapellen, die derzeit für ihre Frühjahrskonzerte werben?

Es gilt geradezu: Je kleiner das Kaff, desto englischer die Titel und desto größer der internationale Ramsch, der geboten wird. Da wundert es auch nicht, wenn man bei den Konzerten unseres Symphonieorchesters kaum Blasmusikanten trifft.

Dabei entsteht die Fähigkeit, Qualität zu erkennen, vor allem durch die Auseinandersetzung mit der klassischen Musik.

Wenn unsere Trachtenmusikkapellen nicht nur Sozialvereine, sondern Kunstvereine sein wollen, liefern derzeit zu viele Frühjahrskonzerte den Beweis, dass die Kapellmeisterausbildung, die Musikschulen, der Blasmusikverband bis hin zu den subventionierenden Gemeinden und dem Land ein entscheidendes Ziel verfehlt haben: die Entwicklung von Verständnis und Liebe zur eigenen, großen musikalischen Vergangenheit.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 29.04.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Manfred Waldner

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem TT-Beitrag über die Blasmusik! Ich war selbst früher viele Jahre bei einer Blasmusikkapelle (Mils), wenn ich heutzutage so manches Konzert besuche, so fehlt mir eben auch der Tirol- oder noch mehr der Österreichbezug! Schöne Operettenmelodien, Märsche, Walzer und sonstige Musikstücke aus unserem Land, das ja gerade in der Musik Weltruhm hat (hatte??). Ich habe so manches Konzert in Tirol gesehen, da war höchstens ein Marsch (aus Tirol oder Österreich) dabei, keine berühmten Walzer- oder Operettenmelodien usw.! Aber – jede Menge „Englisches“ und natürlich die obligaten „Selbstkompositionen“ der Kapellmeister! Wenn ich „andere“ Musik hören will, so gehe ich zu einem modernen „Musik-Event“, zu einem Streichorchester-Konzert oder höre Radio usw.! Klar, es dürfen schon auch moderne und schwierige Solistenstücke dabei sein, keine Frage, ABER man muss bei Blasmusik-Kapellen bzw. deren Vorführungen deutlich merken, WO wir sind, man kann ja aus heimischen Weisen und Melodien eh aus dem Vollen schöpfen!

  2. Helmut und Brigitte Leisz

    SEHR GEEHRTER HERR SCHÖPF –
    HERZLICHE GRATULATION zu Ihrem Artikel in der letzten Samstagausgabe der TT!
    Ja – leider ist es so … ein „normales“ – traditionelles Programm einer Blasmusikkapelle – wird von oben herab belächelt … als altvatrisch abgekanzelt … als kreativlos bezeichnet!
    Aber – ist es nicht auch in der Sprache – in den Medien – genauso – es werden immer weniger deutsche Worte gebraucht – alles ist eine „challenge“ – vieles ist eine „performance“ – einiges ein „event“ – ein „highlight“ … uvm.!
    Am auffälligsten ist es für mich bei Sportreportagen und den diversen vielfältigen „Musikevents“!
    Die Moderatoren „unseres“ ORF – aber auch die der Privatsender – überbieten sich in der vielfältigen Anwendung von Anglizismen. Da scheint ein interner Wettbewerb ausgebrochen zu sein – wer erfindet wieder ein neues „deutsches“ … ähhhh …englisches Modewort!
    Wenn dies gelingt – wird es sofort kopiert … vielleicht noch abgewandelt, um besonders erfinderisch zu sein!
    Zurück zur Musik und den Programmen der heimischen Blasmusikkapellen.
    Wie Sie richtig schreiben, liegt es wohl an der Ausbildung der Musikanten* – der Kapellmeister* – wo es leider oft verabsäumt wird, den reichen musikalischen Schatz unserer weltweit geschätzten Komponisten wertzuschätzen – weiterzuvermitteln und angemessen zu pflegen!

  3. Klaus Klingenschmid

    Lieber Alois, mit großem Interesse lese ich Deine Artikel jeden Samstag in der TT. Ich bin nicht immer Deiner Meinung, aber das ist gut so und normal. Ich kenne Deine Meinung zur traditionellen Musik – insbesondere der großen Meister – und sehe auch, was für herausragende Leistungen sie erbracht haben. ABER: mit dieser Musik wirst Du die Zukunft der Musikkapellen nicht gestalten. Als ich vor 10 Jahren unsere Nachwuchsarbeit übernommen habe, waren wir grad mal 45 MusikantInnen – jetzt sind wir die größte Kapelle im Bezirk mit mehr als 60 MusikantInnen. Vor allem das Jugendorchester mit ausschließlich moderner („cooler“) Musik ist das große Zugpferd. Mit klassischen Stücken haben wir beim Nachwuchs keine Chance. Ich sehe es aber natürlich auch als unsere Aufgabe an, Märsche, Walzer und Ouvertüren im ersten Teil des Programms zu spielen, aber der zweite Teil MUSS modern (sinnvollerweise auch mit Showelementen) sein.
    So wie Schlögl es in Ellbögen gemacht hat, wird es mit Sicherheit nicht gehen. Das Publikum, dem solche Musik gefällt, wird zusehends älter und hat häufig keine Ahnung von gut gespielter Musik! Zusammengewürfelte Kapellen, die ihre Musikanten landesweit von verschiedensten Kapellen rekrutieren (Kaiserjäger, Wiltener etc.) haben diese Probleme grundsätzlich nicht. Sie haben ja keinen eigenen Nachwuchs. Aber auch diese Kapellen haben schon große Nachwuchsprobleme….
    Ich schreibe Dir diese Zeilen nur, weil ich schon der Meinung bin, dass ich weiß, wovon ich rede. Ich erinnere mich noch gerne an das gemeinsame Musizieren mit Dir. Du hast unsere Kapelle positiv geprägt.

  4. Anita Brandstätter

    Danke Herr Schöpf, für Ihren Beitrag in der TT!
    Es ist so schade, dass unsere Bräuche und Lebensweisen in Vergessenheit geraten, aber auch Ablehnung erfahren!
    Oft denke ich, der Wohlstand hat die Menschen verdorben, den Hausverstand geraubt, das Herzliche verschwindet, ebenso der Respekt am Gegenüber. Wie freu ich mich, wenn ich fremden Personen begegne und wir gemeinsam über eine Kleinigkeit herzlich lachen können – leider sehr selten! Wir hatten keinen Reichtum, dafür die Liebe in der Familie! Da bin ich schon beim nächsten Thema: das ewige Gejammer, dass Frauen benachteiligt werden. Frauen an die Macht!! Auf der selben Seite, ein anderer Artikel, dass für Kinder zu wenig Psychologen zur Verfügung stehen. Da braucht’s keine Worte mehr!!! Die Zeit, wo Kinder die Eltern um sich brauchen, vergeht so schnell, mir zu schnell! In dieser Zeit sollte man auf Luxus wie z.B. jedes Jahr mit den Kleinen in den Urlaub fliegen, neues Auto, Handy usw. usw….. verzichten. Die Kinder wären wieder glücklicher! Leider gab’s für viele Eltern schon keine glückliche Kindheit mehr, wie sollen sie es denn auch schaffen, wenn sie es selbst nie erfahren durften. Mir tut’s einfach für die Kleinen leid, die so ohne Liebe, Geborgenheit, aber auch Grenzen groß werden sollen!
    Dieses Thema wollte ich unbedingt auch loswerden – Danke für Ihr Verständnis!

  5. Georg Zobl

    Sg. Herr Schöpf!
    Ihre Kommentare „Apropos“ in der TT lese ich immer zuerst und fast 100%ig stimme ich Ihnen voll zu. Ganz besonders dem heutigen. Die Kapellen spielen symphonische Werke von Ami-Komponisten, bei denen man sich die Ohren zuhalten muss und darüber hinaus noch Bauchweh bekommt.
    Danke

  6. Michael Hladik

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    zu heutigen Kolumne „Tradition mit Erbverzicht“ erlaube ich mir anzumerken, dass Sie einerseits recht haben, aber andererseits doch auch der Weiterentwicklung der Musikkapellen ausreichend Raum geben sollten.
    Ich bin vor 52 Jahren von N.Ö. […dem (damaligen) Land der „5-7-Mann-Ich-hatt‘-einen-Kameraden-Kapellen“] nach Tirol übersiedelt und war von Anfang begeistert von dieser Musik. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit der MK Igls-Vill, wo der damals jüngste Kapellmeister Tirols, Schwanninger (…oder so ähnlich hieß der Mann aus Seefeld …) sogar grobschlächtige Bauernhände zu wohlklingenden Solomusikern formte.
    Nun habe ich in den Jahrzehnten meines Hierseins die Fortentwicklung der Musikkapellen miterlebt. Aus den meisten damaligen „Rum-ta-ta-Kapellen“ wurden Kapellen mit einem vielseitigen Reportoire.
    Sie haben völlig recht, wenn Sie die geringer werdende Anzahl traditioneller Kompositionen kritisieren, da schließe ich mich an.
    Aber mir gefällt es ebenso gut, wenn in einem Kaff die MK Gershwin, Ouvertüren oder andere, auch modernere Kompositionen zum Besten geben. Ihre Postmusik hat kürzlich bewiesen, dass es auch mit Tradition ganz gut geht. Es war ein tolles Konzert. Der offensichtliche Nachteil läßt sich aber am Duchschnittsalter der Mitglieder ablesen. Wir waren heuer schon in mehreren Frühjahrskonzerten. Aber so wenig Nachwuchsmusiker, wie es die Postmusik gezeigt hat, konnten wir nirgends erkennen.
    Der Promenadenkonzert-Marsch zu Ihren Ehren war besonders nett anzuhören, auch weil Sie ihn dirigierten. Ein Musikstück Ihnen zu Ehren ist fast zuwenig, für das, was Sie mit den Promenadenkonzerten auf die Beine gestellt haben. Gratulation zu dieser Idee und zu diesem langjährigen Erfolg.
    Was zu Ihrer heutigen Kolumne dazu paßt, ist der ebenfalls heutige Artikel in der TT zum Thema Lautstärke von Orchestern. Meine Frau und ich besuchen Konzerte vielfältiger Art (Blasmusik, Symphoniekonzerte – sofern sie von Symphonieorchestern gepielt werden und nicht von Blasmusikern, die meinen, auch dafür bestimmt zu sein, und Orchesterkonzerte (z.B. Erl). Dabei stellten wir fest, dass es immer mehr Kapellenmitglieder werden. Kürzlich waren bei einem Frühjahrskonzert gleich 6 (!) Tuben im Einsatz und die Schlagwerkergruppe teilte sich auf ebenfalls sechs Erwachsene und einen kleinen Buben auf. Die Säle werden ja nicht größer, aber der Schalldruck nimmt mit jedem Musikanten mehr beträchtlich zu. Es wird immer lauter und auch für die Zuhörer nicht unbedingt angenehmer.
    Ich weiß schon, dass es nicht leicht sein würde, jemanden, der um Aufnahme in eine MK ersucht, diesen abzulehnen, weil das Register schon komplett ist.
    Andererseits haben die Obleute bzw. Organisatoren offenbar kein Gespür für die Akusik bzw. Verständlichkeit von Moderationen (- die bei der Postmusik tipp-topp war!-). Es ist schade, dass man dann oft wohlgemeinte nette Moderationen gar nicht verstehn kann, weil die Person kein oder nur so ein mickriges Mikro-Lautsprecher-Set verfügbar hat. Wenn dann die ersten zwei Reihen amüsiert sind und die hinteren Reihen zu tuscheln beginnen, weil man so schlecht oder nix versteht, trübt das schon einen Musikabend.
    Mit freundlichen Grüßen aus Natters.

  7. Urban Winkler

    Sehr geehrter Herr Schöpf, lieber Alois !
    Mit dem Leitsatz „Tradition mit Erbverzicht“ haben sie wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen. Bin bis vor 30 Jahren selbst Musikant in einer Dorfkapelle gewesen, musste aber aus beruflichen Gründen und wegen meinem Asthma mein Euphonium an den Nagel hängen. Mit deinem Artikel sprichst du nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Zuhörern der Frühjahrskonzerte und sommerlichen Platzkonzerte aus der Seele, denn als aufmerksamer Beobachter unseres Musikgeschehens habe ich leider schon seit vielen Jahren auffallend gequälte und teilnahmslose Gesichter wahrgenommen. Denn wie du sagst: sogar bei den kleinen Dorfkapellen hat man schon viele amerikanische und englische Orchesterparts eingebaut und man merkt an der Stimmung der Zuhörer, dass sie sowas gar nicht hören wollen, denn das geht dem Publikum zu zäh dahin und den Leuten einfach nicht ins Ohr, weil sie flotte Marsch- oder Polkamusik hören wollen, so wie es bei uns schon immer Tradition war. Und da wundert man sich, wenn die Zuhörer immer weniger werden außer den Adabeis die überall gesehen werden wollen. Aber leider ist dieses Verständnis und, wie du sagst, die Liebe zur eigenen, großen musikalischen Vergangenheit verloren gegangen. Und unsere Touristen wollen diesen für unser Land unpassenden modernen Sound erst gar nicht hören, habe ich wahrgenommen. Und es ist erbärmlich, dass dies die Verantwortlichen unserer Kapellen nicht wahrhaben wollen. Denn sie denken, dass sie nur modern wirken, wenn sie so einen Scheiss spielen. Es gäbe ja wirklich aus unserer großen musikalischen Vergangenheit für die Trachtenmusikkapellen wunderschöne Stücke zu lernen, um in ihr Repertoir aufzunehmen, und das wäre dann eine wirklich wertvolle Weiterentwicklung unseres Musikgeschehens.
    Lieber Alois schau gut auf dich, denn Männer wie du werden im Land gebraucht!

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